Essen. Steven Soderberghs „Side Effects“ ist ein klassischer Thriller mit Starbesetzung. Hollywood-Größen Jude Law und Catherine Zeta-Jones sowie die Jungstars Rooney Mara und Channing Tatum finden sich in einer Gesellschaft wieder, in der nur Erfolg und Ansehen zählen.
Es mag vielleicht bessere Regisseure geben. Aber schwerlich wird man einen zweiten Filmemacher finden, der derart spielerisch mit dem Medium umgeht und dabei voller Lust immer mal wieder die Themen und die Genres wechselt. Steven Soderbergh ist einer, der mit und im Film lebt, der Blockbuster wie „Ocean’s Eleven“ ebenso abliefert wie kleine, experimentelle Arbeiten wie „Full Frontal“ oder „The Girlfriend Experience“.
Bei uns startet jetzt mit „Side Effects“ ein waschechter Thriller, der sich schamlos bei großen Vorbildern wie Hitchcock oder Brian De Palma bedient, dabei aber immer erkennbar Soderbergh bleibt.
Der Film hat eine überschaubare Geschichte
„Side Effects“ erzählt zunächst eine relativ einfache und überschaubare Geschichte. Der Banker Martin Taylor (Channing Tatum) wird nach vier Jahren aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen verbotenen Insiderhandels gelandet war. Ehefrau Emily (Rooney Mara) hat diesen Schicksalsschlag nur schwer überwunden. Für sie bedeutete das ein Ende des Luxuslebens, Rückzug in eine kleine Wohnung und – oh Gott – die Annahme eines Jobs.
Bei Emily hinterlässt all das Spuren in Form von fortschreitenden Depressionen, die auch durch Anwesenheit ihres Gatten nicht unbedingt besser werden.
Auftritt Dr. Jonathan Banks (Jude Law), der sich der Kranken annimmt. Seit Emily mit dem Auto frontal vor die Wand eines Parkhauses gedonnert ist, hält er sie für akut selbstmordgefährdet. Er holt sich Rat bei Emilys letzter Ärztin Dr. Victoria Siebert (Catherine Zeta-Jones), die ihm daraufhin die Behandlung mit einem noch nicht zugelassenen Präparat empfiehlt – ein lukrativer Deal in jeder Beziehung.
Doch dann tauchen „Nebeneffekte“ auf, mit denen angeblich niemand hat rechnen können. Wirklich nicht?
Wir sehen schon, wohin uns diese Geschichte allmählich bugsiert, nämlich mitten hinein in eine Welt aus Gier und Eigennutz. Banker Martin zeigt kein Unrechtsbewusstsein und würde bei genügend Ertrag jederzeit wieder so handeln. Die Ehefrau stöhnt ob ihres sozialen Abstiegs und trauert dem alten Luxus-Haus nach, auf das sie eigentlich ein Anrecht zu haben glaubt.
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Und dann diese Ärzte, die sich aufopferungsvoll um ihre Patienten kümmern, ihnen dann aber riskante Medikamente empfehlen, um von der Pharmaindustrie geschmiert zu werden. Eigentlich sind sie gar nicht so schlecht, sie spielen lediglich mit in einer Gesellschaft, in der nur Erfolg und Ansehen zählen und ein Weiterkommen garantieren.
Jude Law als Marionette in einem grandios entworfenen Spiel
Irgendwann zieht der Psychologe Banks die Notbremse. Nicht etwa, weil er die Gefährlichkeit seines Tuns erkennen würde, sondern weil er entdeckt, dass er nur die Marionette in einem grandios entworfenen Spiel darstellt und darüber ganz schön sauer ist. Das ist der Moment, da auch der Zuschauer anfängt, Zeichen zu deuten, die ihm aus anderen Filmen vertraut sind. Und wo er auf einmal hinauskatapultiert wird aus einem kalten Großstadtfilm und sich versetzt fühlt in einen klassischen Film noir. Catherine Zeta-Jones, nur so viel sei von all den „Twists“ und Wendungen verraten, gibt darin eine famose „Femme fatale“.
Während seine Filme begeistern oder wenigstens jede Aufmerksamkeit wert sind, wird Soderbergh nicht müde, nach „Side Effects“ seinen zumindest vorläufigen Abschied vom Kino anzukündigen. Glauben möchten man das eigentlich nicht. Zumal das Filmfestival in Cannes vermeldet hat, Soderberghs Film „Behind the Candelabra“ im offiziellen Programm zu präsentieren. Also doch noch wieder ein neuer Film?
Für Soderbergh zählt er eigentlich nicht: Die Filmbiographie des schwulen Las-Vegas-Entertainers Liberace hat er fürs US-Bezahlfernsehen gedreht. Aber immerhin mit Michael Douglas als Liberace und Matt Damon als seinem jungen „Spielzeug“. Cannes wird beweisen, dass man das Werk auch auf Leinwand zeigen kann.
Wertung: Vier von fünf Sternen