Mülheim-Speldorf. . Mülheim-Speldorf hat idyllische Wohnecken, ein Theater mit bundesweitem Ruf und eine Akademie. Es gibt aber auch die klassischen Alltagssorgen.

Speldorf, sagt die Vorsitzende des Bürger- und Kurvereins, Ute Möhlig, sei ein Kleinod, das gepflegt werden müsse. Es ist ein Kleinod, aber mit reichlich überregionaler Ausstrahlung – früher und heute. Das betrifft die Kultur, die Bildung, die Wirtschaft, ja auch den Fußball. Kaum zu glauben, aber Speldorf war am Ball mal Spitze.

Lang ist es her, 62 Jahre. Die Grün-Weißen wurden Vizemeister der deutschen Fußball-Amateure in Berlin. Es war das Speldorfer Sommermärchen. Der Triumphzug der Spieler durch die Stadt dauerte eineinhalb Stunden, erinnern sich ältere Sportfreunde. Tausende säumten die Straßen. Viele Anwohner hatten ihre Fenster in Grün-Weiß geflaggt. Der Verkehr soll zeitweise zum Erliegen gekommen sein. Die Fußballer des VfB sind inzwischen in der fünften Liga angekommen.

Stolz auf Theater, Wolfsburg und Rennbahn

Spitze sind die Speldorfer in anderen Bereichen geblieben. Etwa in der Kultur. Das kleine Theater am Raffelberg ist eine bundesweite Besonderheit und der Stolz vieler Mülheimer. Oder: Die katholische Akademie des Bistums „Die Wolfsburg“ ist seit Jahrzehnten so etwas wie eine geistige Herberge, in der die großen Themen der Zeit diskutiert werden. An die 30.000 Gäste suchen hier im Jahr Anregung, Bereicherung, vielleicht auch Widerspruch. Bundesweites Ansehen unter Freunden des Pferdesports genoss lange auch die Rennbahn am Raffelberg. Neue Anläufe gibt es, um an ruhmreiche Zeiten wieder anzuknüpfen.

Speldorf war immer ein starker Wirtschaftsstandort und mit der Firma Tengelmann hat man sogar ein Weltunternehmen in den Stadtteilgrenzen. Im Hafen befindet sich heute einer der großen Unternehmensstandorte in der Stadt.

Der Reiz: die gute Nachbarschaft

Was macht den Reiz von Speldorf aus? Horst Mölders ist so etwas wie ein Urgestein, er lebt seit Jahrzehnten dort und sagt: „Der Reiz ist die gute Nachbarschaft. Man hilft sich gegenseitig, hält zusammen, wird zusammen älter.“ So etwas sei heute immer wichtiger in einer Stadt. In manchen Ecken von Speldorf jenseits der Duisburger Straße fehlten leider Geschäfte zum Einkaufen, bedauert Mölders. Wer so lange in Speldorf wohnt, spürt sogar Luftveränderungen. In höher gelegenen Quartieren jenseits der Duisburger Straße sei diese deutlich besser.

Die Duisburger Straße ist die zentrale Ader des Stadtteils. Doch gerade diese Straße ist nicht ohne Sorgen. Viele Traditionsgeschäfte und Cafés, erinnert Ute Möhlig, sind längst weg. Ein Schicksal, das viele Stadtteile im Ruhrgebiet teilen. Schöne alte Häuser gibt es dort noch, aber die haben deutlich bessere Zeiten erlebt. Manches Haus verfällt. So wünscht sich denn auch Andrea Fleck vom Vorstand der Speldorfer Interessengemeinschaft, dass gerade die Hausbesitzer auf dieser Meile sich mehr um ihre Immobilien kümmern und „Verantwortung übernehmen“. Auch Andrea Fleck sieht ansonsten im Zusammenhalt eine der Stärken des Stadtteils. Wie charakterisiert sie den Speldorfer? „Sehr offen, sehr treu als Kunde, immer für andere da.“

Speldorf kämpft mit seiner Beliebtheit

Für Ute Möhlig liegen Stärke und Schwäche des Stadtteils dicht beieinander: Die gute Wohnqualität locke viele in den Nordwesten der Stadt, doch gerade diese Qualität drohe verloren zu gehen. Alte Häuser würden abgerissen, nicht selten dazu auch der Baumbestand und ein deutlich größeres Gebäude entstehe. „Wir stellen eine starke Verdichtung fest.“ Statt zwei- wird es viergeschossig.

Doch nicht nur das ärgert so manchen Speldorfer, auch der stark zunehmende Verkehr, insbesondere Lkw-Verkehr, wird als störend empfunden. Etwa am Blötterweg und Richtung Hafen. Und besorgt blickt man in Speldorf auch auf die Entwicklungen beim ÖPNV, wo Millionen-Einsparungen in den nächsten Jahren anstehen. Weniger ÖPNV könnte den Pkw-Verkehr noch weiter steigern.

Die Speldorfer würden es nicht klaglos hinnehmen, sie wissen sich zu wehren. An der Weseler Straße, wo sich noch bis vor kurzem eine der größten Schrottverwertungen im Land befand, gab es auch die vielleicht älteste Bürgerinitiative, die dagegen hielt. Und Widerstand gab es auch im Ruhrbogen, wo sich das bisher einzige Windrad von Mülheim dreht – nicht im Sinne jedes Nachbarn.

>>>Der Stadtteil in Zahlen

- Eine kleine Abteilung für Statistik und Stadtforschung im Technischen Rathaus sammelt, sortiert und errechnet Mülheimer Daten. Davon profitieren Verwaltung wie Politik. Etwa, wenn es darum geht, wie viele Baulücken gibt es noch in Mülheim? 364 sind es, in Speldorf 76. Nur ein Beispiel.

- In loser Folge stellen wir die Stadtteile und ihre Daten vor. Nach Broich und Styrum ist es heute Speldorf.