Essen. Der japanische Erfolgsregisseur Ryūsuke Hamaguchi legt mit „Das Glücksrad“ einen Episodenfilm über Zufälle vor, die ein Leben verändern.

Da ist die Geschichte von Meiko und Tsugumi. Zufällig landen die beiden Frauen im selben Taxi. Unterwegs schwärmt Tsugumi von ihrer neuen Liebe. Je länger sie spricht, desto größer wird die Gewissheit: Es handelt sich um Meikos Ex-Freund. Eine unglückselige Dreiecksgeschichte beginnt. Ebenso plötzlich ändert sich das Leben des Hochschulprofessors Segawa. Ein erfolgloser Student will sich an ihm rächen und beauftragt seine Freundin mit einem Verführungsversuch. Doch der endet – rein zufällig – mit fatalen Folgen.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das beweist einmal mehr Ryūsuke Hamaguchi in seinem achten Spielfilm „Das Glücksrad“. Diesmal legt der japanische Erfolgsregisseur („Drive My Car“) einen bittersüßen Episodenfilm über das Lieben und Begehren vor. Im Mittelpunkt stehen fünf Japanerinnen, die sich sich jede auf ihre Art gegen das Klischee von der braven Frau und Mutter auflehnen. Spielort ist das Minenfeld zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Hauptrolle übernimmt jedoch eindeutig das Schicksal. Die Heldinnen können sich noch so bemühen; es sind immer die Zufälle, die ihr Leben verändern.

Fotoshooting in Tokyo

Tokyo, ein professionelles Fotoshooting. Das Model Meiko (Kotone Furukawa) arbeitet bis in den späten Abend und fährt dann mit ihrer Freundin Tsugumi (Hyunri) nach Hause. Als sie erfährt, dass diese sich in ihren Ex-Freund verliebt hat, überkommt sie die Eifersucht: Die Beziehung zum smarten Kasuaki (Ayumu Nakajima) ging tragisch in die Brüche. Meiko beschließt, um ihn zu kämpfen. Sie plant einen Umweg ein und stellt den verwirrten Mann zur Rede.

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Die Regie hat Zeit, jede Menge davon. Die drei Episoden „Magic“, „Door Wide Open“ und „Once Again“ kommen still und unspektakulär daher. Die Kamera ruht auf den Gesichtern und fängt ihre Geschichten ein. Dabei setzt Hamaguchi auf lange, ausgefeilte Erzählstränge: Sogar das Wortgefecht, das sich Meiko und ihr Ex Kasuaki in seinem nächtlichen Büro liefern, ist purer Rhythmus, wobei sich die beiden ehemals Liebenden verbal umkreisen wie kampfbereite Tiger. Unerbittlich. Aber auch distanziert und mit asiatischer Höflichkeit. Ungewöhnlich ist das. Aber spannend!

Ganz ähnlich ergeht es Nao (Katsuki Mori) aus dem zweiten Kapitel dieser sehr japanischen Trilogie. Nao ist ein Luder, ihr Auftritt: die formvollendete Provokation. Schon immer wollte sie den renommierten Professor Segawa (Kiyohiko Shibukawa) verführen. Jetzt sucht sie ihn in seinem Arbeitszimmer auf und liest ihm erotische Passagen seines Buches vor. Der Professor umgeht die Venusfalle. Er lässt Nao abblitzen. Doch das Schicksal spielt auch diesen beiden einen Streich. Auslöser: eine falsche adressierte E-Mail.

Alles nur eine Verwechslung

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Zufall? Vorsehung? Und was wäre, wenn alles anders gelaufen wäre? 120 Minuten dauert das Spiel mit den existenziellen Fragen des Lebens. Es endet mit einer dritten unerwarteten Begegnung. Moka (Fusako Urabe) und Nana (Aoba Kawai), gut verheiratet die eine, arbeitslose IT-Ingenieurin die andere, glauben, sich aus der Schulzeit zu kennen, als sie sich zufällig am Bahnhof treffen. Sie verbringen den Tag gemeinsam. Um dann festzustellen, dass es sich offenbar um eine Verwechslung gehandelt hat. Doch für diese beiden Frauen könnte es der Beginn einer neuen Beziehung werden. So funktioniert das mit dem Glück. Es zieht von einem zum andern.

>>> Ein preisgekrönter Regisseur <<<

Ryūsuke Hamaguchi zählt zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Regisseuren. „Das Glücksrad“ wurde 2021 auf der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

Im gleichen Jahr gewann Hamaguchi mit seinem Film „Drive My Car“ in Cannes den Preis für das beste Drehbuch. Anfang 2022 wurde „Drive My Car“ für vier Oscars nominiert und gewann einen Oscar für den besten internationalen Film.