Berlin. Lars Eidinger steht vor einem großen Schritt: Im Herbst wird er in Hollywood einen Film drehen. Wird der deutsche Star dort bestehen?
Die Corona-Zeit und die damit verbundene Dauerschließung der Theater haben Lars Eidinger (45) zu schaffen gemacht, ist er es doch gewohnt, sich auf der Bühne auszutoben. Aber nun ist der Schauspieler wieder in seinem Element. Derzeit spielt er den neuen „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen und wird dafür frenetisch gefeiert. Am Donnerstag kommt sein neuer Film „Nahschuss“ ins Kino, der von der Stasi handelt und vom letzten vollstreckten Todesurteil der DDR. Und dann steht auch noch sein erster Hollywoodfilm an.
Herr Eidinger, Sie werden als Jedermann in Salzburg gefeiert. Sind das die letzten Weihen, die man als Schauspieler kriegen kann?
Lars Eidinger: Naja, aus deutscher Sicht wohl weniger. Wenn, dann eher unter dem Aspekt, dass man seinen Beruf danach an den Nagel hängen kann. Das ist wahrscheinlich vergleichbar mit einer Rolle beim „Traumschiff“. Im Vorfeld haben mir sehr viele Leute abgeraten, die meinten, das sei das Ende der Karriere. Man könne nicht den Jedermann spielen und dann experimentelles Theater in der Schaubühne machen. Ich habe aber den Eindruck, dass es mir eher eine Freiheit gibt, wenn ich mich in alle Richtungen öffne. Ich hatte große Lust, auf dem Domplatz zu spielen, und bin auch sehr glücklich mit dem Ergebnis. Jede Vorstellung genieße ich sehr.
Und Sie stehen damit ja in einer Galerie.
Ja, sich einzureihen in diese Schauspielerriege, angefangen von Alexander Moissi über Klaus Maria Brandauer, Maximilian Schell und Gert Voss. Und jetzt schreibe ich meinen am Ende ein. Doch, das ist wirklich eine große Ehre für mich.
Zum ersten Mal haben Sie sich bei der Arbeit an einer Rolle filmen lassen. Der Dokumentarfilm „Sein oder Nichtsein – Lars Eidinger“ soll kommendes Jahr ins Kino kommen. Wie ist das eigentlich, ständig eine Kamera um sich zu haben?
Das war eine sehr interessante Erfahrung. Reiner Holzemer ist ja ein sehr erfahrener Dokumentarfilmer, er hat schon das Kunststück vollbracht, einen Dokumentarfilm über jemanden zu machen, der gar nicht zu sehen ist, nämlich Martin Margiela, der große Unbekannte, der nie öffentlich in Erscheinung trat. Das empfiehlt ihn natürlich. Und er ist jemand, den man irgendwann beinahe – nein, nicht vergisst. Das stimmt nicht. Das sagt man oft so. Vergessen habe ich ihn nie. Aber das hat die Proben eher bereichert, weil man vor laufender Kamera doch das Gefühl hat, fokussierter arbeiten zu müssen. Und der Zuschauer bekommt einen wirklichen Einblick in die Theaterarbeit.
Im Film soll es auch um die Vorbereitung auf eine Hollywoodproduktion gehen. Welche ist das? Davon wurde noch nichts bekannt.
Das wird Hollywoodproduktion genannt, weil ich dazu leider gar nichts sagen darf. Der Film heißt während der Dreharbeiten auch ganz anders als nachher, wenn er fertig ist. Man versucht da, möglichst zurückhaltend zu sein. Aber so viel kann ich sagen: Ich werde den gesamten September über in den USA drehen.
Wenn’s nicht der Jedermann ist, ist dann Hollywood die letzte Weihe als Schauspieler? Ist das ein Traum, den Sie, wie so viele, verwirklichen wollen?
Na klar. Den Schauspieler möchte ich erleben, der da sagt, das interessiere ihn nicht ... Wir sind doch alle mit diesen Filmen groß geworden, diese Art von Kino war doch immer schon ein Sehnsuchtsort. Daher kommt ja auch so ein Begriff wie Traumfabrik. Mir scheint, das ist jetzt gerade ein guter Zeitpunkt dafür.
Wieso gerade jetzt?
Weil ich an so einem Punkt bin, wo ich eine gewisse Demut und Respekt gelernt habe. Aber dennoch mit einem gewissen Selbstvertrauen und Selbstverständnis dahin fahre. Das ist ja der größte Konflikt dabei. Ich hatte drei Probetage, und gleich zu Beginn kam ein sehr hochkarätiger Hollywoodschauspieler zur Tür rein. Natürlich läuft man da ein bisschen Gefahr, in Ehrfurcht zu erstarren. Man will aber auch nicht so abgebrüht tun, als sei das für einen das Selbstverständlichste von der Welt. Die Besonderheit will man ja schon zum Ausdruck bringen. Da bin ich hin- und hergerissen. Ich orientiere mich an Christoph Waltz, der, so war mein Eindruck, eher mit der Einstellung hingefahren ist, jetzt zeig ich euch mal, wie man spielt, statt in der Hoffnung, da mithalten zu können. Das spürt man in jeder Faser seiner Darstellung.
Wenn Sie schon Christoph Waltz nennen: Der ist dem deutschen Kino ja abhandengekommen. Drohen auch Sie uns, drohen Sie der Schaubühne verloren zu gehen?
Nein, das steht nicht in Frage. Darüber denke ich auch nie nach. Mein Vertrag verlängert sich immer automatisch um ein Jahr. Nie länger. Damit man sich immer neu füreinander entscheiden kann, und nicht, weil man vertraglich aneinander gebunden ist. Das halte ich so seit 1999. Und im Gegenteil: Durch Corona ist mir jetzt noch mal sehr deutlich geworden, wie sehr ich am Theater hänge und wie wichtig mir die Arbeit dort ist.
Donnerstag kommt Ihr neuer Film „Nahschuss“ ins Kino. Der wurde noch vor Corona fertiggestellt, musste wegen der Pandemie aber verschoben werden. Kommt er jetzt vielleicht gerade recht als mahnendes DDR-Drama zum 60. Jahrestag des Mauerbaus?
Ich muss da eher an Filme wie „Schwesterlein“ und „Persischstunden“ denken, zwei Produktionen mit mir, die beide unmittelbar vor Corona ins Kino gekommen, dann aber verschwunden und bei der Kino-Wiedereröffnung nicht wirklich wieder aufgetaucht sind. Da war es vielleicht gut, mit „Nahschuss“ so lange zu warten. Dieser Film hat für mich immer Gültigkeit. Der braucht keinen äußeren Anlass.
Der Film handelt von einem Mann, der von der Stasi angeworben wird und basiert auf dem Fall Werner Teske und der letzten Hinrichtung in der DDR. Wussten Sie vorher schon von dieser Geschichte?
Nein. Nicht mal Devid Striesow, der ja in der DDR groß geworden ist, wusste von diesem Fall. Es wurde ja auch lange geheim gehalten, offiziell wurde Werner Teske tot in seiner Zelle aufgefunden.
Es ist verblüffend, dass auch 30 Jahre nach Mauerfall noch immer Geschichten ans Licht kommen, die erzählt werden müssen.
Und man muss sich diesem Teil der Geschichte stellen, mit der Ernsthaftigkeit, in der wir es in der Arbeit getan haben. Heute empört man sich zu leicht, wie konnten die bei der Stasi mitmachen? Uns war es wichtig, die Zwänge nachvollziehbar zu machen, die dazu führen. Als ob damals alle im Widerstand gewesen wären! Es war doch die absolute Ausnahme, dass sich dem jemand widersetzt hat. Der Film versucht, zu erzählen, wie es dazu kommen konnte. Und es wäre anmaßend, so zu tun, als könnte man widerstehen.