Essen. 15 prominente Journalisten aus der Netzwelt haben am Montag ein "Internet-Manifest" veröffentlicht. In 17 Thesen erklären sie dem geneigten Publikum, "wie Journalismus heute funktioniert".
Es sieht erstaunlich stark nach Print aus, das Internet-Manifest, das 15 Journalisten heute online veröffentlicht haben: 17 fette Thesen, darunter jeweils ein paar Sätze zur Erläuterung. Doch es soll nichts weniger sein als die Erklärung, „wie Journalismus heute funktioniert“.
Bahnbrechend neu ist keine der „17 Behauptungen“, so konzentriert sind sie aber wohl auch noch nicht zusammengefasst worden: „Das Internet ist anders“, heißt die erste, es schaffe „andere Öffentlichkeiten“. Damit verbinden die Journalisten diese Forderung: „Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen.“
"Die Freiheit des Internet ist unantastbar"
Nach den Zensur-Debatten über den Umgang mit Kinderpornographie im Internet und die Petition gegen die Änderung des Telemediengesetzes fehlt selbstverständlich auch diese These nicht: „Die Freiheit des Internet ist unantastbar“ – denn Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährdeten „den freien Austausch von Informationen“ und beschädigten das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.“
Behauptung Nummer sieben: „Das Netz verlangt Vernetzung“. Links seien Verbindungen, „wir kennen uns durch Links“, schreiben die Unterzeichner Markus Beckendahl, Mercedes Bunz, Julius Endert, Johnny Haeusler, Thomas Knüwer, Sascha Lobo, Robin Meyer-Lucht, Wolfgang Michal, Stefan Niggemeier, Kathrin Passig, Janko Röttgers, Peter Schink, Mario Sixtus, Peter Stawowy und Fiete Stegers – und verlinken natürlich auf ihre Seiten.
Denkanstöße in die Debatte bringen
Mario Sixtus, Videojournalist, Erfinder des „Elektrischen Reporters“ und Grimmepreisträger, betonte im Gespräch mit DerWesten, dass es den Initiatoren des Manifestes vor allem darum geht, Denkanstöße in die Debatte um die Zukunft des Journalismus zu bringen. Von Vertretern aus Verlegerkreisen werde die Diskussion ihrer Meinung nach allzu rückwärtsgewandt geführt. Die Geschäftmodelle „von anno dunnemals“ funktionierten aber in Zeiten des Internets nicht mehr. „In den meisten Beiträgen geht es vor allem darum, das Bestehende zu erhalten.“
Auch Politiker wie jüngst SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier stießen vornehmlich in diese Richtung – etwa wenn über marktwirtschaftliche Schutzwälle für Printprodukte nachgedacht wird. Das reiche als Lösungsansatz keinesfalls aus, so Sixtus. Die Initiatioren des Internet-Manifestes wollen mit ihrem Vorstoß vor allem deutlich machen, dass sich die journalistische Arbeit grundsätzlich ändern muss, weil sich die medialen Grundbedingungen durch das Internet fundamental geändert haben. Dies nur als Bedrohung zu sehen, greife bei weitem zu kurz.
So viele Möglichkeiten noch nicht ausprobiert
Sixtus sieht in dem Mainfest daher vor allem auch einen Aufruf für Experimente: „Das schließt etwa Modelle für Paid Content überhaupt nicht aus.“ Im Gegenteil. „Wir haben so viele Möglichkeiten, die noch nicht ausprobiert wurden – da ist ganz viel Raum für neue Lösungen.“ Was allerdings langfristig gar nicht gehe, seien reine Sparansätze – da bleibe die Qualität auf der Strecke und damit das Produkt.
Im Netz stieß die Veröffentlichung auf so große Interesse, dass die Adresse http://internet-manifest.de/ zeitweise nicht zu erreichen war. „Der ,Internet-Manifest'-Server ist überlastet, aber in 2 Stunden wieder da“, twitterte Mitunterzeichner Sascha Lobo, und: „Englische Version demnächst!“
Drei Fragen an Sascha Lobo
Während der Server strauchelte, stand uns Deutschlands bekanntester Blogger, Sascha Lobo, Rede und Antwort:
Was passiert nach dem Manifest?
Lobo: Es entsteht eine Diskussion darüber, wie die Zukunft des Journalismus im Netz aussieht. Die gibt es in Teilen zwar jetzt schon - wird aber von Interessen vergiftet, die die mediale Realität des Internet verleugnen. Angefangen von den rechtlichen Aspekten wie Leistungsschutzrecht bis hin zum Verteufeln von Google. Konkret werden sicher Handlungsanleitungen aus dem Manifest erwachsen - und zwar dezentral an vielen Stellen. Das Manifest soll als Auftakt und Referenz dafür fungieren.
Wen wollen die Unterzeichner mit dem Manifest erreichen?
Lobo: Die Öffentlichkeit, die derzeit unter einem politischen wie medialen Beschuss von Verlagslobbyisten leidet, weshalb eine vernünftige Diskussion schwieriger geworden ist. Das Internet-Manifest soll auch als Gegengewicht zu den gefühlt 235 Erklärungen - für jede deutsche Stadt über 100.000 Einwohner eine, nach der sie dann auch benannt ist - dienen, in denen formuliert wurde, weshalb sich das Internet gefälligst dem deutschen Verlagsapparat zu unterwerfen habe.
Wie könnten erfolgreiche Geschäftsmodelle konkret aussehen? Gibt es Beispiele?
Lobo: Erfolgreiche Geschäftsmodelle können in Deutschland aussehen wie Spiegel Online, wie heise.de oder auch wie turi2.de; international wie das Wall Street Journal oder wie die New York Times in zwei Jahren. Die Finanzierung über Werbung allein halte ich für nicht ausreichend und glaube, dass Paid Content-Modelle als Ergänzung sehr sinnvoll sein können. Das ist aber meine persönliche Meinung.