Essen. Zwischen Himmel und Erde spielt der Fantasy-Film “Jack and the Giants“. Oben leben die großen Underdogs, die man in ein Ghetto zwischen Himmel und Erde gesteckt hat. Um ihre Stellung zu verbessern, müssen sie nach unten. Dort werden aber bereits alle Vorbereitungen getroffen, um das zu verhindern.
Man hatte es schon aufgegeben, im Kino noch einmal ein Märchen in klassischer Form erzählt zu bekommen. Wo es doch dieser Tage viel besser funktioniert, Märchenfiguren wie Hänsel und Gretel in Hexenjäger zu verwandeln oder, siehe Schneewittchen in „Spieglein, Spieglein“, ironisch mit ihnen zu spielen. Ausgerechnet der auf Superhelden wie „X-Men“ und „Superman“ fixierte Regisseur Bryan Singer zeigt uns jetzt in „Jack and the Giants“, dass Tradition in Sachen Märchen doch noch funktionieren kann, wenn genug Seele und genügend Schauwerte vorhanden sind.
Wer mit dem englischen Film-Titel wenig anfangen kann: Ein wenig von dem auch bei uns sehr bekannten „Hans und die Bohnenranke“ fließt hier zusammen mit dem angelsächsischen „Jack the Giant Slayer“.
Als zeitlicher Hintergrund wurde das 12. Jahrhundert im ländlichen England gewählt. Hier nimmt man im malerischen Königreich Cloister die Sache mit den Riesen noch als Sage mit wahrem Kern. Und die besagt, dass auch die Riesen, alle etwa von vierfacher Menschengröße, einst auf der Erde lebten, bevor sie nach Gantua verbannt wurden, einem Reich irgendwo zwischen Himmel und Erde. Nichts täten sie lieber, als nach unten zurückzukehren, denn die Menschen als Delikatesse zu jagen, das war ihre liebste Beschäftigung.
Nicholas Hoult überzeugt als Bauernsohn Jack
Der ganze Ärger beginnt damit, dass der Bauernsohn Jack aus schierer Not das Pferd seines Onkels auf der Burg Cloister verkaufen soll. Nicholas Hoult spielt diesen Jüngling, und diesen Namen sollte man sich merken: Gerade hat er noch in „Warm Bodies“ als allmählich menschlich werdender Zombie überzeugt. Der gutherzige Jack jedenfalls kehrt ohne Pferd und Geld heim, weil er einem verfolgten Mönch helfen wollte und als Bezahlung drei Bohnenkerne akzeptiert hat. Etwa gleichzeitig beschließt die hübsche Prinzessin Isabelle (Eleanor Tomlinson) aus der königlichen Burg zu fliehen, weil ihr Vater (Ian McShane) sie mit dem viel zu alten Roderick (großartiger Fiesling: Stanley Tucci) verheiraten will.
Ausgerechnet aus den unscheinbaren Bohnen erwächst im wahrsten Sinne des Wortes später der größte Schauwert dieses Films. Einmal nass geworden, ranken sie sich acht Kilometer in die Höhe, reißen auf diesem Weg alles mit sich. Darunter auch die Prinzessin, die nun im hohen Gantua landet, von Riesen bedroht wird und natürlich unbedingt gerettet werden muss.
Singer hat um seine jungen Hauptdarsteller eine ganze Phalanx erfahrener britischer Schauspieler versammelt. Ewan McGregor glänzt in schimmernder Rüstung als Elmont, des Königs rechte Hand. Bill Nighy wird man als doppelköpfigen Riesen-General Fallon kaum erkennen: Er hat der Figur per Motion-Capture-Verfahren nur seine Gestalt samt Stimme geliehen. Das macht aus diesem Anführer einer Horde von gigantischen Menschenfressern fast schon wieder ein Wesen mit sichtbaren Gefühlen. Diese leichte Trauer in seinem Blick, sie könnte vielleicht aus der Tatsache resultieren, dass die Riesen hier oben offenbar ohne Frauen und also auch ohne Kinder existieren müssen.
Am Ende ist dies ein Film, der die gesellschaftliche Struktur auf den Kopf stellt. Oben, da leben hier die großen Underdogs, die man in ein Ghetto zwischen Himmel und Erde gesteckt hat. Um ihre Stellung zu verbessern, müssen sie nach unten, wo jedoch bereits alle Vorbereitungen getroffen werden, um das zu verhindern. Eine acht Kilometer hohe Bohnenstange kracht daraufhin in sich zusammen. Wie gut, dass Singer nicht nur das große Spektakel sucht. Er erschafft lebendige Figuren, um die man tatsächlich bangen kann. Und er schafft es sogar, ein scheinbar sicheres Happy-End noch einmal zu kippen. Ein erstaunlicher Film in jeder Beziehung.
- Wertung: 4 von 5 Sternen