Köln. Der Kölner „Tatort“-Ermittler Ballauf erschoss vor einem Jahr eine Kollegin. Das Trauma verfolgt ihn im neuen Tatort „Gefangen“. Und der ist gut.
Max Ballauf feuert sein Magazin im Stakkato leer, die Augen weit aufgerissen, es knallt im Sekundentakt am Schießstand. Doch die Frau, die neben ihm steht, sagt regungslos: „So funktioniert das nicht, ich bin schon tot.“ Die Gespenster der Vergangenheit suchen den Kölner Kommissar heim, die Kollegin, die er in der Tatort-Folge „Kaputt“ im vergangenen Juni erschießen musste, spukt in ihm herum. Und so rückt Isa Prahls Krimidrama „Gefangen“ dem Ermittler ganz nahe. Es verleiht dem Kölner Tatort eine Intensität, wie er sie lange nicht hatte.
Die Wurstbraterei taugt nicht mehr als Oase
Einsam zieht Ballauf seine Bahnen im Schwimmbad, die Gedankenflucht gelingt indes nicht. Selbst die
ikonographische Wurstbraterei taugt nicht mehr als Oase, Ballauf schüttet das Kölsch kommentarlos runter. Er hört nicht hin, wenn sein Buddy Freddy Schenk (Dietmar Bär) mit ihm redet, er starrt ins Leere. Moritz Antons Kamera isoliert ihn oder rückt ihm so nah ans Gesicht, dass die Furchen im Gesicht zu Tälern werden: Ballauf sieht zum ersten Mal richtig alt aus, und Klaus J. Behrendt hat ihn nie reifer und trauriger angelegt als in diesem Film. Eine starke Vorstellung.
Hilfe findet Ballauf in der Psychiatrie
ine Wesensverwandte findet Ballauf ausgerechnet in der geschlossenen Psychiatrie, deren Chefarzt ermordet wurde. Dass sie den verschlossenen Polizisten durchschaut und im Grunde therapiert, wirkt in Christoph Wortbergs ansonsten schlüssigem Drehbuch ein bisschen gewollt. Es führt aber zu eindringlichen Momenten zwischen den beiden, die nur einmal von der unverzeihlich platten Bemerkung „Wir sitzen beide im Gefängnis, ich in der Klinik, Sie im Kopf“ unterbrochen wird. Dietmar Bärs Schenk fristet da überwiegend nur ein Statistendasein.
Schizophren durch eine ungewollte Schwangerschaft
Julia Frey (Frida-Lovisa Hamann) behauptet, gegen ihren Willen eingesperrt zu sein, die Ärzte beteuern, sie
sei eine Borderlinerin, jederzeit suizidgefährdet und durch eine ungewollte Schwangerschaft obendrein schizophren. Das kleine Kind lebt bei der Schwester (Franziska Junge), der Schwager wiederum (Andreas Döhler), ein Rechtsanwalt, war mit dem Getöteten lose befreundet. Das familiäre Geflecht, man ahnt es trotz einiger Finten einen Tick zu früh, wird zum Schlüssel für den teuflischen Fall.
Ein schweres Schulddrama ohne Effekthascherei
Isa Prahl lädt die Geschichte mit Hilfe eines glänzenden Ensembles zum schweren Schulddrama auf, ohne die Spannung zu vernachlässigen, die der Krimikunde vom „Tatort“ erwartet. Ohne Effekthascherei inszeniert sie mit einer Ruhe, die dem Film Kraft verleiht.
Der Blick ins Innenleben einer geschlossenen Psychiatrie mit ihren Patienten gelingt nicht völlig klischeefrei. Und doch gibt es auch hier starke Momente, die das zuweilen Kafkaeske der Situation beleuchten: „Indem ich meine Krankheit leugne, bestätige ich sie“ ist so ein Satz.
Volker Bertelmanns Musik unterstreicht die beklemmende Atmosphäre mit 40 vibrierenden Cellos, so dass sich für Augenblicke sogar zarter Grusel entfaltet. Was ja nicht das Schlechteste ist.