Mülheim. Hütte, Thyssenkrupp, Aldi Süd und RWW sind mit im Boot: Die Stadt Mülheim will 45 Hektar Filetfläche an der Ruhr entwickeln. Diese Ziele gibt es.
Woran es große Zweifel gab, bringt die Stadtverwaltung nun in großem Stil auf den Weg: Gemeinsam mit den Flächeneigentümern will die Stadt Mülheim die Gewerbe- und Industriebrachen an der Friedrich-Ebert-Straße, zwischen Innenstadt und Aldi-Zentrale in Styrum, entwickeln. Am Montag gaben OB Marc Buchholz und Vertreter der beteiligten Großunternehmen ihre Kooperation bekannt und setzten erste Etappenziele für eine Entwicklung der 45 Hektar.
Unterzeichnet ist nun ein „Letter of Intent“, eine (nicht rechtsverbindliche) Absichtsklärung, die Brachflächen an der Ruhr zu einem Quartier besonderer Güte zu machen. Im Süden bringt die Stadt die Ruhrbania-Flächen 3 und 4 ein. Beteiligt sind darüber hinaus die Großunternehmen der Friedrich-Wilhelms-Hütte, Thyssenkrupp Schulte, Thyssenkrupp Materials Services und Aldi Süd sowie die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft, die in Styrum ein kleines Areal außerhalb des Wasserschutzgebietes einbringt. Eine kleine Waldfläche, die für die Trinkwasser-Versorgung nicht relevant ist.
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2022 soll ein städtebaulicher Wettbewerb für die 45 Hektar an Mülheims Ruhr starten
Die Kooperationspartner haben das Ziel ausgerufen, schon möglichst Mitte 2022 die Rahmenbedingungen für einen städtebaulichen Wettbewerb abgesteckt haben zu wollen. Der Wettbewerb soll – unter Federführung der Stadt – auch noch 2022 starten und Möglichkeiten aufzeigen, wie aus den heute trist daherkommenden Arealen Filetstücke der Stadtentwicklung am östlichen Ruhrufer werden können.
Ziel ist es, zwischen Heinrich-Melzer-Straße im Süden und Burgstraße im Norden „ein zukunftsträchtiges Quartier zu entwickeln, in dem sich vor allem Arbeiten, Produktion, Freizeit und Erholung, Kultur und Event sinnfällig verbinden und gegenseitig zu einer lebendigen und urbanen Mischung ergänzen“, heißt es in der Absichtserklärung.
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Konzept greift alte Ruhrbania-Visionen von Gerd Müller (SPD) auf
Die Lage am Flussufer und die Anbindung über die DB-Hauptstrecke (Bahnhof West) durch das Ruhrgebiet seien „exzellente Rahmenbedingungen für einen regional positionierbaren Standort mit besonderen Qualitäten“ für Gewerbe. „Ich sehe hier die Chance, Arbeiten und urbanes Leben am Fluss zu kombinieren und gleichzeitig die beiden Stadtteile Innenstadt und Styrum städtebaulich attraktiv zu verbinden“, sah OB Marc Buchholz (CDU) im Montag einen „denkwürdigen Tag“, an dem viele Beteiligte, darunter Weltunternehmen, sich dazu vereinbart hätten, gemeinsam etwas für die Zukunft in Mülheim zu tun. Das Konzept greift die Zielrichtung auf, die einst schon SPD-Grande Gerd Müller für eine weitergehende Ruhrbania-Entwicklung gen Norden formuliert hatte.
Nun, Jahrzehnte später, scheint die Zeit dafür reif. Zuletzt dürfte das Produktions-Aus für den traditionsreichen Eisenguss bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte Dosenöffner gewesen sein für die nun anstehende Kooperation von Stadt und Unternehmen. Die Hütte ist Eigentümerin von knapp 20 Hektar des Entwicklungsgebietes. Die Stadt will sich verpflichten, die Kosten etwa für nötig werdende Altlasten-Gutachten selbst zu tragen. Doch auch die Grundstückseigner sollen sich an Kosten beteiligen. OB Buchholz setzt aber auch darauf, dass sich das Land mehr als heute engagiert, wenn es darum geht, auf brach liegenden Wirtschaftsflächen wieder Jobs anzusiedeln.
Keine Planung auf weißem Papier: Interessen von Unternehmen sind zu beachten
Im Stadtplanungsamt hätten die Vorbereitungen für eine städtebauliche Rahmenplanung für das rund 45 Hektar große Plangebiet bereits begonnen, hieß es am Montagmorgen. Das Entwicklungsgebiet ist dreieinhalb Mal so groß wie die alte Tengelmann-Fläche in Speldorf, auf der die „Parkstadt Mülheim“ wachsen soll.
Im ersten Schritt würden aktuell Informationen zu den Flächen an der Ruhr zusammengetragen und Planungsgrundlagen erstellt. Anschließend sollen die politischen Gremien der Stadt erstmals zum Projekt debattieren. „Die Arbeit geht jetzt erst richtig los“, sagte Chef-Stadtplaner Felix Blasch am Montag. „Das ist sicher kein dünnes Brett, das wir da bohren. Eher ein Balken.“
OB: Das letzte Wort haben natürlich die Eigentümer
Die 45 Hektar werden natürlich auch nicht auf einem weißen Papier zu überplanen sein. Das letzte Wort hätten natürlich die Eigentümer, stellte OB Buchholz klar. Sowohl die Hütte (mit ihrem Stahlguss) als auch Werkstoffhändler Thyssenkrupp Schulte (mit seinem Zentrallager und Logistikzentrum für Rohre und Stahlrohrprofile) wirtschaften noch am Standort. Zumindest Thyssenkrupp zeigt sich offen, womöglich langfristig auch die zehn Hektar an der Ruhr zu räumen, wenn sich ein passender Alternativstandort auftue, so Geschäftsführer Detlef Schotten. Gerne auch in Mülheim, weil man hier „sehr zentral in der Rhein-Ruhr-Region“ verortet sei.
Aldi Süd hat zwar sein großes Lager aufgegeben, liebäugelt aber damit, die Deutschland-Zentrale komplett in Styrum zu bündeln, wie Property Director Dirk Feldhaus bestätigte. Einige Einheiten sind noch in Mietobjekten im Stadtgebiet oder auch in Duisburg verteilt. Feldhaus verspricht sich viel von einer konzertierten Quartiersentwicklung, „auch für unsere eigenen Mitarbeiter wäre es ein deutlicher Mehrwert, wenn sie nach der Arbeit im Quartier Gastronomie- und Event-Angebote vorfänden“.
Lediglich die RWW wirft eine Fläche zur freien Entwicklung in den Topf – nun ja: ein Stück Wald, das womöglich unberührt Bestand haben dürfte. Mit im Portfolio ist auch der Bahnhof West und sein Umfeld. Er bedürfte aber schon einer grundhaften Sanierung, sollte er mal adäquate Station einer modernen Arbeitswelt sein wollen.
Geplant: ein „hochwertiger urbaner Gewerbestandort mit überörtlicher Strahlkraft“
Auf dem Entwicklungsfeld soll ein „hochwertiger urbaner Gewerbestandort mit überörtlicher Strahlkraft“ entstehen, der Mülheim wieder Arbeitsplätze bringt, die in jüngerer Vergangenheit hundertfach verloren gegangen sind – wegen der Krise der örtlichen Industrie, aber auch, weil die Stadt ansiedlungswilligen Unternehmen keine freien Flächen mehr bieten konnte.
Stimmen zum Projekt
Wolfgang Zimmermann, Geschäftsführer FWH Grundstücks GmbH & Co. KG: „Mülheim und Industrie gehören zusammen, das bleibt auch so in Zeiten von Transformation und Digitalisierung. Wir freuen uns, dass durch die Initiative der Stadt Mülheim an diesem traditionsreichen Wirtschaftsstandort neue Impulse entstehen, die die bisherige Nutzung erweitern und die Attraktivität des Quartiers für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt erhöhen. Dabei engagieren wir uns gern.“
Detlef Schotten, Geschäftsführer Thyssenkrupp Schulte: „Wir bekennen uns ganz klar zu der Wirtschaftsregion Rhein-Ruhr, in der Mülheim einen wichtigen Standort für das deutschlandweite Geschäft von Thyssenkrupp Schulte darstellt. Es ist deshalb selbstverständlich für uns, dass wir gemeinsam mit der Stadt Mülheim dieses Gebiet für die Zukunft nachhaltig weiterentwickeln wollen. Gemeinsam möchten wir einen entscheidenden Beitrag für die Attraktivität des Standortes und seiner Umgebung leisten.“
Franz-Josef Schulte, RWW-Geschäftsführer: „Wir freuen uns, das städtische Vorhaben mit einer kleinen Fläche außerhalb des Wasserschutzgebiets zu unterstützen, an der das Gewerbegebiet an unser Grundstück in Styrum grenzte. Diese Fläche ist auch räumlich klar von unseren Betriebsanlagen getrennt, so dass sich keinerlei Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung ergeben.“
Dirk Feldhaus, Vertreter der Firma Aldi Süd: „Die Stadt Mülheim hat Aldi Süd über viele Jahre bei der Standortentwicklung und den damit verbundenen Baumaßnahmen unterstützt. Für Aldi Süd ist Mülheim sowohl aus Sicht der internationalen Unternehmensbereiche als auch aus Sicht des nationalen Verwaltungsstandortes von bedeutender Relevanz, nicht zuletzt auch aufgrund der historischen Verwurzelung.“
Angesiedelt werden sollen entlang der Ruhr Gewerbe in Form von Forschung und Entwicklung, Dienstleistungen, Verwaltung, Produktion, Kultur, Event, Gastronomie, Freizeit und Sport. Soweit es nicht der gewerblich-industriellen Nutzung vor Ort zuwiderläuft, soll punktuell auch Wohnen an der Ruhr möglich werden – das wohl eher fernab der Friedrich-Wilhelms-Hütte, im Norden. Wünschenswert natürlich auch: die Fortführung des Ruhrtalradweges auf der rechten Ruhrseite (samt Fußgängerweg). „Das Flussufer soll – soweit möglich – für die Öffentlichkeit zugänglich werden“, heißt es.