Jetzt im Kino: Doris Dörries neuer Film über ein Frauenfreibad, eine betörende Dschinn-Geschichte aus Istanbul, ein Frauendrama und Spannung pur.

„Freibad“
In Deutschlands einziger Badeanstalt für Frauen geht es hitzig zu. Und das liegt nicht nur an den Temperaturen. Allzu verschieden sind die Besucherinnen jeder Kultur und jeden Alters, die hier zusammentreffen. Kein Wunder, dass das zu Konflikten führt. Wie die Sache eskaliert, zeigt Regisseurin Doris Dörrie in ihrem neuen Kinofilm „Freibad“.

Hier ist alles fest in Frauenhand. Neben der durchtrainierten Besitzerin Rocky (Lisa Wagner) sorgt Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) in dem kleinen Freibad für Ordnung. Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) treffen sich dort täglich: Zwei Frauen in den 50ern, ein bisschen spleenig alle zwei. Beim Lästern geben sie sich nichts. Badbesucherin Paula nennen sie „Wackelpudding“. Und die Ausländerinnen sollen sich bitte an die Regeln halten. Zumal Eva in Yasemin (Nilam Farooq), ein Opfer des Patriarchats vermutet. Dass die leidenschaftliche Schwimmerin ihren Burkini freiwillig trägt und deshalb mit ihrer türkischen Mutter streitet, tut für sie nichts zur Sache; Eva kontert mit blankem Busen. Oben ohne contra Zwangsverschleierung.

Es geht Schlag auf Schlag in diesem schwülen Mikrokosmos, munter unterlegt mit Evergreens, Schlagern, Chansons und Impressionen daher treibender Schwimmreifen. Als sich eines Tages eine komplett verhüllte Gruppe Araberinnen auf Gabi und Evas Liegeplatz breit macht, fliegen endgültig die Fetzen. Wem gehört das Bad? Wer bestimmt die Regeln?

Dörrie spart nicht mit Klischees. Im Gegenteil: Man wird förmlich überflutet. Dabei geht eigentlich um Akzeptanz und ein gesellschaftliches Miteinander. Idee und Tempo stimmen. Aber manche Witze sind flach wie das Planschbecken, ein roter Faden ist schwer zu finden und zum Ende hin wirkt es so, als habe die Regie selbst nicht recht gewusst, wie sie die Zeit bis zum Finale überbrücken soll. Und so bietet dieses Freibad keine echte Erfrischung. Nur ein laues Lüftchen auf einer überfüllten Liegewiese.

„Three Thousand Years of Longing“
In den Geschäften von Istanbul findet sich so allerlei. Die englische Erzähltheoretikerin Alithea (Tilda Swinton), die hier auf einem Kongress vom Triumph der Wissenschaft über das Mystische dozierte, fühlt sich seltsam hingezogen zu einer kleinen Flasche, die sie in einem Laden findet. Als sie im Hotel das Siegel bricht, entströmt ein Geist der Flasche und es materialisiert sich ein ebenso eloquenter wie charmanter Dschinn (Idris Elba). Der stellt für seine Freiheit drei Wünsche in Aussicht. Zu seinem Erstaunen möchte Alithea sich dazu auch dann nicht festlegen, als der Dschinn seine 3000 Jahre umspannende Geschichte erzählt...

Tilda Swinton und Idris Elba in „Three Thousend Years of Longing“.
Tilda Swinton und Idris Elba in „Three Thousend Years of Longing“. © Leonine | LEONINE

Der Australier George Miller, in den 80ern berüchtigt für seine „Mad Max“-Trilogie, hegt ein besonderes Faible für Technik und Mythos. Nun legt er mit 77 nach einer Kurzgeschichte von A.S. Byatt ein Filmwerk vor, das dem Reiz des Geschichtenerzählens ebenso huldigt wie dem westlichen Blick auf die exotischen Reize des Orients. Im Wechselspiel aus Mystik und Wissenschaft, Fantasie und Realität, Gefühl und Verstand entfaltet sich in den Dschinn-Erzählungen ein opulenter Bilderrausch, der die Haremsszenen des Orientalismus aus den Gemälden von Frederick Arthur Bridgman (1847-1928) und Jean-Léon Gérôme (1824-1904) ebenso wertschätzt wie Ludwig Bergers farbenfrohen Fantasy-Klassiker „Der Dieb von Bagdad“ von 1940. Und selbst die üppige Sahara-Prinzessin aus T.C. Boyles „Wassermusik“ bleibt nicht unberücksichtigt.

Der Sinnlichkeit der visuellen Ausgestaltung steht das ironisch-distanzierende Spiel von Tilda Swinton und Idris Elba entgegen. Die Liebesgeschichte, die sich hier entfaltet, ist von zarter Schwermut umflort, die sich konsequent den Sehgewohnheiten des plakativ gefühligen Gegenwartskinos entzieht. George Miller hat ein betörend schönes Märchen für Erwachsene inszeniert, den Ritt durch die Kulturgeschichte gibt es gratis dazu.

„Over & Out“
Drei Frauen folgen der Einladung ihrer Freundin Maja (Nora Tschirner) zu deren Hochzeit in Spanien. Vor Ort wartet auf Finanzberaterin Lea (Jessica Schwarz), Hausfrau und Mutter Steffi und Popsängerin Moni (Petra Schmidt-Schaller) eine herbe Überraschung. Und es ist gut, dass der Trailer zum Film hier mit offenen Karten spielt. Denn nach knapp 30 turbulenten Minuten mit teils superbem Schnitttempo wartet ein dramatischer Nackenschlag, in dessen Folge jeder Gag und jede Verwicklung nur noch unter makabrem Vorzeichen stattfinden.

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Julia Becker, die nach eigenem Drehbuch Regie führte und mit bravouröser Undurchsichtigkeit die Rolle der „Steffi“ spielt, entpuppt sich als funkelnder Rohdiamant in Sachen präziser Schauspielerinnenführung (tatsächlich sah man Schwarz und Schmidt-Schaller ewig nicht so gut), versierter Kinooptik (Kamera: Florian Mag) und einem Drehbuch, das an seinen Konflikten nicht erstickt, sondern diese geschickt nutzt, um das Erzähltempo unter Dampf zu halten. Die sonst so nervige Indifferenz in den Stimmungslagen ist hier Stärke, weil sie den Film unberechenbar macht. Und nebenbei, Nora Tschirners Leinwandzeit wurde auch ohne viele Worte glänzend genutzt. Ein feiner Film über Frauen – und nicht nur für Frauen ein Erlebnis. ues

„Die Zeit, die wir teilen“

Joan ist Ende 50 und eine erfolgreiche Verlegerin. Belastende Ereignisse hat sie erfolgreich verdrängt. Als sie eines Tages ihren Ex-Freund Doug auf der Straße trifft, wirkt dies als Initialzündung. Sie zieht sich in ihr Landhaus zurück und stellt sich ihrer Vergangenheit.

Isabelle Huppert als Joan und Swann Arlaud als ihr Sohn Nathan im neuen Kinofilm  „Die Zeit, die wir teilen
Isabelle Huppert als Joan und Swann Arlaud als ihr Sohn Nathan im neuen Kinofilm „Die Zeit, die wir teilen". © picture alliance/dpa/Camino Bildverleih | picture alliance/dpa/Camino Bildverleih

Es ist ein Glücksfall, dass Regisseur Laurent Larivière für seinen neuen Film Isabelle Huppert und Lars Eidinger gewinnen konnte. Ergebnis ist bestes Schauspieler-Kino, dem es gelingt, einige Längen zu kaschieren.

Dabei beschreibt das deutsch-französisch-irische Filmdrama in schönen Bildern den Weg einer Frau zu sich selbst. Das ist nicht gerade neu - aber eine Paraderolle für Isabelle Huppert mit ihrem Faible für eigensinnige, starke Figuren.

Die Erzählung dreht sich um die Erinnerung an ein schreckliches Erlebnis, der sich die Protagonistin erst am Ende zu stellen vermag. Bis dahin wechseln sich Ist-Erzählung und Rückblenden ab, die bis in die Zeit als Aupair-Mädchen reichen und sich allmählich zur Geschichte formen. Da geht es um die Liebe zu Doug, um Joans Mutter, die ihre Familie verließ. Doch vor allem geht es immer wieder um Nathan, Joans geliebten Sohn (Swann Arlaud).

Neben Nathan steht Joan der leicht verrückte, deutsche Schriftsteller Tim auf dem Weg in die Vergangenheit zur Seite. Ein idealer Part für Lars Eidinger, der als depressiv-gestörte Künstlerseele erst mächtig aufdreht, um sich später jedoch sensibel zurückzunehmen. Gerade noch rechtzeitig, um für Joan ein echter Freund zu sein.