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Die Debatte um die Regeln im Internet ist längst überfällig. Dieser Ansicht ist Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe. In seinem Essay äußert er sich zur Zukunft des Journalismus im World Wide Web.

Endlich geht sie los - die längst überfällige Diskussion darüber, nach welchen Regeln im Internet gespielt werden soll, wer sie aufstellt und wer sie umsetzt. Und es stellt sich auch die Frage neu, wie professionelle journalistische Leistung im Netz finanzierbar bleibt.

Piraten haben sich schon formiert. Nichts dagegen. Da hat man wenigstens engagierte Gesprächspartner. Die Handelsflotte will sich auch aufstellen.

In der letzten Woche wurde eine längst überfällige medienpolitische Debatte angestoßen. Nach welchen Regeln wird im Internet gespielt? Wie kommen diese zustande, wie werden sie abgesichert und durchgesetzt? Wird professionelle journalistische Leistung refinanzierbar und damit erhalten bzw. entwickelt? Der „Expertenrat“, nur auf Werbung zu setzen, trifft das Ethos und die systemrelevante Funktion des kritischen Journalismus im Mark. Das kann nicht das letzte Wort bleiben. Es darf nicht zu einer Frontstellung neue gegen alte Medien kommen. Es geht auch um eine gute Zukunft des Internets.

Ein Treffer mitten ins Schwarze

Die Reaktionen auf die von Herrn Dr. Döpfner und aus anderem Blickwinkel vom Spiegel angestoßene Debatte zeigen, das waren Treffer – mitten ins Schwarze.

Der Spiegel schrieb auf, was wirklich ist. Mit kühler Distanz, differenziert und analytisch legte er die Puzzle-Steine der neuen Medienwelt auf den Tisch. Herr Dr. Döpfner will sich nicht damit abfinden, dass Printmedien dauerhaft den Online-Journalismus subventionieren.

Die Gegner zogen geschwind alle Register: Die Neider: „Nichts Neues“, die Nörgler: „Das Konzept fehlt“, die Skeptiker: „Wird wieder nichts“, die Besserwisser: „Gut gemeint, aber chancenlos“, die Schlauen: „So nicht“, die Experten: „Ich habe viel früher schon gesagt…“ waren diesmal besonders eifrig. Für mich beweist das: die Zeit ist reif. Wir dürfen diese wichtigen Initiativen nicht verquatschen lassen. Wer eine gute Zukunft für das Internet will, muss sich den ökonomischen Fragen stellen. Dabei geht es nicht um Kommerzialisierung der neuen Frei- und Freiheitsräume, die das Internet bietet. Die zu verteidigen, gehört in eine weltweite Übereinkunft. Sie sind eine der großen Errungenschaften unserer Zeit. Aber noch kämpfen Chancen und Risiken mit offenem Ausgang.

Fairer Lohn - auch im Netz

So wie der Journalismus lernte, sich professionell und ethisch aufzurüsten, so wird im Internet Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit im Informationsangebot an einigen Stellen bewahrt, aber oft erst realisiert werden müssen. Da das Menschenwerk bleiben wird, verlangt es auch fairen Lohn. Wie die Printmedien ihn bezahlen. Für die, die ihr Brot nur im Netz verdienen, muss es natürlich auch auskömmlich sein.

Alles hat seine Zeit. Das Leben bestraft Verspätung, die kollektive Bewusstseinslage die zu Frühen. Aber Gott sei Dank finden sich immer welche, die die Zäsuren erkennen, wenn andere noch glauben, die Zukunft sei einfach Fortschreibung des Vergangenen und Gegenwärtigen. Die Kostenlos-Gewohnheiten im Internet gelten als unwandelbar. Bei vielen, die uns das einreden wollen, ist das mehr Appell statt Interpretation. „Zu spät, der Zug ist abgefahren“, „Leider nicht mehr machbar“, „Das geht aber nicht“, „Das haben wir noch nie gemacht“, „Wo kommen wir hin, wenn das alle machen?“. Der zur Verfügung stehende Wortschatz der Bedenkenträger aller Zeiten und Kulturkreise ist sich ähnlich. Neuerdings kommt der Ruf: „Wo ist das Businessmodell?“ hinzu.

Dabei ist die Erkenntnis, dass Internet-Journalismus verkommen wird, wenn Professionalität und geistige Leistung nicht refinanzierbar werden, unabweisbar. Diese Selbstverständlichkeit kann mit der Frage: „Wo ist Ihr Businessmodell?“ nicht vom Tisch gefegt werden. Die Frage kann und darf nicht der Schlusspunkt, sondern muss der Anfang der Diskussion sein. Und der Anfang der Erprobung mutiger neuer Geschäftsmodelle.

Die gemeinsame Problemsicht, das gemeinsame Drängen auf Abhilfe ist ein notwendiger erster Schritt. Aber nicht Verlage können hier Businesspläne abstimmen, sonst reden die für Geschäftsverhinderung berühmten deutschen Kartellbeamten mit.

Die Inititiativen müssen von den Handelnden kommen

Die Verbände müssen diese Debatte medienpolitisch und sehr grundsätzlich aufziehen. Der in dieser Frage besonders aktive und informierte Verleger Hubert Burda hat die Internet-Trends aufmerksam verfolgt. Er könnte den VDZ in dieser Debatte anführen, wie er es in anderen Fällen schon erfolgreich praktiziert hat. Eins ist klar, Einzelinitiativen werden scheitern. In der Gemeinsamkeit liegt die einzige Erfolgschance.

Das Regelwerk im Internet kann nur in Teilbereichen Thema des Gesetzgebers – am Besten des europäischen – sein. Die sog. Medienpolitik – liebevolles Tummelfeld von Parteien – ist längst zum Witz geworden, vergleicht man die Hingabe, mit der sie bislang debattiert und fleißig geregelt hat, mit der gegenwärtigen Sprach- und Tatenlosigkeit, da es um das Internet, seine Inhalte und vor allem seine Wirkungen geht. Da wo die Parteien sich in Medien einmischen, gibt es nur wenig gelungene Beispiele. Deshalb auch hier: Die Initiativen müssen aus den Medien und aus dem Netz selber kommen. Umso mehr, da es nicht um die Ökonomisierung des weltweiten Netzes geht, sondern um Qualitätssicherung. Es geht auch um die Refinanzierung professioneller journalistischer Leistung.

Das wird man auch mit Piraten besprechen können. Ohne unabhängigen, glaubwürdigen, investigativen Journalismus, der enthüllen kann, und was Mächtige nicht enthüllt sehen wollen, kann unsere Demokratie nicht funktionieren. Weder ausschließlich werbefinanzierter Journalismus noch Laienjournalismus kann das sicherstellen. Selbst die sog. Laien hatten früher häufig den Status freier Mitarbeiter in den Medien. Sie bekamen für ihre Leistung Entlohnung. Einige sind heute noch Quelle für recherchierende Profis – ohne Entgelt. Auch kein wirklicher Fortschritt.

Die auf Debatten und Lösungen Drängenden haben gute Argumente. Die Zeit ist reif, der Problemdruck groß und die Analyse wird zunehmend konsensual. Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir das Thema endlich nachhaltig angehen?