Mülheim. Bei der Kita-Betreuungsquote hechelt Mülheim eigenen Zielen hinterher. Für zwei neue Kindergärten, unter anderem im Forum, fehlen noch Betreiber.
Bei der Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze ist die Stadt Mülheim noch lange nicht am Ziel. Die Versorgungsquote bei den Drei- bis Sechsjährigen sollte laut eigener Vorgabe schon bei 97 oder 98 Prozent liegen. Doch im kommenden Kindergartenjahr 2021/22 wird man sich mit 93,8 Prozent begnügen müssen.
Dies geht aus einer Vorlage des Amtes für Kinder, Jugend und Schule hervor, über die kürzlich im Jugendhilfeausschuss entschieden wurde. Der Beschluss fiel einstimmig mit einer Enthaltung. Politik und freie Träger stehen also hinter der Planung für das nächste Kindergartenjahr.
Weiterhin Überbelegungen in Mülheimer Kitas
Für insgesamt 5112 Kinder in der Altersgruppe Ü3 stehen dann 4794 Plätze zur Verfügung. Und selbst dafür muss schon gequetscht, gestreckt und improvisiert werden, man hält Überbelegungen aufrecht und Interimseinrichtungen in Betrieb. Auch bei den unter Dreijährigen klafft eine Lücke: Dort gibt es für insgesamt 4812 Kleinkinder im nächsten Kindergartenjahr nur 1186 Kita-Plätze, was einer Betreuungsquote von 24,6 Prozent gleichkommt. Allerdings nimmt hier die Kindertagespflege breiten Raum ein und ist auch für viele Familien erste Wahl, wodurch die Quote auf 47,5 Prozent steigt.
Das U3-Angebot wurde vor allem in städtischen Einrichtungen nochmals verringert, um mehr Ü3-Plätze zu schaffen. Diese Reduzierung soll vorübergehend sein, heißt es im Bericht der Verwaltung. Momentan ist sie wohl alternativlos. Dennoch sei eine „ausreichende Versorgung“ auch der Kleinkinder sichergestellt, da es genügend Angebote in der Kindertagespflege gebe.
Geburtenstarke Jahrgänge: 300 Kinder mehr brauchen Plätze
Tatsächlich wollte Mülheim schon weiter sein. Eine Versorgungsquote von 93,8 Prozent wirkt ernüchternd. Aber es stehen auch deutlich mehr Kinder auf der Liste als in früheren Jahren. „Die geburtenstarken Jahrgänge kommen jetzt ins Kita-Alter“, erläutert Minka Gerent, Jugendhilfeplanerin im Amt für Kinder, Jugend und Schule. Verglichen mit dem Vorjahr seien es 300 Kinder mehr in der Altersgruppe drei bis sechs. Ziel bleibe aber, bis 2025 nahezu jedes Ü3-Kind in Mülheim mit einem Kita-Platz zu versorgen: Angestrebt wird eine Quote von 99 Prozent.
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Es ist auch Land in Sicht. Denn mehrere neue Kitas entstehen gerade in Mülheim, etwa am Wenderfeld, wo das DRK einen Neubau plant, an der Raadter Straße auf der Heimaterde sowie am Klöttschen. Ein Waldkindergarten soll im Fliedner-Dorf eröffnet werden, und auch die Umbaupläne für das Forum umfassen einen größeren, viergruppigen Kindergarten. Allerdings hakt es bei einigen Projekten, daher verschieben sich Eröffnungstermine, falls überhaupt absehbar, teilweise in das nächste Jahr.
Forum-Eigentümer verhandeln immer noch mit möglichem Betreiber
So steht der endgültige Träger der geplanten Kita an der Raadter Straße nach Auskunft des Jugendamtes noch gar nicht fest. Das Gleiche gilt für die „Forum Kids“, die sich unter dem Dach des runderneuerten Einkaufszentrums tummeln sollen. Insgesamt etwa 70 Betreuungsplätze sind hier geplant, davon 20 für U3-Kinder. Doch die Suche nach einem Träger gestaltet sich offenbar zäh. „Aus den Gesprächen mit diversen Betreibern hat sich einer herauskristallisiert“, teilten die Eigentümer des Forums jetzt auf Anfrage mit. Die Verhandlungen liefen noch.
Im Forum wie auch an der Raadter Straße dürfte es also noch dauern. Das Amt für Kinder, Jugend und Schule rechnet damit, dass frühestens im zweiten Quartal 2022 der Betrieb losgehen kann, die Plätze auch wirklich zur Verfügung stehen.
Erst Erdmännchen, dann I-Männchen
Ein besonderes Angebot gibt es für Vorschulkinder in Mülheim, deren Familien erst kürzlich zugewandert sind. Falls sie kurzfristig keinen Kita-Platz finden, können sie in sogenannten „Erdmännchen-Gruppen“ unterkommen.
Diese Spiel- und Lerngruppen sollen die Kinder auf den Schulalltag vorbereiten.
Die Erdmännchen-Gruppen werden unterstützt von der städteübergreifenden Bildungsinitiative Ruhr-Futur, der auch Mülheim angehört.
Auf dem Tengelmann-Areal wird neu gebaut – das dauert
Weiterer Spezialfall: die geplante Kita auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal. Hier gibt es zwar schon einen Betreiber, die KinderHut GmbH mit Sitz in Essen. Aber es stockt aus anderen Gründen. Der neue Eigentümer des Geländes, der österreichische Investor Soravia, will die Kita nun doch nicht im Bestandsgebäude unterbringen, sondern hat sich für einen Neubau entschieden, verbunden mit einem städtebaulichen Wettbewerb. „Daher ist die Realisierung dieser Kita voraussichtlich erst im Kindergartenjahr 2023/2024 realistisch“, so Jugendhilfeplanerin Minka Gerent.
Evangelische Kita „Arche“ soll von der Graf-Recke-Stiftung übernommen werden
Eine Veränderung steht im Übrigen auch der evangelischen Kita „Arche“ an der Kluse bevor: Die Vereinte Evangelische Kirchengemeinde (VEK) möchte sie an die Graf-Recke-Stiftung übertragen. Der erforderliche Antrag an das Landesministerium ist gestellt, aber noch nicht genehmigt. Die Stadt befürwortet den Trägerwechsel, auch weil sie auf die gut 40 Plätze dringend angewiesen ist.
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Die „Arche“ wäre der dritte Kindergarten, den die Graf-Recke-Stiftung von der VEK übernimmt – nach der Kita „Sonnenblume“ in Heißen und dem Familienzentrum am Muhrenkamp. Drei weitere ehemals evangelische Kitas in Mülheim führt bereits die Bethanien Diakonissen-Stiftung. Dies sei tatsächlich ein Trend, bestätigt Minka Gerent: „Viele Gemeinden können die Finanzierung nicht mehr stemmen und geben ihre Einrichtungen ab.“
Der Betrieb einer Kita ist wirtschaftlich gesehen kein besonders attraktives Unternehmen. Zumal im Rahmen der Haushaltsdebatte in Mülheim zuletzt massive Kürzungen der Trägerzuschüsse im Gespräch waren.