Essen. Das Ruhrmuseum zeigt in Essen 100 Jahre Ruhrgebietskino. Rund 900 Ausstellungsstücke sind zu sehen. Warum die Schau ein Ereignis ist.
Alle sind sie da: US-Stars wie Cary Grant und Gary Cooper, die schöne Schwedin Zarah Leander. Deutsche Ikonen wie Romy Schneider, Heinz Rühmann und Hildegard Knef. Lara Croft, als Werbefigur aus der Videothek Atlantis Megamax in Bochum. Aber auch Schauspieler wie Martin Wuttke, Ralf Richter, Dietmar Bär, Tana Schanzara und Ruth Leuwerik, die alle mit dem Ruhrgebiet in Verbindung stehen. Denn auch wenn mehr als ein Hauch von Hollywood den Mammut-Rundgang auf der Bunkerebene der Kohlenwäsche im Ruhrmuseum begleitet – Spielort ist das Revier.
„Glückauf – Film ab!“: Ein Rundgang der Superlative im Ruhrmuseum
Mehr als 900 Ausstellungsstücke hat das Team um Museumsdirektor Heinrich Theodor Grütter zusammengetragen, um die Kino- und Filmgeschichte der Region in Szene zu setzen: Von der Kinokarte über kunstvolle Filmplakate bis zum Kassenhäuschen aus den goldenen 50ern. Nun heißt es „Glückauf – Film ab!“ Bühne frei für einen Rundgang der Superlative.
Die Ausstellung
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“ ist bis 2. März 2025 im Ruhr Museum zu sehen: Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen
Öffnungszeiten sind Mo. bis So. 10 bis 18 Uhr
Der Eintritt kostet zehn Euro, ermäßigt sieben Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schülerinnen, Schüler und Studierende unter 25 Jahren haben freien Eintritt
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (Klartext Verlag, 280 Seiten, ca. 300 Abbildungen). Er kostet 29,95 Euro
Alle Infos stehen im Internet: www.ruhrmuseum.de. Begleitend zur Ausstellung startet im September ein umfangreiches Filmprogramm.
So sprach Grütter eingangs von „der schönsten Ausstellung, die wir je gemacht haben“. Zweieinhalb Jahre Vorbereitungszeit habe es gedauert, um „eins der umfangreichsten Projekte“ der Museumsgeschichte zu realisieren. Anlass ist der 100. Geburtstag des Essener Filmstudios Glückauf, des ältesten original erhaltenen Kinos NRWs.
Aber es geht nicht nur um die große Zeit des Kinos, die sich auch im Ruhrgebiet niederschlug, Hand in Hand mit dem Wirtschaftswunder und der Blütezeit der Ruhrindustrie: In den 50er-Jahren war die Zahl der Kinos im Revier auf 500 angewachsen. Kino war das Medium der breiten Bevölkerung – wer Filme sehen wollte, musste ins Kino gehen. Museumschef Grütter betonte, dass es 1954 wohl keine einzige Kneipe gab, in der ein Fernseher stand. Als das Gerät zu Beginn der 60er-Jahre Einzug in die deutschen Wohnzimmer hielt, endete die Kino-Blüte. Später kam als Konkurrenz der Videofilm hinzu. Heute sind es die Streamingdienste.
„Glückauf – Film ab!“: 19 Kapitel führen durch die Kinogeschichte des Ruhrgebiets
An all das erinnert die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit den Essener Filmkunsttheatern und der Kinemathek des Ruhrgebiets entstand. Für erstere war Geschäftsführerin Marianne Menze vor Ort, für die zweite Paul Hofmann, der ebenfalls Exponate und Knowhow beisteuerte. Er verwies bei der Präsentation auf den hohen Stellenwert der Dokumentarfilmer in der Region. 5000 Dokus sind im Ruhrgebiet entstanden, schätzt der Experte. Dem stehen rund 50 Spielfilme gegenüber.
Wer rundgeht, wird fast erschlagen von der prallbunten Schau, für deren komplette Erkundung man vermutlich zwei Wochen bräuchte. 19 Kapitel wurden bestückt, los geht es mit den Anfängen der Kinematographie. Hierfür steht Theodor Beulmann mit seinem „Bottroper Welt-Theater“. Er war einer der der ersten, der in Gasthäusern und Kneipen Filme vorführte.
„Glückauf – Film ab“: Das Ruhrmuseum erzählt auch von den Anfängen des Kinos
Zum Kinopionier wurde 1898 auch der Wittener Kohlenhändler, Gastronom und Wanderkinobetreiber Wilhelm Wiedau. Die Ausstellung zeigt die Fotografie eines sonoren Herrn neben einem plumpen Holzkasten, bei dem man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass er nicht nur Filmszenen wiedergeben, sondern auch aufnehmen konnte. Wiedau fabrizierte damit die ersten Aufnahmen vom Industriegebiet.
Ruhr Museum präsentiert „Glückauf – Film ab!“
Kinoarchitektur und Filmtechnik. Film und Politik. Film- und Kinowerbung. Kino- und Filmschaffende. Kinobesitzer und -betreiber. Dokumentarische Filmarbeit. Filmausstattung. Filmfestivals. Film und Avantgarde. Alles da. Stummfilme flimmern über Vorhänge als Raumteiler. Und in jeder Ecke gibt es etwas zu sehen. Zig Fotografien, Drehbücher und Requisiten. Filmausschnitte, Filmwerbung und Projektoren. Sogar eine Reihe Kinosessel findet Platz, vom samtenen Lichtburg-Modell bis zum hölzernen Klapp-Exemplar, auf dem man es vermutlich nur dann aushalten konnte, wenn der Film richtig fesselnd war.
Immer wieder gerät man ins Staunen. Etwa über den Rummel, den der deutsche Stuntman Arnim Dahl 1964 in der Essener City erzeugte. Muss ein doller Kerl gewesen sein: Insgesamt erlitt er mehr als 10 Knochenbrüche, kam 37 Mal ins Krankenhaus. Fotos zeigen ihn inmitten einer Menschenmenge. Wenige Meter weiter erkennt man den jungen Helge Schneider als „Johnny Flash“ in einem Filmausschnitt an der Wand. Aus einem Kopfhörer vis-a-vis erklingt ein Kino-Gong, sobald man ihn aufsetzt.
Und dann wären da noch Kostüme – ein Morgenmantel aus „Die Tribute von Panem“, eine signierte Lederjacke von Moritz Bleibtreu (aus dem Film „Nicht mein Tag“), ein Hut von Peter Lohmeyer (aus „Zugvögel… einmal nach Inari“) und eine Schimanski-Jacke mit Einschussloch und Filmblut, signiert von Götz George. Er trug sie in „Loverboy“, dem letzten Film der Reihe. 2013 war das. Eine von vielen Geschichten, deren Summe den Rundgang zum Ereignis macht.