Köln. Sieben Ermittler, ein Ministerpräsident, kein Drehbuch. So funktioniert der Impro-Tatort am 1. Januar.
Sieben Ermittler, ein Ministerpräsident, kein Drehbuch. Das Erste startet mit einem Tatort ins neuen Jahr, wie es ihn noch nie gab in den 50 Jahren der Krimireihe. Aber funktioniert „Das Team“ auch?
Vier tote Kommissare aus verschiedenen Dienststellen in sechs Monaten. Gequält, gefoltert, ermordet. Und keine Spur von dem Täter. Die Lage ist also ernst. So ernst, dass Ministerpräsident Armin Laschet gleich zu Beginn vorgefahren wird und die Ermittler einschwört auf den Fall. Er macht das, wie er es auch im echten Leben wohl machen würde, für den Film selbst aber ist dieser Auftritt so nötig wie ein Heizer auf der E-Lok.
Ohnehin müssen schon genügend Hände geschüttelt werden. Sieben Ermittlerinnen und Ermittler aus verschiedenen Städten sind unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in ein leerstehendes Tagungshotel gebracht worden. So unterschiedlich sie auch sind, eines haben sie gemeinsam: Alle standen mit den bisherigen Opfern in Verbindung.
Dreharbeiten in einem leerstehenden Hotel dauerten nur zwei Tage
Einige kennt man als regelmäßiger Tatort-Zuschauer. Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) sind aus dem Ruhrgebiet angereist, Thiel-Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) aus Münster. Die anderen sind neu im Tatort-Kosmos und haben aber wohl nur einen einmaligen Auftritt.
Da ist Kommissar Rettenbach (Ben Becker) aus Oberhausen, psychisch angeschlagen, physisch krank, kettenrauchend und immer kurz vor dem Zusammenbruch. Oder der stets Kaugummi kauende Kommissar Mitschowski (Nicholas Ofczarek ) aus Aachen – arrogant, desillusioniert und mit allen Wassern gewaschen. Ostwestfalen wird vom Paderborner Ermittler Sascha Ziesing (Friedrich Mücke) vertreten, aus Düsseldorf kommt Kommissarin Möller (Elena Uhlig).
Zwei Coaches sollen das Team formen
Dazu gesellen sich die Brüder Christoph (Charly Hübner) und Martin (Bjarne Mädel) Scholz, zwei renommierte Coaches für Krisensituationen, deren Aufgabe es zunächst zu sein scheint, aus den sieben Individuen ein Team zu formen.
Schnell stellt sich heraus, dass es den beiden weniger um Teambildung geht, sondern dass sie den Täter offenbar in den Reihen der Ermittler vermuten und ihn aus der Reserve locken sollen. Dazu veranstalten sie bis weit in die zweite Hälfte des Films hinein Rollenspiele, die die Fahnder im TV ebenso ratlos zurücklassen wie den Zuschauer vor dem Bildschirm.
Dreharbeiten dauerten nur zwei Tage
Ein Drehbuch für den in nur zwei Tagen mit über 30 Kameras gedrehten und lediglich in insgesamt fünf Räumen spielenden Tatort gab es nicht. Alle Schauspieler kannten lediglich ihre Rollenprofile. Es ist ein Konzept, mit dem Tatort-Regie-Debütant Jan Georg Schütte bei Filmen wie „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“, „Wellness für Paare“ oder „Klassentreffen“ große Erfolge gefeiert hat.
Dortmunder Team ermittelt wieder im Februar
Die Dortmunder Ermittler kehren schon in Kürze auf den Bildschirm zurück.
„Monster“ heißt am 2. Februar der 15. Fall für das Team aus der Ruhrgebietsstadt. Und er scheint gleich zu Beginn bereits aufgeklärt, denn als die Polizei den Tatort erreicht, sitzt die junge Mörderin direkt neben dem Opfer.
Bei den Ermittlungen stoßen Faber und sein Team auf ein abgründiges Netzwerk, in dem Kinder wie Waren gehandelt werden. Kontakte dazu unterhielt offenbar auch Markus Graf (Florian Bartholomäi), der vermeintliche Mörder von Kommissar Fabers Familie.
Doch das war alles leichte Kost, mit notfalls offenem Ausgang. Hier aber gilt es einen Fall zu klären, einen Mörder zu fangen. Außerdem gibt es Figuren – Faber, Bönisch, Krusenstern – die schon eine Biografie haben, etwas das der Film berücksichtigen muss. Das macht die Sache nicht einfacher und so stößt das improvisierte Spiel bald an seine Grenzen – dem hochkarätigen und wunderbar aufspielendem Ensemble zum Trotz.
Eher Kammerspiel als Krimi
Das Team ist eher Kammerspiel als Krimi. Noch dazu eines, bei dem man als Zuschauer nicht mitraten kann, weil der Mörder nicht durch Indizien gefunden wird, sondern durch Intuition. Und auf dem Weg dorthin – so viel sei verraten – gibt es ein Ereignis, das einen der deutschen Tatorte auf Dauer verändert.
Der WDR hat „Das Team“ als Experiment im Rahmen des Jubiläumsjahres des Tatorts bezeichnet. Man muss den Sender loben, dass er so etwas wagt. Aber man muss ihn auch fragen, warum er dieses völlig ungewöhnliche Format ausgerechnet am 1. Januar ausstrahlt. An einem Abend, an dem die meisten Deutschen müde und vom Feiern gezeichnet auf dem Sofa sitzen.
Wer einen klassischen Tatort erwartet – und das tun die meisten – dürfte bald umschalten und bei Kapitän Silbereisen auf dem Traumschiff einchecken. Aber selbst wer offen ist für Neues und guten Schauspielern gerne bei der Arbeit zusieht, muss am Ende zugeben: Krimi ohne Drehbuch – das funktioniert nicht. Das Tatortjahr 2020, es wird mit einem Aufschrei beginnen.