Hamburg. In Hamburg trafen sich Chefredakteure internationaler Zeitungen und diskutierten über die Zukunft ihres Mediums. Was sie und andere umtreibt, ist weniger die Angst vor dem Verschwinden der Tageszeitung, als vielmehr die Angst vor ihrem Verflachen. Aus Sparzwang, weil das Geld fehlt.
Was ist da eigentlich los. Ende Mai meldete die deutsche Werbewirtschaft weiter sinkende Anzeigenerlöse bei den deutschen Tageszeitungen. Anfang Juni erschien das Branchenmagazin „Journalist” mit dem Vorschlag von Medienwissenschaftlern, man könne Tageszeitungen in öffentlich-rechtliche Anstalten überführen, zumindest aber in gemeinnützige Stiftungen. Und dann werden jetzt auch noch die Abstände immer kürzer, in denen die „Süddeutsche” die Tageszeitung zu Grabe oder zum Himmel trägt, also auch sich selbst. Gestern war wieder Himmel dran. Steht es wirklich so arg um FAZ, taz, WAZ und die 350 anderen Titel in Deutschland?
Es gibt zumindest unter klugen Leuten die Sorge, die Tageszeitungen könnten irgendwann die Vermittlerrolle, die ihnen in der demokratischen Gesellschaft zukommt, bald nicht mehr ausüben. Es sind Leute wie der Philosoph Jürgen Habermas oder der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm, die deshalb für die staatliche Finanzierung von Tageszeitungen geworben haben. Was sie und andere umtreibt, ist weniger die Angst vor dem Verschwinden der Tageszeitung, als vielmehr die Angst vor ihrem Verflachen. Aus Sparzwang, weil das Geld fehlt.
„Unsere Redakteure müssen in der Bahn jetzt die zweite Klasse nehmen.”
Folgt man dem Chefredakteur des Intellektuellenblatts „Die Zeit”, Giovanni Di Lorenzo, dann ist es längst so weit. Wozu man vorausschicken muss, dass seine Wochenzeitung natürlich nicht gemeint ist. Die „Zeit” kann ihre Auflage gegen den allgemeinen Trend sogar steigern. Wirtschaftlich liegt sie über Plan, und die schmerzlichste Sparmaßnahme, von der Di Lorenzo zu berichten weiß, ist diese: „Unsere Redakteure müssen in der Bahn jetzt die zweite Klasse nehmen.”
Aus dieser Position findet Di Lorenzo bisweilen harte Worte für die, die nicht so im Geld schwimmen, Regionalzeitungen zumeist, die mit sinkenden Auflagen und schrumpfenden Anzeigenerlösen zu kämpfen haben und Stellen abbauen. „Regionale und lokale Zeitungen sind kontinuierlich schlechter geworden. Ich würde die heute auch nicht mehr lesen", ätzte Di Lorenzo gestern beim „Mediendialog”, einer Journalisten-Tagung in Hamburg. Dabei machte er den Regionalzeitungen den Vorwurf, dass sie aus Angst vor mächtigen Anzeigenkunden die kritische Berichterstattung vernachlässigten.
Eine Frage der Haltung
Da konnte man dann WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz aus der Haut fahren sehen, der in der Hamburger Diskussion über die Qualität im Journalis-mus den Part der Regionalzeitungen vertrat. „Eine Anzeige ist keine Prämie auf wohlfeile Berichterstattung, sondern ein Geschäft”, entgegnete er. Kritische Berichterstattung sei also keine Frage des Geldes, sondern eine der Haltung.
Auch Journalisten mit Haltung sind freilich darauf angewiesen, dass ihr Verlag ein funktionierendes Geschäftsmodell hat. Für die Zukunft heißt das vor allem, dass er Geld verdient mit Artikeln und Bildern im Internet. Alle Experten, die gestern die Frage nach der Qualität im Journalismus zu beantworten suchten, endeten immer wieder an dieser Stelle. Und genauso einig waren sie sich, dass dieses Geschäftsmodell nicht in Sicht ist.