Berlin. Der Bruch der Ampel-Koalition ist nicht das Ende der Bundesregierung. Wie Scholz noch im Amt bleibt, welche Option Friedrich Merz hat.
Die Ampel-Koalition ist am Ende, der Bundeskanzler nicht. Das ist für viele Bürger wohl die zweite Überraschung nach dem Ampel-Aus: Olaf Scholz (SPD) regiert trotz des Koalitionsbruchs weiter – mindestens noch bis ins nächste Frühjahr. Denn die Scheidungserklärung der Koalitionsspitzen leitet nicht automatisch Neuwahlen ein, die Hürden sind hoch. Scholz und die Politik in Berlin haben jetzt mehrere Optionen. Welche Wege offen stehen, wie es weitergeht.
Möglichkeit 1 nach dem Ampel-Aus: Minderheitsregierung
Scholz kann erstmal auch ohne die FDP weitermachen und mit den Grünen eine Minderheitsregierung bilden. Das ist jetzt die favorisierte Option von Rot-Grün. Der Kanzler ist ja gewählt, und wenn die FDP-Minister vom Bundespräsidenten ihre Entlassungsurkunden erhalten haben, können SPD und Grüne die vier Ministerien unter sich aufteilen. Eine Minderheitsregierung kann aber nicht mehr viel bewegen, für jedes Projekt muss sie sich im Bundestag eine Mehrheit organisieren. CDU-Chef Friedrich Merz hat schon klargestellt, dass die Union eine solche Regierung nicht unterstützen werde.
Größte Hürde ist der Bundeshaushalt für 2025, der am 29. November vom Parlament beschlossen werden soll, damit er rechtzeitig zum Jahresanfang in Kraft ist. Wenn die FDP dem weitgehend von Finanzminister Christian Lindner erstellten Etatplan nicht als letzte Tat doch noch zustimmt, wären dem Bund im Rahmen einer vorläufigen Haushaltsführung nur noch die nötigsten Ausgaben möglich. Könnte Scholz auf dieser Basis eine Stimmungswende herbeiführen? Kaum. Scholz machte deshalb am Abend klar, dass dies für ihn nur eine Übergangs-Option ist.
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Möglichkeit 2 nach dem Ampel-Aus: Vorzeitige Neuwahlen
Ob es dazu kommt, hängt gleich von zwei Sozialdemokraten ab: Kanzler Olaf Scholz und – dem im Amt überparteilichen – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der einzige Weg zur Neuwahl ist eine Vertrauensfrage, die der Kanzler im Bundestag stellen und verlieren muss. Genau dies hat Scholz vor, wie er am Mittwochabend erklärte. Anschließend kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, es käme zu Neuwahlen spätestens 60 Tage nach der Parlamentsauflösung; bis zur Wahl würde die Regierung auf Ersuchen des Bundespräsidenten die Amtsgeschäfte weiterführen. Steinmeier kann sich theoretisch auch weigern, Neuwahlen auszurufen, um eine andere Koalition zu erzwingen, aber angesichts der Stimmung im Land ist das unwahrscheinlich.
Scholz will mit der Vertrauensfrage aber warten, nicht nur weil die Parteien Zeit für die Wahlvorbereitungen brauchen. Inzwischen zeichnet sich in Berlin der 9. März als möglicher Termin für Neuwahlen ab, nach den Winterferien (außer in Bayern) und eine Woche nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März – von dort erhofft sich die SPD Rückenwind. Wegen der 81-Tage-Grenze will Scholz die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen.
Der Kanzler und sein Kabinett bleiben auch nach einer vorzeitigen Neuwahl geschäftsführend im Amt, bis eine neue Koalition einen neuen Kanzler gewählt hat. Das wird wohl frühestens im Mai so weit sein. So lange bleibt Scholz Regierungschef – mit wenig Macht.
Möglichkeit 3 nach dem Ampel aus: Kanzlersturz durch Misstrauensvotum
Ermutigt vom Koalitionsbruch könnte die Opposition theoretisch den Kanzler auch ganz schnell mit einem konstruktiven Misstrauensvotum stürzen. Die Abgeordneten müssten aber nicht nur Scholz das Misstrauen aussprechen – sie müssen auch gleich einen neuen Kanzler wählen, deshalb der Zusatz „konstruktiv“. Das klappte in der Bundesrepublik bisher nur einmal, als Oppositionsführer Helmut Kohl (CDU) 1982 den SPD-Kanzler Helmut Schmidt stürzte und sich mit Unterstützung der die Seiten wechselnden FDP selbst zum Kanzler wählen ließ. Diesmal hieße der Kanzlerkandidat sicher Friedrich Merz – doch woher soll der CDU-Chef seine Mehrheit bekommen?
Anders als 1982 reichte ihm die FDP-Hilfe allein nicht, es müssten die Grünen hinzukommen – wenn nicht, was aktuell völlig undenkbar erscheint, Merz sich auch mit Stimmen von BSW, Linken oder der AfD zum Kanzler wählen ließe. Aber dass sich FDP und Grüne nach ihrem erbarmungslosen Ehekrieg gleich wieder in einer Jamaika-Koalition zusammenfinden, gilt in Berlin als ausgeschlossen.
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Möglichkeit 4 nach dem Ampel-Aus: Rettung Große Koalition
Die Idee hat schon vor einem Jahr der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lanciert: Grüne und FDP raus, die Union könne dann als Juniorpartner in eine „Regierung der nationalen Vernunft“ gehen. Aber: Die Union hat im Bundestag aktuell zwar weniger Sitze als die SPD – aber warum sollte sie sich der SPD jetzt noch unterordnen und damit ihre Ausgangslage für die Bundestagswahl 2025 enorm erschweren?
Merz hat solche Gedankenspiele bereits zurückgewiesen. Er fürchtet aber, dass der Bundespräsident dennoch versuchen könnte, die Union zu dem Schritt zu überreden – so wie das Staatsoberhaupt 2017 Union und SPD schon erfolgreich zur Fortsetzung der GroKo drängte.
Viel lieber schaut Merz der Regierung beim Sterben zu. Erst nach der Neuwahl käme für die Union eine Große Koalition in Frage, dann aber unter Führung von Merz – und nicht mit Olaf Scholz als Vizekanzler, sondern mit Boris Pistorius. Auch das hat Söder bereits ventiliert.