Essen. Die Krimi-Reihe „Tatort“ feiert 50-jähriges Jubiläum. Sie ist nicht wegzudenken aus dem TV-Programm. Doch manches sollte man lieber vergessen.

Was fällt einem ein beim Thema „Tatort“? Vermutlich „Schimanski“, „Reifeprüfung“ oder „kiffender Kommissars-Papa in Münster“… Die Krimi-Reihe Tatort hat sich Kult-Charakter erworben. Bei weit über 1000 gesendeten Folgen in inzwischen 50 Jahren kein Wunder.

Doch im allgemeinen Jubel wird ausgeblendet, dass mancher „Tatort“ unterirdisch war und es vermutlich gut ist, wenn manche der Folgen oder Ermittler in der Versenkung verschwunden sind oder gerne verschwinden könnten. Bei allem begründeten Lob für das wohl letzte verbliebene ‘Lagerfeuer’ des deutschen Fernsehens, es gibt auch Schatten. Ein paar ganz subjektive Eindrücke:

Die schlimmste Tatort-Stadt: Düsseldorf

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Als gebürtiger Düsseldorfer fällt es mir leicht, mit der eigenen Stadt zu beginnen: Als Horst Schimanski mit dem Drachen entschwand, war Duisburg „Tatort“-mäßig durch und Düsseldorf - NRWs Landeshauptstadt - sollte endlich zu Tatort-Ehren kommen. Doch wo Dominik Graf 1988 - übrigens mit Götz George als Bösewicht - mit dem Geiselnahme-Bankraub-Krimi „Die Katze“ der Stadt ins Kino verhalf (Hotel Nikko…), führte der „Tatort“ die Stadt Düsseldorf als ein Provinz- und Klischee-Nest vor. Die erste Folge spielte gleich im Karneval, eine spätere in der Kunstakademie. Die lokale Presse murrte letztlich auch deshalb, weil Außenaufnahmen erkennbar in München gedreht worden waren und in einer der Folgen einer der Akteure von seinem „Kiez“ sprach - kein Ausdruck, den man im Rheinischen verwendet…

Berlin ist nicht London

Weiß das noch wer? Heinz Drache ermittelte als Kommissar Bülow in Berlin. Drei Jahre lang, keine der Folgen dürfte sich in Erinnerung gehalten haben. Drache kannte man aus früheren „Straßenfeger“-Krimis von Edgar Wallace und Francis Durbridge . Aber Berlin war nie London und der Kommissar Bülow ein Ermittler in Anzug und Krawatte, angesiedelt zwischen Erik Ode und Stephan Derrick - zwar nicht schwarz-weiß, aber laaaangweilig!

Später wurde es kaum besser. Auch wenn DDR-Legende Winfried Glatzeder mal für ein paar Folgen den Kommissar Ernst Roiter gab, dessen Nachname vom SFB damals an den früheren Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter angelehnt war - mit „eu“. Gedreht wurde billig auf Video. Das Ergebnis war meist nicht nur farblich flau. Zum Abschalten!

Schimanski - auch nicht alles Gold!

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Folge 1, „Duisburg Ruhrort“ : In einer Szene bindet sich Schimanski die Schuhe zu und dahinter ist eine Fotoapparat-Werbung mit Hansjörg Felmy zu sehen: Der Übergang von Essen nach Duisburg war ein Bruch; „Scheiße“-Kraftmeier Schimanski folgte auf Frikadellen-Connaisseur Heinz Haferkamp . Es ging ins Milieu, es ging in die dreckigen Ecken des Duisburger Hafens, es ging um Rocker, Prostituierte und das Proletariat - doch manche der 29 Folgen waren reichlich überdreht, es ging mehr um den Ermittler als um den Plot. Im Nachhinein waren sie sowas von „80er“, dass Götz Georges Abgang per Flugdrachen 1991 nur konsequent war - und gut!

Lange heißt auch lange genug!

Bei den Ermittlerinnen hätte der damalige Südwestfunk Kommissarin Hanne Wiegand (Karin Anselm) gerne länger im Dienst lassen können - als einfühlsame Frau mit Köpfchen. Doch es sollte „Action“ her! 1989 rückte Lena Odenthal nach. Nichts gegen Schauspielerin Ulrike Folkerts , aber nach inzwischen über 70 SWR-Tatorten scheint die Rolle der Power-Frau-Ermittlerin ausgereizt. Was, die letzten Folgen waren spannend? Echt? Ich hab nicht mehr eingeschaltet...

Immer diese Würstchenbude...

Apropos: Köln ist da leider auch so ein Fall. Gibts die Würstchenbude mit Dom-Blick noch? Muss es sie noch geben? Ich lag vor Jahren mal als Statist in einer Folge auf dem Seziertisch des Pathologen. Die Ermittler Schenk und Ballauf wirkten damals schon der Routine ergeben. Ihr Start war ambitioniert, plötzlich wurde der Tatort politisch und engagiert („Manila“ oder „Bildersturm“, beide 1998). Doch den Kölner Tatort hält der verantwortliche WDR vermutlich nur deshalb aufrecht, weil kostengünstig vor Ort gedreht wird (sogar der Münster-Tatort spielt bei vielen Außenaufnahmen in Köln) - und weil Düsseldorf als „Tatort“-Stadt für immer versch… hat. Aber halt: 2019 war zu lesen, dass sich Wuppertal als „Tatort“-Stadt beworben hat . Ermittler fahren mit der Schwebebahn (vorausgesetzt, sie ermitteln am Wochenende…). Na, wenn das nichts ist!

Murot? Bitte mehr!

Die Liste misslungener Tatorte könnte sicher länger sein. Weil mancher „Tatort“ als Krimi zu vorhersehbar, zu wirr oder zu klischeehaft war oder ist. Seit das „Tatort-Twittern“ Mode geworden ist, erfolgen Verrisse üblicherweise noch während des Films, oft nur Minuten nach Ende des Vorspanns. Doch nicht alles, was dabei mit Häme übergossen wird, hat das verdient. Der Abstand zeigt genauer, was Bestand hat und was nicht. Schön ist da, wenn der „Tatort“ auch mal Experiment ist und das Schräge nicht Marotte wird ( Münster -Tatort!). Deswegen sei der Hessische Rundfunk mit seinem LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) hier auch erwähnt: Macht bitte weiter so!