Bottrop. Beim Tag der Westfälischen Geschichte geht es den Referenten um die soziale und politische Geschichte. Der älteste Film zeigt Bottrop 1913.
Der Film als historische Quelle habe noch vor 30, 40 Jahren kaum eine Rolle gespielt, so Mechthild Black-Veldtrup, Historikerin und Leiterin des NRW Landesarchivs Westfalen auf dem 71. Tag der Westfälischen Geschichte. Der hatte am Wochenende erstmals in Bottrop stattgefunden. Dass ausgerechnet hier eines der ältesten Filmdokumente der Region überhaupt auftauchte und gerettet wurde, zählt zu den Glücksfällen der Geschichtsforschung.
So stand der 1913 auf private Initiative des Gastwirts Beulmann produzierte Film mit vielen Szenen eines Vereinsjubiläums in der Innenstadt im Mittelpunkt des Vortrags von Paul Hofmann, Leiter der Kinemathek im Ruhrgebiet.
Der steinige Weg zum Stadtrecht
Dabei ist die Entstehungsgeschichte - Theodor Beulmann habe den Streifen wie auch andere frühe Filmtheaterbesitzer zu Werbezwecken für ihre Häuser herstellen lassen - ebenso interessant, wie die Geschichte von dessen Rettung. Beim Abriss der Beulmann’schen Wirtschaft Gambrinus in den 70er Jahren entdeckte man den alten Zelluloid-Film samt Vorführprojektor.
Zum Glück sei das empfindliche Material nicht durch falsche Behandlung zerstört worden, sondern durch den Einsatz von Arno Heinrich, Gründungsdirektor des Bottroper Museums, Hanns-Wilhelm Große-Wilde von der Historischen Gesellschaft und der Bottroper Filmproduktionsfirma „Montevideo“ gerettet worden, so Hofmann. Zu sehen war pralles Leben vor dem Ersten Weltkrieg auf der Hochstraße, ein Festzug des örtlichen Kutschervereins und immer wieder auch Beulmann selbst, der in die Dramaturgie auf der Straße eingriff. Mit einem bewegten „Sampler“ Bottroper Impressionen der frühen 20er Jahre wurde dann optisch in die Themen der folgenden Vorträge eingeführt.
Stadtarchivarin Heike Biskup legte detailliert die entscheidenden drei Anläufe dar, mit denen Bottrops Gemeinderat bei Kreis-, Landes- und Reichsregierung zwischen 1904 und 1919 die Erhebung zur Stadt betrieben hat. Sie zeigte auch die zumeist finanziell motivierten Störmanöver des Kreises Recklinghausen auf, das Ziel zu verhindern.
Der Bochumer Historiker Lutz Budrass untersuchte dann die frühen Bottroper Migrationsbewegungen und räumte schnell mit dem Klischee der schlecht ausgebildeten „Polen“ in der angeblich „polnischsten Stadt“ des Reviers auf. Ein Klischee, dass selbst beim Papstbesuch 1987 in Bottrop noch nicht überwunden war. Budrass’ überraschte nicht nur mit dem Extrakt seiner langjährigen Forschungen, sondern auch durch die Lebendigkeit des Vortrags. Fazit der Gäste: „Dem hätte ich viel länger zuhören können.“