Bochum. Als Gammler und Tramper erlebte der 75-jährige Bochumer die Hippie-Ära hautnah. Seine aufregende Geschichte soll jetzt Teil einer Doku werden.
Er war Hippie, Gammler und Tagelöhner, trampte durch halb Europa, schuftete bei der Weinernte in Bordeaux und saß mehrere Monate im Allgäu im Knast: Was Siegfried Fontana aus Bochum in 75 Jahren alles erlebt hat, würde mühelos einen dicken Roman füllen – und wird jetzt verfilmt.
Eine dreiteilige Dokumentation beschäftigt sich mit „Fontes“ aufregender Lebensgeschichte, die der Bochumer selbst für gar nicht sonderlich bemerkenswert hält: „Ich habe nur ein bisschen anders gelebt als die meisten Menschen“, meint er schmunzelnd.
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Bochumer Siegfried Fontana hat viel erlebt
Siegfried Fontana dürften viele Bochumer kennen, weil er seit Jahrzehnten als Taxifahrer in der Stadt unterwegs ist. Geboren 1946, besuchte er die ehemalige Volksschule an der Castroper Straße und machte eine Lehre auf Zeche Lothringen in Gerthe, die aber weniger Jahre später geschlossen wurde. „Fonte“ sah seinen Weg ohnehin nicht in einem Normalbürger-Job, sondern wollte vor allem eins: möglichst weit weg!
„Abhauen von zu Hause war damals mein einziges Ziel“, erzählt er. In den späten 1960er-Jahren schloss er sich der Provo-Bewegung in Amsterdam an, trampte daraufhin nach Berlin und München, wo er zum Teil der Gammlerszene an der Leopoldstraße wurde und pflegte das Image des langhaarigen Halbstarken. „Das war eine friedliche Zeit, gar nicht so aggressiv wie heute“, meint er.
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
Als Tagelöhner beim Bau oder auf der Kirmes
Viel Geld zum Leben habe er nicht benötigt: Knapp bei Kasse heuerte er als Tagelöhner bei diversen „Sklavenhändlern“ an, wie er sie nennt, und jobbte auf dem Bau, als Erntehelfer oder als Handlanger auf der Kirmes. Gelegentlich gab es auch Ärger mit dem Gesetz. Fontana verbrachte vier Wochen in der Münchner JVA Stadelheim: „Angeblich, weil ich Haschisch geraucht hatte, aber das stimmte gar nicht“, sagt er.
Dicker kam es später im Allgäu: Weil er verdächtigt wurde, Teil einer Autoknacker-Bande zu sein, saß er fünfeinhalb Monate in U-Haft. „Das war schon heftig“, erinnert er sich. „Dabei war ich nur mit der Tochter des Richters zusammen, der mir wohl eins auswischen wollte.“
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Seit über 40 Jahren mit dem Taxi in Bochum unterwegs
Doch immer wieder zog es ihn zurück in die Heimat: Ende der 1970er Jahre machte er in Bochum den Taxischein. Bis heute ist er hier unterwegs, kennt Mann und Maus. Er engagiert sich für die Soziale Liste und für eine Arbeitsloseninitiative.
Darauf wurden auch die beiden Bochumer Dokumentarfilmer Jens Kretzschmar und Christian Mitzinger von „Filme und Geschichten“ aufmerksam, die Fontanas Leben in einem „biografischen Roadmovie“ Revue passieren lassen wollen. Drei Teile sind geplant, die den Bogen spannen sollen von der Jugendkultur in den 60ern bis heute. Gedreht wird an Originalschauplätzen wie etwa an der Zeche Lothringen.
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Gesucht: Fotos und Filme aus der Nachkriegszeit
„Unser Film soll aber nicht nur Fontes Leben beleuchten, sondern auch die Zeitgeschichte und die politischen Umbrüche in Deutschland und Europa reflektieren“, sagt Kretzschmar. So sind die beiden Filmemacher gerade dabei, neben Fontanas eigenem Bildarchiv viele weitere Quellen anzuzapfen, die später in die Doku mit einfließen sollen: darunter Privatsammlungen und Archive wie etwa das Stadtarchiv und den Gerther Treff.
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
Hier würden sich die beiden Filmemacher sehr über weitere Unterstützung freuen: „Wer Fotos oder Filmaufnahmen aus Bochum der Nachkriegszeit ab etwa 1946 hat, kann sich gern bei uns melden“, sagt der Kameramann Christian Mitzinger. Gesucht werden unter anderem Bilder aus Kneipen oder Straßenszenen, die Fontanas Lebensgeschichte zugeordnet werden können. Der erste Teil der Doku ist bereits fertig und soll beim kommenden „Blicke“-Festival im November im Kino Endstation (Bahnhof Langendreer) gezeigt werden, später gibt es die Filme unter anderem auf Youtube.
Siegfried Fontana selbst ist all die Aufregung um seine Biografie eher ein bisschen unangenehm, aber er beteiligt sich an dem Filmprojekt gern. „Eigentlich haben wir immer nur gegen das Spießerdasein protestiert. Aber das hat ganz schön Spaß gemacht.“
Alle Infos: 0170 2152 938 und kontakt@filmeundgeschichten.de