Mülheim. Bundeskanzler Scholz war zu Gast in Mülheim bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte. Was der Kanzler bei seinem Rundgang durch den Betrieb erfuhr.
Als Unternehmen mit Alleinstellungsmerkmal bei der Stahlproduktion – gerade auch für die Rüstungsindustrie – wusste die FWH Stahlguss GmbH am Samstag beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu punkten. Auch das Thema klimaneutrale Produktion stand auf der Agenda. Denn sollte der Gashahn tatsächlich zugedreht werden, würde der Betrieb der Friedrich-Wilhelms-Hütte (FWH) komplett stillstehen.
„Es war beeindruckend zu sehen, welche schwere Arbeit hier geleistet wird, aber auch beeindruckend, wie sehr das eine Arbeit ist, die mitmacht bei der technologischen Entwicklung unserer Zeit“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Rundgang durch die Gießerei der FWH Stahlguss GmbH. Zuvor hatte Scholz einen Eindruck davon gewinnen können, wie der Arbeitsalltag der Mitarbeitenden in den riesigen, Jahrzehnte alten Hallen an der Friedrich-Ebert-Straße aussieht, in denen tonnenschwere Kranhaken gegossen werden, ebenso wie Drehgestelle für Bahnen, Komponenten für Bohrinseln und Elemente für Panzer.
1650 Grad heißer Stahl fließt glühend in eine Gussform
Werksleiter Arno de Buhr, beinahe 30 Jahre im Betrieb, erklärte dem Bundeskanzler, auf was es ankommt, wenn rund 1650 Grad heißer Stahl aus einem Zwölf-Tonnen-Fass, das per Kran durch die Halle manövriert wird, schließlich in nicht viel mehr als einer Minute glühend in die Gussform fließt. „Eine Abweichung von plus/minus 15 Grad kann da schon zu Einschränkungen in der Qualität führen“, schilderte de Buhr. „Außerdem muss es schnell gehen, damit der Stahl nicht viel Zeit hat, mit der Atmosphäre zu reagieren.“
Lars Steinheider, technischer Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH, hatte zuvor die über 200 Jahre lange Geschichte der traditionsreichen Mülheimer Hütte Revue passieren lassen, mit den Hochzeiten der Stahlindustrie in den 60er Jahren, als es auf dem damals 330.000 Quadratmeter großen Areal an der Friedrich-Ebert-Straße rund 6000 Beschäftigte gab. Aktuell sind es noch rund 240 Mitarbeitende, darunter 20 Auszubildende. Der eigentliche Produktionsbetrieb zählt laut Werksleiter de Buhr derzeit 161 Beschäftigte.
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Rüstungsindustrie ist Partner und Auftraggeber der Mülheimer FWH
Die Hütte hat entbehrungsreiche Zeiten hinter sich, 2020 wurde die Eisengießerei geschlossen – 235 Mitarbeiter mussten den Betrieb damals verlassen. Aktuell aber registriert die Hütte laut Nicolas Neumann, kaufmännischem Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH, deutlich mehr Auftragsanfragen, gerade auch aus der Rüstungsindustrie. Die Produktion für die Wehrtechnik mache einen Löwenanteil der FWH aus, so Neumann, der am Rande des Kanzler-Besuchs berichtete: „Wir konnten schon Anfang des Jahres einen Großauftrag mit Komponenten für die Wehrtechnik akquirieren.“ Auch das führt man bei der FWH auf die hohen Qualitäten der produzierten Stähle zurück, deren Entstehungs- und Verarbeitungsprozess Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch in Mülheim beeindruckte.
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„Stahl in höchster Qualität wird auch für die Zukunft gebraucht. Deshalb ist es notwendig, dass die Fähigkeiten in Deutschland weiter existieren, um Stahl herzustellen, zu produzieren und zu verarbeiten – so wie hier in Mülheim“, unterstrich Bundeskanzler Scholz die Kompetenz des Standortes.
Hohe Materialqualitäten und Güteklassen sind Alleinstellungsmerkmal der FWH
Und Kompetenz – gar ein Alleinstellungsmerkmal – habe die FWH, daran ließ Geschäftsführer Lars Steinheider keinen Zweifel: „Wir produzieren Materialqualitäten und Güteklassen mit Festigkeiten und Härten, die keine andere Gießerei in Deutschland oder Europa hinbekommt.“ Die FWH entwickele Werkstoffe selbst, habe dazu neben den technischen Möglichkeiten vor allem auch das Know-how ihrer hochspezialisierten Mitarbeiter, betonte Werksleiter Arno de Buhr. Nicolas Neumann fügte hinzu: „Mancher Kunde ist zu uns zurückgekommen, weil ihm die Qualitäten des Stahls, den er im Ausland bekommen hat, nicht ausgereicht haben.“
Nicht zuletzt deshalb ist die Mülheimer Hütte laut Steinheider Partner von Firmen wie dem Panzerproduzenten Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, wo Waffen- und Munitionssysteme hergestellt werden – auch für die Bundeswehr. Beiden Partnern liefert die FWH gegossene Komponenten, die, so betonte Steinheider bei dem Rundgang mit dem Bundeskanzler, „Menschenleben schützen und für die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sorgen“.
Stahlproduktion ist besonders energieintensiv – Firma leidet unter hohen Energiepreisen
Stahlproduktion, bei der 1600 Grad heißer Stahl verarbeitet wird und schließlich heruntergekühlt werden muss, ist immens energieintensiv. Schon jetzt nutze der Betrieb keine fossilen Brennstoffe mehr zum Schmelzen. Gas sei aber noch zu zwei Dritteln der Energieträger im Betrieb. Würde das Erdgas wegfallen, skizziert Geschäftsführer Steinheider, „hätten wir sofort einen Betriebsstillstand“. Aktuell verzeichne die FWH eine Kostensteigerung durch die hohen Energiepreise von 400 Prozent, so Geschäftsführer Neumann.
„Die hohen Energiepreise sind für Unternehmen eine große Herausforderung“, sagte auch Bundeskanzler Scholz in Mülheim und fügte hinzu: „Deshalb muss es unser Bestreben sein, dass Deutschland nicht nur eine CO2-neutrale, klimafreundliche Strom- und Energieproduktion haben wird, sondern dass Energie auch bezahlbar ist.“
Im Herbst war bereits Bundespräsident Steinmeier zu Gast bei der FWH
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Mit dem Besuch des Bundeskanzlers am Wochenende rückte die FWH erneut in kurzer Zeit in den Fokus des politischen Interesses. Erst Ende September vergangenen Jahres waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte zu Gast gewesen.
Anlass war damals, den 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens zu würdigen. Bei der mehr als 200 Jahre alten Hütte sind zahlreiche Nachkommen damaliger Gastarbeiterfamilien beschäftigt, neun Nationen arbeiten heute dort laut FWH-Geschäftsführer Steinheider zusammen. Das gute Miteinander innerhalb der Belegschaft, die Kollegialität im Ruhrgebiet, hob Steinheider auch gegenüber Bundeskanzler Scholz hervor.