Essen. Als die Deutschen Schauer lernten. Eine üppige DVD-Edition erinnert an die legendären Durbridge-Filme. Es begann mit Halstuch und Tim Frazer. Boxkämpfe wurden wegen Frazer verlegt und Deutsche haben seinetwegen ihre Kinder Tim genannt. Doch bis in die 1980er stiefelten deutsche Mimen durch

Es gab Tage, da kam der Schrecken scheibchenweise und er war so british, dass Uschi Glas selbstredend zu Judy Black (eine schöne Tänzerin!) wurde und all die anderen deutschen Garde-Mimen die reinste Tweed-Modenschau boten. Es war die große Zeit des Francis Durbridge.

Und weil die Deutschen alles besser können, haben sie den Großmeister des mehrteiligen Rätselkrimis viel mehr zur Kultfigur gemacht als die Briten. Wir erinnern uns: Wegen des „Halstuchs” (1962) versiegte Kneipiers ohne Fernseher der Zapfhahn, und wenn später Tim Frazer ermittelte (den die Deutschen damals noch Frattzzer aussprachen), wäre ein Federball-Turnier auf einer Verkehrskreuzung ein Kinderspiel gewesen. Boxkämpfe wurden wegen Frazer verlegt und Deutsche haben seinetwegen ihre Kinder Tim genannt.

Die filmischen Pioniertaten dieser unter dem erklärlichen Namen „Straßenfeger” bekannt gewordenen Kriminal-Mehrteiler hat es in Einzel-Editionen für Sammler schon gegeben. Jetzt, zum Fest, holt „Studio Hamburg” zum ganz großen Schlag aus – und legt „Francis Durbridge – Alle deutschen Verfilmungen 1959-1988” vor.

3000 Minuten Krimis

Das ist ein Pfund! Besser gesagt sind es bald drei, bestehend aus 3000 Minuten, 18 Filmen, 24 DVDs. Das Wiedersehen ist vertraut und exotisch zugleich. Vertraut, weil sich Ältere der guten alten Zeit erinnern, als ein so genannter Cliffhanger (also die letzte Szene eines Serienteils) atemberaubend damit endete, dass jemand seinen Namen sagte (Deutschland stöhnte erregt auf), ein Gedichtbändchen in den Händen eines Toten lag (huch!) oder jemand verriet, dass Mister Denston in Henton ist (Ach so!).

Exotisch ist die Durbridge-Besichtigung, weil die Jüngeren, deren Puls nach „24” geht, staunen, wie das bei allem Verbrechen doch fast gemütliche Erzähltempo eine Nation einst hat an die Glotze ketten können – es gab Durbridges mit einer Einschaltquote von 90 Prozent. Auch werden sie schmunzeln über Kordeltelefone und Landhaus-Ausstattungen, über schummrige Bars, verwunschene Cottages, Internate und Themse-Ufer – ein echt deutsches England eben, in dem sich noch bis in die späten 1980er Michael Degen und Iris Berben, Armin Mueller-Stahl und Barbara Rudnick, Horst Frank und Judy Winter die Ehre gaben.

Die wuchtige Box

Die wuchtige Box (mit ca. 150 € eher eine Liebhaber-Edition) setzt auf Klassiker, aber wie jeder anständige Thriller hat sie auch ein paar Unbekannte in der Gleichung. Durbridges zunächst als Kinofilm produzierter „Picadilly um null Uhr zwölf” mit Klaus Kinski galt als verschollen – hier ist er wiederzuentdecken.

All das kommt als charmant vertrauter Schauer daher, gar nicht fies versplattert und schon für Kinder ab zwölf erlaubt. Womit wir Durbridge ziemlich nahe sein dürften: „Ich fahre einen schnellen Wagen, einen Jaguar, aber ich fahre immer ganz langsam. Ich kann kein Blut sehen.”

Francis Durbridge – alle deutschen Verfilmungen. 24 CD-Box erschienen bei Alive / Studio Hamburg