Washington. Die Zeitungsbranche steckt seit Jahren in der Krise. Immer mehr Leser und Anzeigenkunden wandern ins Internet ab. US-Zeitungen gehen reihenweise in Konkurs. Die Branche hofft auf neue E-Lesegeräte. Auf dem Display können Abonnenten gegen Gebühr ihre Zeitung im PDF-Format abrufen.
Noch sitzen Millionen Leser gemütlich mit der Zeitung beim Frühstück. Die Seiten rascheln beim Umblättern, Spuren von Druckerschwärze bleiben an den Fingern haften. Das Morgenritual hat sich über lange Zeit eingespielt - und es könnte bald der Vergangenheit angehören. Denn der Zeitungsmarkt steht vor dem Umbruch, das Beben geht von den USA aus. Die Abwanderung von Lesern und Anzeigenkunden ins kostenlose Internet lässt US-Zeitungen reihenweise in Konkurs gehen, die Branche sucht unter zunehmender Existenznot nach einem Geschäftsmodell für die Zukunft.
Zeitungen wie die «New York Times» und die «Washington Post» hoffen, dass diese Zukunft in Gestalt des 25 Zentimeter hohen und neun Millimeter dicken elektronischen Presse-Lesegeräts Kindle DX kommt, das der Internet-Händler Amazon am Mittwoch gemeinsam mit den beiden Traditionsblättern vorstellte. Auf dem Display, das in etwa Din-A-4-Format hat, sollen Abonnenten gegen Gebühr ihre Zeitung im PDF-Format abrufen können. In einem Modellversuch sollen Abonnenten das etwa 370 Euro teure Gerät verbilligt erhalten. Der Kindle DX soll außerdem bis zu 3500 Bücher speichern können.
Traditionsreiche Tageszeitungen gehen kaputt
Arthur Sulzberger, der Herausgeber der «New York Times», wertete das Projekt als Versuch, die Leser auf «neuen Wegen» zu erreichen. Sulzbergers Zeitung steht beispielhaft für die Krise, die das US-Zeitungswesen erfasst hat. Sein Blatt ist das renommierteste in den USA, und doch sind die Werbeeinnahmen im ersten Quartal 2009 um 28 Prozent gesunken, der Verlust lag bei 74,5 Millionen Dollar. Um ihr Überleben zu sichern, musste die «New York Times» eine Hypothek auf ihr neues Hochhaus in Manhattan aufnehmen.
Die Auflage der 395 großen US-Tageszeitungen sank im ersten Quartal um 7,1 Prozent auf werktäglich 34,4 Millionen. Die Krisenmeldungen in eigener Sache häufen sich: Traditionsreiche Tageszeitungen in Denver und Seattle haben ihr Erscheinen eingestellt. Zeitungen in Chicago, Philadelphia und Minneapolis und vielen anderen Städten befinden sich im Konkursverfahren. Beide Tageszeitungen in Detroit werden den Lesern seit März nur noch an drei Tagen in der Woche nach Hause zugestellt. Die 100 Jahre alte Zeitung «Christian Science Monitor» aus Boston wird nur noch im Netz veröffentlicht.
Branche im freien Fall
Das Medienforschungszentrum Pew in Washington sieht die US-Zeitungsbranche derzeit «in einem Zustand, der dem des freien Falls gefährlich nahe ist». Der demokratische Senator Ben Cardin brachte im Kongress einen Gesetzentwurf ein, der Zeitungen wegen ihrer Rolle bei der demokratischen Meinungsbildung für gemeinnützig erklären und damit von der Steuer befreien soll. Experten sehen die Zukunft vieler Zeitungen in den USA freilich erst dann gesichert, wenn die Kernfrage gelöst ist: Wie können die Kaufblätter gegen die kostenlose Info-Konkurrenz im Internet bestehen?
Der Medienanalyst Rick Edmonds vom Poynter Institute in Florida ist skeptisch: «Wir haben diese große Debatte über die Frage, ob die Leute für Informationen im Internet zahlen wollen, und die bisherigen Erfahrungen deuten auf eine klare Antwort hin: Nein.» Die 146 Jahre alte Seattler Tageszeitung «Post-Intelligencer» etwa entließ 130 ihrer 150 Redakteure und erscheint seit März nur noch im Internet. Die monatlichen Zugriffszahlen sanken von 1,8 Millionen im Januar auf 1,4 Millionen im März.
Kosten für Zustellung und Material sparen
Durch neue Formate wie etwa den Zeitungs-Kindle von Amazon hoffen die Verlage, wenigstens Kosten für Zustellung und Material zu sparen. Viele in der Branche zweifeln am Erfolg: «Die Vorstellung, dass sich die Leute nun um diese Riesen-Kindles reißen, nur um dann für Zeitungsinhalte Geld zahlen zu dürfen, ist absurd», urteilt etwa der Technologie-Blog TechCrunch aus dem Silicon Valley. Die Experten vom Washingtoner Pew-Institut sehen es ähnlich: Zwar würden US-Zeitungen in abgespeckter Form eine Zukunft haben, schreiben sie in ihrem Jahresbericht 2009. «Doch sind die neuen Medien weit davon entfernt, die Verluste im traditionellen Zeitungsgeschäft auszugleichen.» (afp)