Berlin. Die Ampel-Koalition ist Geschichte – und mit ihr wohl auch viele Vorhaben, die eigentlich noch kommen sollten. Ein Überblick.

Die Ampel-Koalition ist zerbrochen, die FDP-Minister haben das Bündnis verlassen mit Ausnahme von Verkehrsminister Volker Wissing, der zugleich aus seiner Partei austrat. Im Januar will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage stellen und so den Weg für Neuwahlen frei machen. Bis dahin wird er nach bisherigem Stand mit den Grünen eine Minderheitsregierung führen. Geplante Gesetze sollen noch bis Ende des Jahres in den Bundestag eingebracht werden, die Erfolgsaussichten sind aber schlecht. Welche Vorhaben jetzt wohl nicht mehr kommen werden.

Rentenpaket

Es ist ein Herzensprojekt von Kanzler Scholz: Das Rentenniveau soll bis 2039 auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Im Gegenzug sollte die FDP eine abgeschwächte Form ihrer präferierten Aktienrente, den Einstieg ins sogenannte Generationenkapital, erhalten. Doch den bereits im Frühjahr vereinbarten Kompromiss hatte die FDP-Fraktion zuletzt angefochten. Zu teuer sei die Stabilisierung des Rentenniveaus, zu sehr gehe sie auf Kosten der jungen Generation.

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Wie kann die Rente reformiert werden? Die SPD fordert die Stabiliserung des Rentenniveaus. Die FDP hält das für zu teuer. © iStock | Marina113

Reform der privaten Altersvorsorge

Ein Altersvorsorgedepot, umgangssprachlich Lindner-Depot genannt, sollte die private Altersvorsorge reformieren und die umstrittene Riester-Rente abschaffen. Die Idee: Verbraucher können ein individuelles Risikoprofil auswählen und entsprechend staatliche Zuschüsse für verschiedene Finanzprodukte erhalten. Mit der Entlassung Lindners dürften sich auch die Pläne des Lindner-Depots erledigt haben.

Bürgergeld

Die Ampel-Koalition wollte eigentlich die Bedingungen beim Bürgergeld verschärfen. So waren härtere Sanktionen geplant, wenn angebotene Arbeit abgelehnt wird. Beim Arbeitsweg sollte es künftig als zumutbar gelten, bis zu drei Stunden pro Tag zu pendeln. Zudem waren Leistungskürzungen geplant, wenn Bürgergeld-Empfänger bei Schwarzarbeit erwischt werden. Die Forderungen stammten vor allem aus der Feder der FDP. Ob sie nun aber noch kommen, ist unklar.

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    Asyl

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vor allem ein Vorhaben ganz oben auf ihrer Liste: Sie will die beschlossene gemeinsame europäische Asylpolitik umsetzen – und dafür die deutschen Gesetze auf den Weg bringen. Am vorletzten Tag der Ampel sind gerade noch zwei Gesetzentwürfe durch das Regierungskabinett gegangen. Damit will Faeser durchsetzen, dass Asylverfahren schon an den EU-Außengrenzen entschieden werden. Für Deutschland gilt das allerdings nur für Flughäfen und Seehäfen. Aber auch die Regeln für Abschiebehaft wollte die Ampel verschärfen. Nun berät der Bundestag über Faesers Gesetze. Doch da hat die Union ganz eigene Vorstellungen – und könnte theoretisch noch rigidere Migrationsgesetze mit Stimmen der FDP, der Wagenknecht-Partei und der AfD durchsetzen.

    Unterkunft für Asylbewerber
    Die Ampel-Koalition wollte die Asylpolitik verschärfen. © DPA Images | Patrick Pleul

    Wachstumschancengesetz

    Große Teile des Wachstumschancengesetzes, das die strauchelnde Wirtschaft anschieben sollte, sind noch nicht verabschiedet. Ob sie sich in einer Minderheitsregierung durchsetzen lassen, ist höchst unklar. Die Parteien haben grundlegend andere Vorstellungen darüber, wie der Wirtschaft in der jetzigen Krise unter die Arme gegriffen werden muss.

    Steuerentlastungen

    Christian Lindner hatte bis zuletzt hart verhandelt, um Steuerentlastungen durchzusetzen. Vor allem der Abbau der Kalten Progression soll noch durchgesetzt werden. Als Kalte Progression wird bezeichnet, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Zuge der Inflation Gehaltserhöhungen erhalten, dabei aber in einen höheren Steuersatz rutschen und unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung haben. Obwohl es ein FDP-Herzensprojekt ist, hat Kanzler Scholz in seiner Wutrede gegen Lindner zugesagt, das geplante Vorhaben im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Durchaus denkbar, dass es durchkommt – sicher ist es keineswegs.

    Mietpreisbremse

    Die Mietpreisbremse, die Mieterinnen und Mieter vor drastischen Mieterhöhungen schützen soll, läuft nach jetzigem Stand Ende 2025 aus. Die Ampel hatte geplant, sie bis bis Ende 2028 zu verlängern. Der FDP war das Vorhaben ohnehin ein Dorn im Auge, sie nutzte die Mietpreisbremse immer wieder als politisches Faustpfand für andere Projekte. In einigen Ländern läuft die Mietpreisbremse schon früher aus, in Berlin am 31. Mai, in Hamburg und Nordrhein-Westfalen zum 30. Juni.

    Reformen im Gesundheitswesen

    Marode Kliniken, Pflege am Limit: Jeder Tag zählt hier, Verzögerungen bei den Reformen im Gesundheitswesen kosten Menschenleben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat noch viele offene Baustellen, hinter denen jetzt massive Fragezeichen stehen. Offen ist, ob zumindest die Klinikreform noch kommt – der Bundestag hat Ja gesagt, die Länder blockieren. 

    Wehrdienst

    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) möchte einen neuen Wehrdienst einführen, der im Gegensatz zur früheren Wehrpflicht auf Freiwilligkeit setzt. Junge Männer sollen demnach Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst geben müssen. Für Frauen soll die Teilnahme an der Befragung freiwillig sein. Grundsätzlich plädiert die Union für die Wiedereinführung einer Dienstpflicht, ihr gehen die bisherigen Ampel-Pläne aber nicht weit genug.

    Wachbataillon der Bundeswehr
    Kommt der Wehrdienst zurück? Die Union würde gerne einen verpflichtenden Wehrdienst durchsetzen, die Ampel hatte sich auf ein Modell verständigt, das auf Freiwilligkeit setzt. © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

    Demokratieförderungsgesetz

    Mit dem Demokratiefördergesetz wollten SPD und Grüne Organisationen, die sich für die Demokratie einsetzen und sich gegen Extremismus, aber zum Beispiel auch Hass im Netz engagieren, stärker fördern. Die FDP sah das Vorhaben bereits in der Regierung kritisch, verwies auf das Engagement gesellschaftlicher Gruppen, die kein Geld über das Gesetz bekommen. Die Union hält die Förderbedingungen für intransparent und lehnt den Vorstoß daher ab.

    Wald- und Tierschutz

    Im Wald- und Tierschutz könnten Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf der Kippe stehen. So befindet sich ein neues Bundeswaldgesetz in der Länder- und Verbändeanhörung. Ziel ist es, die Wälder gegen den Klimawandel nachhaltig umzubauen, damit sie Trockenheit und extremen Temperaturen besser standhalten können. Der Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz steckt zur Beratung in den Ausschüssen des Bundestags. Bei den Änderungen geht es um eine bessere Haltung und einen besseren Umgang mit Nutz- und Haustieren, aber auch um die Haltung von Wildtieren in Zirkussen. Die Qualzucht soll beendet werden, Anbindehaltung und das Kupieren von Schwänzen von Lämmern verboten werden. Im Vermittlungsausschuss befindet sich ein Gesetz zur Änderung des Düngegesetzes, das Betriebe stärker in die Verantwortung nehmen will.

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    Hochwasserschutz

    Mehrere Gesetzesvorhaben des Bundesumweltministerium befinden sich derzeit noch in der Ressortabstimmung. Dazu gehören das geplante Hochwasserschutzgesetz und die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Dies sind wesentliche Bausteine zum Schutz gegen die Folgen des Klimawandels wie Extremwetterereignisse, aber auch zum Ressourcenschutz. Da es keinen Haushalt 2025 gibt, steht auch infrage, inwieweit internationale Klimaschutzzusagen finanziell erfüllt werden können. Ungewiss ist auch, was mit dem Gesetzentwurf für Elektro- und Elektronikgeräte passieren wird, in dem auch die Entsorgung von Einweg-Zigaretten geregelt werden. Ziel ist es, dass Millionen Einweg-E-Zigaretten, die Elektrogeräte sind, künftig fachgerecht entsorgt werden und nicht mehr im Restmüll oder der Umwelt landen. 

    Kindergrundsicherung

    Sie sollte ein Prestigeprojekt der Ampel-Koalition im Kampf gegen Kinderarmut werden, ein Paradigmenwechsel sogar. Von Familienministerin Lisa Paus‘ ursprünglichem Konzept ist allerdings nach dem Kabinettsbeschluss 2023 nicht viel übrig geblieben, das Projekt steckt im Gesetzgebungsverfahren fest – und dort dürfte es mit dem Ampel-Aus auch bleiben.

    Kraftwerkssicherheitsgesetz

    Mit dem absehbaren Ende der Kohleverstromung und dem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien im Stromsystem braucht Deutschland neue Kraftwerke, die steuerbare Leistung liefern. Die Bundesregierung setzt dafür auf Gaskraftwerke – das Kraftwerkssicherheitsgesetz soll sicherstellen, dass diese rechtzeitig kommen. Doch noch ist das nicht beschlossen. Im Wirtschaftsministerium hofft man, dass hier eine Einigung mit der Union möglich ist.