Mülheim. Die traditionsreiche Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim zieht die Notbremse: Ein Betriebsbereich soll schließen. 235 Mitarbeiter müssen gehen.

Die in wirtschaftliche Turbulenzen geratene, traditionsreiche Friedrich-Wilhelm-Hütte zieht die Notbremse. Nach Informationen dieser Zeitung schließt absehbar einer von zwei Produktionsbereichen.

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Schon Ende der Vorwoche sind Mitarbeiter im Werk darüber informiert worden, dass die Hütte ihre Eisengießerei noch in diesem Jahr schließen wird. Schon zum Wochenende und am Montag sollen rund 235 Mitarbeitern (auch aus der Verwaltung und dem Stahlguss) Kündigungsschreiben zugegangen sein – mit einer Einladung zu einer Informationsveranstaltung am Montagmittag zur Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

Ende Juni hatte sich Mülheimer Unternehmen unter Rettungsschirm begeben

Ende Juni hatte sich die Hütte wegen fortwährender Auslastungsprobleme und der Verschärfung wegen der Corona-Krise in ein Schutzschirmverfahren begeben. Das Amtsgericht hatte den Hersteller von Eisen- und Stahlgussprodukten zur vorläufigen Eigenverwaltung ermächtigt. So blieb die Geschäftsführung in der Eisenguss-Gesellschaft. Hinzugezogen wurde aber Rechtsanwalt Jan Roth von der Kanzlei Wellensiek als vorläufig bestellter Sachwalter, um die Interessen von Gläubigern zu vertreten. Die mit ihr verbundene Friedrich Wilhelms-Hütte GmbH, die ausschließlich für Verwaltungsaufgaben inklusive Einkauf und Vertrieb zuständig ist, war ebenfalls den Weg unter den Schutzschirm gegangen.

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Bis zuletzt hatten Betriebsrat und IG Metall die Hoffnung, den Eisenguss zumindest „im Grundrauschen“ erhalten zu können, wie es IG-Metall-Sekretär Dirk Horstkamp am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion ausdrückte. Es habe bis vergangene Woche die Option gegeben, dass ein Investor die Mülheimer Produktionsstätte vom Konzern der Georgsmarienhütte loseist. Der Deal, bei dem circa 70 Mitarbeiter und die Eisenguss-Sparte hätten gerettet werden sollen, sei aber am vergangenen Donnerstag geplatzt. Das Unternehmen bestätigte dies am Abend: „Trotz aller Bemühungen unter Einbeziehung namhafter Unternehmensberater konnte für den Bereich Eisenguss aus eigener Kraft kein wirtschaftlich tragfähiges Konzept entwickelt werden.“

Angebot an Mitarbeiter: Bis zu zehn Monate in Transfergesellschaft wechseln

Friedrich-Wilhelms-Hütte wird künftig nur noch 225 Mitarbeiter beschäftigen. Das Unternehmen äußerte sich am Montag noch nicht dazu, ob Teile des Firmengeländes zum Verkauf stehen werden.
Friedrich-Wilhelms-Hütte wird künftig nur noch 225 Mitarbeiter beschäftigen. Das Unternehmen äußerte sich am Montag noch nicht dazu, ob Teile des Firmengeländes zum Verkauf stehen werden. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Bei der Informationsveranstaltung am Montag erfuhren die 235 Mitarbeiter nun, was ihnen als Alternative zur fristlosen, betriebsbedingten Kündigung zu den Zeitpunkten 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember bleibt: Je nach Betriebszugehörigkeit könnten sie bis zu zehn Monate lang in eine Transfergesellschaft wechseln, so Horstkamp, um sich dort weiterzuqualifizieren, Bewerbungstrainings zu absolvieren oder beruflich umzuorientieren. Kurzfristig wird nun damit gestartet, die restlichen Aufträge abzuarbeiten.“

In der Transfergesellschaft sollen die Mitarbeiter 80 Prozent ihres aktuellen Nettogehalts kassieren. Die IG Metall empfiehlt Mitarbeitern dringend, das Angebot anzunehmen. Abfindungen stehen unter den Bedingungen des Insolvenzrechtes nicht in Aussicht. Schon für die Transfergesellschaft habe es bei der Eisenguss GmbH „keine Bordmittel mehr gegeben“, so Horstkamp. Das Angebot gebe es nur, weil die Georgsmarienhütte dafür einen Kredit bewilligt habe.

Mehr als die Hälfte der Belegschaft muss gehen

Die betroffenen Mitarbeiter seien „tief betroffen und enttäuscht, wie mit ihnen umgegangen wird“, so Horstkamp. Einige hätten erst am Montag selbst Post von ihrem Arbeitgeber bekommen – mit der Einladung zur Informationsveranstaltung am gleichen Mittag. Nun sei ihnen „die Pistole auf die Brust gesetzt“, innerhalb einer Woche entscheiden zu müssen, ob sie in die Transfergesellschaft wechseln.

Rund 460 Mitarbeiter arbeiteten zuletzt nach Unternehmensangaben in der traditionsreichen Hütte, die seit dem Jahr 1811 in Mülheim produziert. Die Eisengießerei deckt schwerpunktmäßig die Produktbereiche Platten für Kunststoffspritzgießmaschinen, Zylinderblöcke für Großmotoren, Kokillen für die Stahl- und Schmiedeindustrie, Gehäuse für Gas- und Dampfturbinen und Mahlschüsseln für die Zement- und Mineralienindustrie ab. Das Kundenportfolio besteht aus deutschen und internationalen Unternehmen, die ihre Endprodukte in unterschiedlichen Endmärkten vertreiben.

Von einst stolzem Werk an der Ruhr bliebe nur noch der Stahlguss

Schließt die Eisengießerei, bliebe von dem einst stolzen Unternehmen nur noch der Stahlguss mit dann 225 Mitarbeiters. Dort erstreckt sich der Produktbereich insbesondere auf Fahrwerksteile und Bauteile für den ballistischen Schutz, Gussteile für Schienenfahrzeugkupplungen, den allgemeinen Maschinenbau, Bremsscheiben und Verschleißguss wie Hämmer für Schredder-Anlagen. Die Kunden sind in den Branchen Wehrtechnik, Schienenfahrzeugtechnik, Bergbautechnik sowie im Maschinen- und Anlagenbau tätig.

Das Zukunftskonzept für die Friedrich-Wilhelms-Hütte ist noch in der Abstimmung mit der Arbeitnehmerseite.