Mülheim. Es waren harte Lockdown-Monate – auch für die Händler und Gastronomen in Mülheim-Speldorf. Welche Pläne sie für die kommenden Monate haben.

Ein bisschen fühlt es sich immer noch so an, als ob Speldorf im Winterschlaf liegt, obwohl längst die Sonne scheint und die Temperaturen kräftig steigen. Der Stadtteil scheint den Druck der langen Lockdown-Monate noch nicht ganz abgeschüttelt zu haben, die Tendenz bei unserer Umfrage lautet ganz klar: verhalten optimistisch.

Noch müssen sie den Gürtel eng geschnallt lassen, sagt Kerstin Möllecken von Mölleckens Altem Zollhaus an der Duisburger Straße. „Wir sind noch nicht wieder ganz da, wo wir gerne wären“, sagt die Gastronomin mit Blick auf ihr Restaurant. Der Ansturm nach dem Ende des Lockdowns sei bislang ausgeblieben. Für das Hotel gelte gar: „Die Nachfrage ist gleich Null.“

Viele Stammgäste des Mülheimer Restaurants Mölleckens Altes Zollhaus sind nicht da

Das Gros der Restaurant-Besucher sei noch vorsichtig, viele ihrer Stammkunden verbrächten nun, im Juni, ihren Urlaub andernorts, fehlten daher auf der Mülheimer Gästeliste. Um die Unsicherheit zu überbrücken, will Mölleckens Altes Zollhaus den Liefer- und Abholservice zunächst aufrecht erhalten und ihn parallel zum normalen Restaurantgeschäft laufen lassen. „Wir überlegen uns etwas, um trotz alledem wieder etwas präsenter zu sein“, sagt die 53-Jährige auch mit Hinblick auf die Mitglieder der Interessengemeinschaft Speldorf, deren zweite stellvertretende Vorsitzende sie ist. „Was uns in Speldorf fehlt, ist die Laufkundschaft“, sagt Kerstin Möllecken.

Die vermisst auch Ludger Schweinsberg, Inhaber von Mode Klucken, wenngleich das Modegeschäft, das mittlerweile seit 109 Jahren besteht, auf viele Stammkundinnen zählen kann. Schon Oma Klucken, wie Schweinsberg die mutige Gründerin Katharina Klucken nennt, die 1912 ihren Manufakturwaren-Laden am Blötter Weg eröffnete, habe nach dem Krieg bereits beklagt, dass sich die Stadtoberen nur um die Innenstadt kümmerten. In einem kürzlich wiederentdeckten Ringbuch habe die Ideengeberin notiert: „Es gibt in den Vororten viel Schönes anzuschauen und zu kaufen.“ Dieser Leitsatz habe nach wie vor Bestand, auch wenn es Speldorf mit seinem durchweg fließenden Verkehr und der Straßenbahn auf der Duisburger Straße nicht leicht habe.

Bei Mode Klucken entstand während Click & Collect ein Minus von 80 Prozent

Die pandemiebedingten Einschränkungen taten ihr Übriges, berichtet Schweinsberg: „Am Anfang war das, als wäre der Laden geschlossen. Während der Phase mit Click & Collect hatten wir ein Minus von 80 Prozent, im Mai war es „nur noch“ ein Minus von 40 Prozent.“ Der Juni immerhin sei gut gestartet, sagt Modefachmann Schweinsberg.

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Ludger Schweinsberg, Inhaber des traditionsreichen Geschäftes Mode Klucken an der Duisburger Straße in Mülheim-Speldorf, will trotz der Ungewissheit der kommenden Monate „Lebensfreude verkaufen.“
Ludger Schweinsberg, Inhaber des traditionsreichen Geschäftes Mode Klucken an der Duisburger Straße in Mülheim-Speldorf, will trotz der Ungewissheit der kommenden Monate „Lebensfreude verkaufen.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Den Saison-Rhythmus, dem die Mode-Industrie unterliegt, steuere er längst selbst, sagt der Inhaber von Mode Klucken. „Wir bekommen jetzt immer noch neue Sommermode, sonst wäre bald schon wieder die Herbstmode dran.“ Die althergebrachte jahreszeitliche Bindung der Mode habe – spätestens seit Corona – keinen Bestand mehr. Was allerdings nahezu unverändert geblieben sei, seit die mutige Katharina Klucken vor über 100 Jahren ihre Vision umgesetzt hat und das Geschäft eröffnete, das die Familie durch zwei Weltkriege und nun auch durch die Pandemie gesteuert hat, sei das Miteinander, das Zwischenmenschliche, sagt Schweinsberg.

Kundinnen wie Mitarbeiterinnen wüssten dies zu schätzen. „Das trägt durch die pandemische Zeit“, sagt der Mode-Fachmann. Das offene Ohr, das Tante-Emma-Gespräch, wie Ludger Schweinsberg es nennt, empfinde er als umso wichtiger. Trotz Ungewissheit und Unberechenbarkeit, was die kommenden Monate bringen werden, sagt Schweinsberg: „Wir verkaufen Lebensfreude.“

Schokoloden-Träume an der Duisburger Straße in Mülheim-Speldorf

Um Genuss und die süßen Seiten des Lebens geht es auch bei Tobias Schulte in seinem Geschäft „Chocolate Dreams“. Er sei, sagt der 29-Jährige rückblickend, „ganz gut durch die Pandemie gekommen.“ Obwohl ihm der letzte Lockdown das für seine Branche so wichtige Weihnachtsgeschäft verhagelt habe. „Es war ja alles abgesagt: Weihnachtsfeiern von Betrieben, die ich sonst beliefert hätte und auch die Weihnachtsmärkte.“

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Konditor Tobias Schulte hofft für seinen Laden „Chocolate Dreams“ in Mülheim-Speldorf darauf, dass sich das Geschäft nach den langen Lockdown-Monaten in der zweiten Jahreshälfte wieder normalisiert.
Konditor Tobias Schulte hofft für seinen Laden „Chocolate Dreams“ in Mülheim-Speldorf darauf, dass sich das Geschäft nach den langen Lockdown-Monaten in der zweiten Jahreshälfte wieder normalisiert. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Normalerweise bietet der Konditor sein Naschwerk ansonsten auf dem Adventsmarkt in der Altstadt an, beliefert Unternehmen mit Pralinen, die dann als Firmenpräsente verschenkt werden und stattet die Gastronomie, etwa das Schlosshotel Hugenpoet, mit süßen Kunststücken aus. Alles wegen Corona weggefallen in der zurückliegenden Saison. „Man darf da nicht drüber nachdenken“, sagt der 29-Jährige, der lieber in die Zukunft blicken will: „Ich bin zuversichtlich, dass sich das Geschäft in der zweiten Jahreshälfte wieder normalisiert.“

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Interessengemeinschaft Speldorf schaut vorsichtig in die Zukunft

Noch Vorsicht walten lassen will auch Thomas Kroll, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Speldorf. „Wir warten erstmal die Lage ab und sehen, wie sich alles entwickelt, bevor wir wieder in die Planungen für Veranstaltungen gehen“, sagt Kroll. Was er trotz der Lockerungen vermisse, sagt der Geschäftsführer der Interessengemeinschft Speldorf, sei Planungssicherheit.

Bald aber wollten sich die Mitglieder der Interessengemeinschaft wieder zusammensetzen – das erste Mal nach der langen coronabedingten Auszeit – und zusammen überlegen, wie sie das wieder auf die Beine stellen können, was ihre Stadtteilarbeit ausmache: „Die Bürger und die Unternehmer zusammenzubringen bei Veranstaltungen – das ist unser Aushängeschild.“