Berlin. Doris Dörries „Kirschblüten & Dämonen“ ist die Fortsetzung ihres großen Kinoerfolges „Kirschblüten – Hanami“ – und ähnlich sehenswert.
Die Japanerin heißt Yu, und wenn sie sich auf Englisch vorstellt, klingt das wie „I am you“: Ich bin du; diese Doppeldeutigkeit ist sinnbildlich für „Kirschblüten & Dämonen“ (Mittwoch, 4. November, 20.15 Uhr, Arte). Das Drama ist die Fortsetzung zu „Kirschblüten – Hanami“ (2008), einem der besten und wichtigsten Filme von Doris Dörrie.
Hauptfigur der Geschichte ist Karl (Golo Euler), den der Tod seiner Eltern vor zehn Jahren kräftig aus der Bahn geworfen hat. Der Alkohol hat ihm alles genommen, seine kleine Tochter darf er nur noch unter Aufsicht treffen; viele Bilder wirken tatsächlich wie ein verfilmtes Delirium. Dank der speziellen Bildgestaltung von Kameramann Hanno Lentz, mit dem Dörrie seit „Kirschblüten“ fast alle ihre Spielfilme gedreht hat, bleibt die Geschichte stets in der Schwebe. Als Karl schließlich im Koma liegt, stellt sich sogar die Frage, ob die Ereignisse nicht bloß ein Hirngespinst waren.
„Kirschblüten & Dämonen“ bedient auch Grusel-Fans
Die Handlung beginnt, als Karl kaum noch tiefer sinken kann und betrunken in eine Geburtstagsfeier seiner Tochter platzt. Kurz darauf steht Yu (Aya Irizuki) vor seiner Tür, die junge Japanerin, die sich um seinen Vater Rudi gekümmert hat, als der damals den Traum seiner verstorbenen Frau Trudi erfüllt hat und nach Tokio gereist ist.
Yu möchte Rudis Grab besuchen und will wissen, wie er und Trudi gelebt haben. Also fährt Karl mit ihr ins Allgäu zum verwaisten Elternhaus und stellt sich auf diese Weise unfreiwillig seiner Vergangenheit, die ihn immer noch im Griff hat, wie die nächtlichen Begegnungen mit den Eltern (Hannelore Elsner, Elmar Wepper) nahelegen.
Das sparsame Licht und die Kameraführung sorgen dafür, dass sich die familiäre Enge fast klaustrophobisch vermittelt. Die Schatten der Vergangenheit manifestieren sich in einer diffusen finsteren Gestalt, die stellenweise recht gruselig wirkt.
Doris Dörrie holte sich Inspiration in Asien
Auch wenn der Film nicht ganz die Qualität von „Kirschblüten – Hanami“ erreicht, weil die Geschichte von Trudi und Rudi auch dank der famosen Leistungen von Hannelore Elsner und Elmar Wepper letztlich berührender war: Das Drama ist erneut ein großes Werk von Doris Dörrie, die mit Filmen wie „Männer“ (1985) oder „Keiner liebt mich“ (1994) und der TV-Serie „Klimawechsel“ (2010) seit 35 Jahren zu den wichtigsten deutschen Regiekräften zählt.
Die Kenntnis von „Kirschblüten – Hanami“ ist keine Voraussetzung, um der Fortsetzung folgen zu können, aber natürlich erschließt sich erst dann der ganze Reiz von „Kirschblüten & Dämonen“: Weil die nun aus Karls Perspektive gezeigten Eltern völlig andere Seiten offenbaren.
Dörrie bezeichnet die „tieftraurige Komödie“ als asiatisch inspirierte Gespenstergeschichte, und das sicher nicht nur wegen der diversen Anspielungen auf einige Klassiker des japanischen Kinos. Was sie damit meint, offenbart sich spätestens in einer geisterhaften Familienaufstellung; sie verdeutlicht, welchen Stellenwert die Vergangenheit auch über mehrere Generationen hinweg noch hat. Auch deshalb ist die Rolle von Yu als Katalysator der Geschichte so wichtig. Die japanische Kultur pflegt einen ungleich entspannteren Umgang mit den Schattenwesen: Dämonen wird erst mal ein Tee angeboten.
• Mittwoch, 4. November, 20.15 Uhr, Arte: „Kirschblüten & Dämonen“