Schermbeck. Teils werden wildesten Spekulationen zur Flüchtlingssituation in Schermbeck geäußert. Umso wichtiger sind Infos aus erster Hand. Eine Analyse.

Das Thema Flüchtlinge ist ein sehr sensibles. Dass dies bei manchen Menschen offenbar noch nicht angekommen ist, zeigt sich sofort, sobald man einen Blick auf die sogenannten „Sozialen Medien“ wirft. Da schießen zum Teil die wildesten Spekulationen ins Kraut und es werden sogar eindeutige Falschinformationen verbreitet. Die meisten Kommentar-Schreiber reagieren gar nicht auf die Bitte der NRZ um ein Gespräch.

Eine Ausnahme bildet da ein 74-jähriger Schermbecker, der am Telefon seinen richtigen Namen allerdings nicht nennen möchte, aber behauptet: „Wenn der Schermbecker Bürgermeister sagt, er könne weitere Flüchtlinge nicht einfach ablehnen, stimmt das nicht. Ich habe das selber im Fernsehen gesehen, dass der Bürgermeister einer anderem Gemeinde genau das tut.“ Welcher Bürgermeister dies gewesen sein soll, konnte er jedoch nicht sagen.

Flüchtlinge in Schermbeck: Infotermin am 6. November in Gahlen

Spätestens hier wird deutlich: Eine seriöse Aufklärung ist auch in der Gemeinde Schermbeck wohl dringend nötig. Denn der selbe Bürger gibt sich völlig überrascht, dass es seine Fragen zur Flüchtlingssituation zum Beispiel bei der Einwohnerfragestunde zu Beginn der zuständigen Ausschusssitzung und jeder Ratssitzung stellen darf – und garantiert eine Antwort bekommt, was er bezweifelt. „Da wird man doch nicht ernst genommen“, behauptet der Senior, der andererseits sagt: „Was man so alles im Internet liest, kann man ja kaum glauben. Da fragt man sich: Ist das Fake oder echt?“

Genau für solche – und alle anderen – verunsicherten Bürger hat die Gemeindeverwaltung nun eine Informationsveranstaltung terminiert. Diese könne allerdings erst am 6. November stattfinden, da man vorher auf viele Fragen noch keine Antworten habe, erklärt Gerd Abelt, der Vertreter des Bürgermeisters. An jenem Montag soll es dann ab 18 Uhr in der Gahlener Dorfkirche konkret um den geplanten „Containerstandort in Gahlen zur Unterbringung von Geflüchteten“ gehen. Diese Unterkunft sei aufgrund der anhaltenden Zuweisungen zwingend erforderlich, betont die Gemeindeverwaltung, die in dem Gotteshaus auch Fragen zur gesamten Flüchtlingssituation in Schermbeck beantworten wird.

Der CDU-Ortsverband Schermbeck ließ sich ausführlich aus erster Hand  über die aktuelle Flüchtlingslage in der Gemeinde informieren: Vor Kopf sitzen (von links): Katharina Zenker von der Caritas, Bürgermeister Mike Rexforth, Ortsverbandsvorsitzender Marc Lindemann sowie Fachbereichsleiterin Ellen Großblotekamp.
Der CDU-Ortsverband Schermbeck ließ sich ausführlich aus erster Hand über die aktuelle Flüchtlingslage in der Gemeinde informieren: Vor Kopf sitzen (von links): Katharina Zenker von der Caritas, Bürgermeister Mike Rexforth, Ortsverbandsvorsitzender Marc Lindemann sowie Fachbereichsleiterin Ellen Großblotekamp. © CDU

Für den Vorstand des CDU-Ortsverbandes ist der 6. November noch zu weit weg und das Thema so drängend für die Gemeinde, dass die Christdemokraten schon jetzt die Verwaltung um Informationen aus erster Hand baten: Deshalb klärten auf der jüngsten Vorstandssitzung Bürgermeister Mike Rexforth, Fachbereichsleiterin Ellen Großblotekamp und Sozialarbeiterin Katharina Zenker von der Caritas auf. „Die derzeitige Lage ist eine große Herausforderung für die Gemeinde Schermbeck“, bilanzierte der Ortsverbandsvorsitzende Marc Lindemann nach den Vorträgen und anschließender Diskussion.

Zunächst skizzierte Großblotekamp die derzeitige Lage. Über 560 Flüchtlinge lebten aktuell in Schermbeck – 28 Prozent Einzelpersonen und 72 Prozent Familien mit Kindern aus 25 verschiedenen Staaten. Pro Woche kämen derzeit zwischen fünf und zehn neue Flüchtlinge nach Schermbeck, in Zukunft würden es zwischen zehn und 15 sein. Der Anteil der Ukrainer belaufe sich auf 21 Prozent. Die Gemeinde habe fünf Sammelunterkünfte hergerichtet – am Schulweg, Alte Poststraße, Maassenstraße, Tiefer Weg und am Lühlerheim. 38 Kinder besuchten die Grundschule, 41 Kinder die Gesamtschule. Aktuell seien rund 160 Personen dank der Unterstützung von Schermbecker Bürgern in knapp 70 Wohnungen untergebracht.

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Bürgermeister Mike Rexforth betonte, dass die Zahlen wohl noch deutlich steigen werden. „In diesem Jahr kommen 60.000 Geflüchtete nach Nordrhein-Westfalen, nach Schätzungen rechnet man im Jahr 2024 mit weiteren etwa 70.000 Geflüchteten nur in Nordrhein-Westfalen. Wohnraum ist knapp und wird zur zentralen Herausforderung“, so Rexforth, der auf die geplante neue Containeranlage in Gahlen verwies und nicht ausschloss, im Zweifelsfall auf Turnhallen zurückgreifen zu müssen oder ein Zeltdorf zu erstellen. „Wir reden hier über Schicksale von Menschen, keine Frage. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn wir den sozialen Frieden nicht gefährden wollen, muss das enden.“

Schermbeck: Ärzte, Juristen und Pädagogen unter den Flüchtlingen

Katharina Zenker von der Caritas betonte, dass viele Flüchtlinge sehr daran interessiert seien, hier eine Arbeit zu finden. Unter den Schutzsuchenden in Schermbeck befänden sich auch Ärzte, Juristen und Pädagogen. Auf die Gemeinde kommen durch die steigenden Flüchtlingszahlen auch Kosten zu. Während das Land Nordrhein-Westfalen nach Gesprächen mit den Kommunalen Spitzenverbänden angekündigt hat, die Kommunen in NRW kurzfristig für 2023 noch einmal mit 800 Millionen Euro zu unterstützen, plane die Ampel-Regierung im Bund eine Kürzung der Zuschüsse an Länder und Kommunen von 3,7 Milliarden Euro auf 1,7 Milliarden Euro. Während der Flüchtlingskrise 2015/2016 habe sich der Bund noch zu 40 Prozent an den Kosten beteiligt, derzeit seien es gerade einmal 16 Prozent – Tendenz weiter fallend.

Der CDU-Ortsverband versprach der Gemeindeverwaltung Rückendeckung bei der Bewältigung der Krise. „Unser ehemaliger Bundespräsident Joachim Gauck hat es auf den Punkt gebracht: Unser Herz ist weit, unsere Möglichkeiten sind endlich“, so der Ortsverbandsvorsitzende Marc Lindemann.