So populär wie der Regisseur Alfred Hitchcock auch 33 Jahre nach seinem Tod noch ist, verwundert es doch, dass bisher kein Film über ihn gedreht wurde. Das ist jetzt vorbei: „Hitchcock“ mit Anthony Hopkins in der Titelrolle erzählt vom Kampf um die Entstehung von „Psycho“.
Es gibt keinen zweiten Filmregisseur, der auch nur annähernd eine derartige Popularität genießen würde wie Alfred Hitchcock. Vielleicht liegt es daran, dass dieser Engländer ein phänomenales Gespür für die Erzeugung von Spannung besaß. Vielleicht auch daran, dass er bemüht war, seinem Publikum das bestmögliche Produkt zu liefern. Und gewiss spielt es auch eine Rolle, dass es niemand besser verstand, seine Filme zu einem Markenzeichen zu machen. Die regelmäßigen Gastauftritte waren weniger Marotte als ein Gütesiegel.
Nun hat sich mit Sacha Gervasi ausgerechnet ein Spielfilm-Debütant daran gemacht, einen Film über Hitchcock ins Kino zu bringen. Nicht als große Biografie, sondern als eher kleinen Film über einen ganz besonderen Abschnitt im Verlauf von Hitchcocks Karriere. Es ist jener Moment nach dem Erfolg von „Der unsichtbare Dritte“, da der Regisseur verzweifelt nach einem Stoff sucht, der ihn auch für Kritiker wieder interessant machen könnte. Er findet ihn in Robert Blochs Roman „Psycho“, der in die dunkelsten Winkel menschlichen Tuns vordringt und im prüden Amerika von 1960 als unverfilmbar gilt.
Paramount stellt sich quer
Gervasis Trumpf ist Anthony Hopkins, der nicht nur durch seine Maske überzeugt, sondern vor allem durch seinen Tonfall (geht in der Synchronisation leider verloren), seine Gestik und seine Mimik. Hopkins ist Hitchcock mit jeder Faser seines Körpers, ein Regisseur, der sich mit seinem neuen Film weiter vorwagen will, als das erwünscht ist. Das Studio Paramount, an das Hitchcock vertraglich gebunden ist, weigert sich, „Psycho“ zu produzieren. Der Regisseur setzt daraufhin nach Absprache mit Gattin Alma (Helen Mirren) sein Vermögen aufs Spiel, produziert selbst und ringt dem Studio zumindest den Verleih des Films ab.
Zum ersten Mal eine Toilette
Zunächst also erlebt man in „Hitchcock“ den zähen Kampf um die Verwirklichung eines Films, der von sexuellen und mörderischen Trieben handelt, weit jenseits aller Vorstellungskraft der Zensurbehörde. Dass Hitchcock erstmals im US-Kino eine Toilette ins Bild bringt, eine Frau erst im BH, später dann irgendwie nackt unter der Dusche zeigt, all das lässt den Oberzensor aufstöhnen. Ehefrau Alma hatte zuvor bereits erfolgreich darauf gedrängt, in Schwarzweiß zu drehen, um das Blut in der Badewanne besser zu kaschieren.
Starke Frau an des Meisters Seite
Überhaupt Alma. In Gervasis Film wird liebevoll ihre starke Rolle bei dem Entstehen der Hitchcock-Filme betont. Sie legte letzte Hand an das Skript, ohne ihren Segen gab Alfred keinen Film frei. Bei „Psycho“ musste sie gar drei Tage lang die Regie für den erkrankten Gatten übernehmen. Es ist die alte Geschichte vom erfolgreichen Mann, hinter dem stets eine starke Frau steht. So stark, dass man es der in sich ruhenden Frau kaum abnehmen will, wenn das Drehbuch ihr plötzlich ein gewisses Interesse für den von Danny Huston arg schmierig angelegten Drehbuchautor Whitfield Cook andichtet.
Die dunklen Seiten eines Regisseurs
Die Eifersucht, die Hitchcock daraufhin entwickelt, öffnet das Tor zu den geheimen Seiten des Regisseurs. Im imaginären Gespräch etwa mit dem nekrophilen Mörder Ed Gein, auf dessen Taten das Buch „Psycho“ beruht, beginnt der Regisseur damit, Mordfantasien zu entwickeln. An Drehtagen sieht man den Voyeur Hitchcock durch ein Loch in der Wand den Umkleideraum der Damen beobachten. Und wie launisch und nachtragend er im Umgang mit seinen Darstellerinnen sein konnte, zeigt die Vergötterung des Dusch-Opfers Janet Leigh (Scarlett Johansson) auf der einen und die Missachtung von Vera Miles (Jessica Biel) auf der anderen Seite.
Anthony Perkins lebt
„Hitchcock“ muss für Sacha Gervasi ein abenteuerliches Unterfangen gewesen sein, denn es durften wegen des Urheberrechtes keine Originalsequenzen aus „Psycho“ verwendet werden. Dafür erlebt der Zuschauer nun in Gestalt von James D’Arcy einen Schauspieler, der wie die Wiedergeburt eines Anthony Perkins wirkt. Und in Anthony Hopkins, keine Frage, den grandiosesten Hitchcock seit dem Original.