CDU und Grüne aus Essen und Mülheim wollen auf dem Flughafenareal keinen neuen Stadtteil für 6000 Menschen. Sie sehen zwei Entwicklungs-Optionen.
Die Ratsbündnisse aus CDU und Grünen in Essen und Mülheim haben sich verständigt: Einen städtebaulichen Wettbewerb zur Entwicklung eines neuen Stadtteils für 6000 Menschen und 2000 Arbeitsplätze auf dem Flughafen-Areal wird es nicht geben. Stattdessen stellen die Koalitionäre stadtübergreifend gar den Ausstiegsbeschluss zum Flughafen infrage.
Gemeinsam erklärten Essens und Mülheims Fraktionsführer von CDU und Grünen am Samstagnachmittag, dass sie den städtebaulichen Wettbewerb, wie ihn die Stadtverwaltungen ausgearbeitet haben, nicht auf den Weg bringen werden. Man sehe „städteübergreifend keine Akzeptanz“ für die Vorlage. Insbesondere ablehnend steht Schwarz-Grün in beiden Städten der Idee gegenüber, auf den Raadter Höhen Wohnraum für 6000 Menschen zu schaffen.
Die schwarz-grünen Ratsbündnisse verständigten sich derweil auf ein gemeinsames Vorgehen. Sie gehen mit inhaltsgleichen Anträgen in die kommenden Sitzungen der Stadträte. Darin werden zwei alternative Planungsvarianten ins Spiel gebracht. Entgegen der geltenden Beschlüsse, 2034 den Flugbetrieb zu beenden, soll nun als eine der Varianten geprüft werden, einen klimagerechten, lärmarmen „innovativen Flugbetrieb“ nach 2034 möglich zu machen.
Als zweite Variante sollen die Stadtverwaltungen von Essen und Mülheim das Szenario für eine ausschließlich gewerbliche Entwicklung für ein Drittel der 140 Hektar großen Flughafenfläche entwickeln – „überwiegend im nördlichen und nordöstlichen Teil“ und nach Einstellung des Flugbetriebs mit Ausnahme für das Luftschiff „Theo“. Vorgaben sollen sein, ökologisch nachhaltig zu bauen und auf die Kaltluftschneisen Rücksicht zu nehmen (ein Gutachten hatte explizit vor einer Bebauung im Norden gewarnt). Gewünscht wird eine gewerbliche Entwicklung für kleine und mittlere, wissensbasierte und technologieorientierte Unternehmen.
Das Ende für den Masterplan-Prozess?
Eigentlich was das Ziel ausgerufen, bis Ende dieses Jahres auf Basis eines städtebaulichen Wettbewerbs einen Masterplan zur Entwicklung des Flughafen-Areals vorzulegen. Das Land hatte Fördermittel für den Wettbewerb zur Verfügung gestellt, dessen Ergebnisse bis zum 30. November vorliegen sollten. Das dürfte nicht mehr klappen.
Unklar ist nun, auf welche Weise die Stadtverwaltungen die Vorgaben der jeweiligen schwarz-grünen Ratsmehrheit umsetzen werden. „Ob diese Ziele nun in einem Masterplanprozess oder in einem anderen, auch deutlich günstigeren Verfahren realisierbar sind, ist für uns eine nachrangige Frage, die die Verwaltung klären muss“, sagte dazu Mülheims Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert.
CDU sieht Potenzialefür modernen Flugbetrieb
„Auch lang zurückliegende Beschlüsse sollten grundsätzlich verbindlich sein. Verantwortliches politisches Handeln erfordert aber auch, die Entwicklungen der Zeit im Auge zu behalten“, sagte zur Frage des möglichen Fortbestand des Flughafens Essens CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf. Sicherlich habe 1994 noch niemand an lärmarme Flugzeuge mit elektrischem Antrieb oder an Taxi- oder Transportdrohnen gedacht. Essens CDU hatte diesbezüglich schon vor eineinhalb Jahren einen Grundsatzbeschluss gefasst. In Rede steht etwa, ob der Flughafen nicht Drehkreuz für Flugtaxis und Drohnen im westlichen Ruhrgebiet werden könnte.
Mülheims CDU hatte sich in der Frage schwergetan. Nun aber doch die Positionierung, um die sie sich auch im zurückliegenden Kommunalwahlkampf gewunden hatte. Fraktionschefin Christina Küsters äußerte sich aber zurückhaltend, wohl auch mit Blick auf den grünen Koalitionspartner: „Die Entwicklungen in allen Bereichen der Mobilität, auch dem Fliegen, sollten zukunftsgerichtet mitbetrachtet werden. Der Standort kann hierdurch besondere Voraussetzungen und Potenziale bieten.“ Sie betonte die „ergebnisoffene Prüfung“ beider Varianten.
Den Grundsatz der ergebnisoffenen Prüfung eines „neuen Flugbetriebs“ haben nun laut Mitteilung vom Samstag CDU und Grüne sowohl in Essen und als auch in Mülheim in ihren Kooperationsvereinbarungen verankert. Dennoch betont etwa Essens Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger, am Ziel festhalten zu wollen, den Flughafen „in der bisherigen Form“ 2034 schließen zu wollen.
„Das Flughafengelände und dessen Nutzungsmöglichkeiten sind in einem Ballungsraum ein wertvolles und seltenes Gut“, sagte sie. „Dagegen schafft unser interkommunaler Antrag nun die Basis für eine vernünftige und ergebnisoffene Entscheidungsfindung.“ Der Betrieb eines defizitären Flugbetriebes gehöre nicht zur Daseinsvorsorge, ihn könne sich die hoch verschuldete Stadt Essen nicht dauerhaft leisten.
Koalitionspartner lehnenTrabantenstadt kategorisch ab
„Wir zeigen uns offen gegenüber einer Lösung mit einem reduzierten, aber innovativen Flugbetrieb, soweit drei Kriterien erfüllt sind: weniger Lärm, weniger CO2-Emissionen und Sicherstellung der Kaltluftentstehung“, erklärte derweil Mülheims Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert. Er betonte, dass der Status quo aber inakzeptabel sei. Ein „reduzierter Flugbetrieb“ könne hingegen „eine Möglichkeit sein, den Druck auf die Fläche zu begrenzen und seine Qualität für Natur und Umwelt zu sichern“, fiel wie bei den anderen Kommunalpolitikern von Schwarz-Grün auch seine Erklärung nuanciert aus.
Voll und ganz einig ist sich Schwarz-Grün in beiden Städten in der Ablehnung einer Wohnbebauung für 6000 Menschen. Eine solche „Trabantenstadt“ sei kategorisch abzulehnen, so CDU-Frau Küsters. Diese brächte erhebliche Emissionen mit sich und „ungewünschte Folgen für Natur und Landschaft“. Für so etwas fehle die gesellschaftliche Akzeptanz, so Essens Grüne Schmutzler-Jäger.