Mülheim. Ein Prosit auf die neue Inzidenzstufe: Durch die Lockerungen dürfen Gastwirte auch wieder ihre Innenräume öffnen. So war der erste Frühschoppen.
Früher gehörte der Frühschoppen zum Sonntag wie das Amen in der Kirche. Doch das Corona-Virus hat den Gastwirten einen Strich durch ihre Sonntagvormittagsrechnung gemacht. Aber seit dem ersten Sonntag im Juni dürfen Gaststätten wieder ihre Türen öffnen, um Gäste nicht nur zum Frühschoppen willkommen zu heißen. Allerdings kommt vorerst vor dem Bierchen an der Theke ein Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Befreit davon sind nur Gäste, die einen vollständigen Impfschutz nachweisen können.
Auf unserer dienstlichen Kneipentour wurden wir am Sonntagvormittag zum Beispiel im Schlosstreff an der Schloßstraße fündig. Dort hatte Gastwirt Heinrich van Kempen seine kleine Gaststätte geöffnet und zur Feier des Tages nicht nur belegte Gratis-Brötchen spendiert, sondern auch einen Akkordeonspieler engagiert, der alte Gassenhauer wie „Junge, komm bald wieder“ oder „Wo die Nordseewellen schlagen an Land“ zum Besten gab.
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Gast im Schlosstreff: Gemeinsamer Frühschoppen ist ein Stück Normalität
„Der gemeinsame Frühschoppen im Schlosstreff ist für uns ein Stück wiedergewonnener Normalität. Es ist einfach schön, in netter Runde gemeinsam ein Bier oder zwei zu genießen, statt am Sonntagvormittag allein zu Hause herumzusitzen“, sind sich die Stammgäste Aldo Falcone und Erich Steffen einig.
„Früher gehörte der Frühschoppen am Sonntagvormittag zum guten Ton. Aber das hat sich nicht erst seit der Corona-Pandemie geändert. Vor allem junge Menschen pflegen den geselligen Frühschoppen am Sonntag nicht mehr. Das ist etwas, was wir erst wieder aufbauen müssen. Aber es ist ein großer Vorteil und war auch dringend nötig, dass wir jetzt wieder öffnen können“, sagt der Schlosstreff-Pächter Heinrich van Kempen, der seine Wirtschaft an der Schloßstraße im neunten Jahr betreibt..
Die einst von Peter Alexander besungene „kleine Kneipe in unserer Straße“ tut sich heute offensichtlich schwer. Traditionelle Eckkneipen wie der Rauchfang an der Wallstraße, die Walliser Stuben am Löhberg, das Schräge Eck an der Bruchstraße, das Haus Wehner an der Eppinghofer Straße oder der Landsknecht am Kohlenkamp haben an diesem ersten Sonntagvormittag im Juni noch nicht wieder geöffnet.
Wirte in Mülheim sind auf der Suche nach Personal
Ein Aushang am Landsknecht: „Personal gesucht!“ zeigt ein zentrales Problem, das sich für viele Gastwirte nach der langen Corona-Zwangspause ergibt. Viele Servicemitarbeitende mussten in Kurzarbeit geschickt oder gekündigt werden und haben sich in der Zwischenzeit einen anderen Job gesucht. Jetzt müssen erst wieder neue Servicekräfte für den Schankbetrieb gewonnen werden.
Geöffnet hat allerdings der Saarner Hof an der Düsseldorfer Straße in Saarn, wo sich Brigitte und Ernst Haupt an ihrem 54. Hochzeitstag zur besten Frühschoppenzeit ein Glas Wein und ein Glas Bier gönnen. „Das ist nicht nur eine gute Gaststätte mit einer guten Küche, sondern auch einen Treffpunkt, an dem gesellig miteinander ins Gespräch kommt“, sagt Brigitte Haupt. „Wir schätzen die Geselligkeit, die den Sonntagvormittag auf angenehme Weise füllt, besonders, weil wir hier eine sehr familiäre Atmosphäre wie in einem zweiten Zuhause erleben können“, pflichtet Ernst Haupt seiner Frau bei.
Im Lindenhof in Speldorf prosten sich die Gäste mit einem frisch gezapftes Bierchen zu
Auch im über 100 Jahre alten Lindenhof an der Lindenstraße in Speldorf können sich an diesem Vormittag die Freunde Frank Köbernick und Manfred Schrey ein vom Wirt Daniel Stöber frisch gezapftes Bierchen munden lassen. „Nicht nur die Corona-Pandemie hat dem sonntäglichen Frühschoppen zugesetzt. Schon vorher gab es viele Verbote wie das Rauchverbot oder die 22-Uhr-Grenze für die Außengastronomie, die den klassischen Kneipen und Gaststätten zugesetzt und das Geschäft schwer oder unmöglich gemacht hat.“
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Hinzu komme, dass vielen Menschen heute das Geld nicht mehr so locker sitze wie früher. „Wir schätzen die Gaststätte Lindenhof auch deshalb, weil hier noch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und wir uns das eine oder andere Glas Bier gönnen können, ohne gleich traurig auf unser Portemonnaie zu schauen“, sagt Köbernick. Er kenne „viele Leute in seinem Quartier, die ihren traditionellen Frühschoppen aus der Eckkneipe aufgegeben und ihn stattdessen in die eigenen vier Wänden oder in den Schrebergarten verlegt haben.“
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Der Junior-Chef des Lindenhofes, Daniel Stöber ist überzeugt: „Es ist für Gastwirte und Gäste gut, wenn wir jetzt alle mal wieder rauskommen und etwas zu tun haben. Wenn jetzt auch noch das Wetter stabil bleibt, kann das Geschäft auch wieder richtig anlaufen. Es tut allen gut, wenn nicht nur mit dem Sonntagsfrühschoppen wieder etwas Normalität und zwanglose Geselligkeit in unseren Alltag einzieht.“