Wesel. Im NRZ-Interview spricht Ulrike Westkamp über schwierige Etatplanungen, Stadtentwicklung und die PPP-Tage, für die es Änderungen geben wird.
Dem Kaufhof droht die Schließung, der Neubau der Niederrheinhalle muss auf den Weg gebracht werden, das Kombibad soll Anfang 2024 fertig werden. Im NRZ-Interview mit Rita Meesters blickt Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp auf wichtige Themen für das kommende Jahr, in dem es auch wieder die PPP-Tage geben soll – wenn auch etwas anders als gewohnt.
Als wir uns im letzten Jahr zum Interview getroffen haben, war noch nicht absehbar, dass eine so große Zahl geflüchteter Menschen nach Wesel kommen wird wie zuletzt 2015/16. Trotzdem wird die Situation in der Öffentlichkeit nicht so sehr als Problem gesehen. Was ist heute anders?
Heute leben in Wesel und auch in anderen Städten mehr geflüchtete Menschen als 2015 und 2016. Damals sind die Menschen im Sommer sichtbar in großen Gruppen gekommen. Heute ist es so, dass die Geflüchteten kontinuierlich kommen und dass es deshalb nicht so ins Auge fällt.
Werden die Kommunen aus Ihrer Sicht bei der Versorgung und Unterbringen ausreichend unterstützt?
Nein, es ist natürlich finanziell aufwendig, die Menschen adäquat unterzubringen und zu begleiten. Und ich glaube auch, dass es wichtig ist, hier Schritte in Richtung Integration zu machen, zum Beispiel durch Sprachkurse. Hier wünschen wir uns deutlich mehr Unterstützung, auch im Bereich der Unterbringung.
Wie viele Flüchtlinge leben aktuell in Wesel?
Wir haben über 2400 Geflüchtete in Wesel, davon sind 600 bis 700 aus der Ukraine.
Wesel kann für 2023 wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen, aber nur durch einen Griff in die Rücklage, die mit knapp 48 Millionen Euro noch ein gutes Polster ist. Bei der Vorstellung bezeichneten Sie und der Kämmerer die Planung als „historisch schwierig“ Wo sehen Sie die größten Probleme?
Eine große Herausforderung ist die Frage, wie viele Menschen zu uns kommen werden. Damit hängt zusammen, wo sie unterkommen können, wo der Wohnraum geschaffen werden kann. Das betrifft dann natürlich die Bevölkerung insgesamt. Das Ganze kostet Geld – und das ist schlecht einzuschätzen. Auch die Einnahme-Entwicklung ist schwer zu prognostizieren.
Wie stark belasten die steigenden Kreditzinsen den städtischen Haushalt? Immerhin hat Wesel Kredite im Rahmen von 130 Millionen Euro aufgenommen.
Das ist eine Frage, welche Kredite abgeschlossen werden. Sie sind oftmals langjährig laufend. In der Vergangenheit waren die Zinsen deutlich niedriger. Die Zinsen entwickeln sich für neue Kredite nach oben. Wesel wird das insbesondere mittelfristig betreffen.
Essens OB und Chef des Städtetages NRW Thomas Kufen spricht von einer Zeitbombe und fordert einen Altschuldenfonds, um klamme Kommunen zu entlasten. Ist das nur ein Thema für große Ruhrgebietsstädte?
Alle Kommunen sind davon betroffen, weil die Situation sich deutlich verändert hat. Für uns ist es wichtig, dass eine Unterstützung durch Land und Bund erfolgt aufgrund der Situation, die wir nicht herbeigeführt haben.
Auf der anderen Seite investiert Wesel weiter in Großprojekte wie das Schulbauprogramm, das wegen der Kostensteigerungen nicht 2030, sondern erst 2038 beendet sein soll und wohl deutlich mehr als 90 Millionen Euro kostet. Sind die Investitionen weiterhin gerechtfertigt?
Auf jeden Fall. Denn Investitionen in die Schulen sind absolut notwendig, damit Schülerinnen und Schüler in einem vernünftigen Umfeld lernen können. Gut ausgebildete Schülerinnen und Schüler sind für die gesellschaftliche Entwicklung und unsere Städte notwendig.
Auch das Kombibad ist mit geplant 40 Millionen Euro Baukosten eine Großinvestition, die zwar ein Projekt der Städtischen Bäder ist. Die Stadt nimmt aber für die Gesellschaft 2023 und 2024 Kredite in Höhe von 29,6 Millionen Euro auf. Kritiker äußern die Befürchtung, dass das Bad ein teures Prestigeobjekt wird und am Ende Steuern erhöht werden müssen. Was sagen Sie den Menschen?
Das Bad ist kein teures Prestigeobjekt! Wir brauchen ein vernünftiges Hallenbad. Wir brauchen dringend ein Bad, das den heutigen Ansprüchen genügt. Das heißt, wir brauchen ein barrierefreies Bad und genug Raum, damit Kinder schwimmen lernen und Erwachsene sich sportlich betätigen können. Man darf ja auch nicht vergessen, dass wir dann dort die Bäder zusammenführen.
Und die Befürchtung, dass am Ende Steuern erhöht werden müssen?
Unsere Steuern sind moderat verglichen mit anderen Städten. Ein modernes Bad, das auch eine ansprechende Saunalandschaft vorhält, wird sicher ein Anziehungspunkt darstellen für Menschen aus der Region. Das heißt, ein gutes Bad wird auch gut angenommen.
Und es trägt sich dann?
Bäder sind geborene Verlustbetriebe. Ein Bad, das von jedem benutzt werden kann, weil auch die Preise entsprechend sind, wird sich nie selbst tragen können. Eine Saunalandschaft wird preislich anders zu verorten sein.
Auch der Neubau der Niederrheinhalle soll auf den Weg gebracht werden. Die Bandbreite der Varianten, für die sich die Politik entscheiden muss, liegt inzwischen bei 6,8 Millionen Euro für eine Sparversion und 25 Millionen für die „große Lösung.“ Was halten Sie persönlich für vertretbar?
Aus meiner Sicht ist es wichtig eine Halle anzubieten, in der gute, interessante Veranstaltungen durchgeführt werden können. Damit werden wir uns in diesem Jahr noch beschäftigen, und schauen, wie wir das entscheiden.
Käme für Sie eine Sparversion für Sie infrage?
Es geht nicht um eine Sparversion, es geht darum, eine gute Version zu haben, so dass wir dort flexibel Veranstaltungen anbieten können.
Die hohe Inflation und die gestiegenen Energiepreise belasten die Bürger. Was tut die Kommune, um die Bürger zu unterstützen oder zu entlasten?
Der Rat hat Ende des letzten Jahres mit dem neuen Etat beschlossen, Entlastungen herbeizuführen, 500.000 Euro sind dabei aufgesetzt. Es wird gerade ein entsprechendes Programm entwickelt, wie diese Gelder verwendet werden. Uns ist auch immer wichtig, dass die Steuersätze moderat gestaltet werden. Das halte ich für sehr wesentlich. Außerdem sind die Müll- und Abwassergebühren in diesem Jahr deutlich gesenkt worden.
Die Innenstadtentwicklung ist immer wieder ein Thema, das nun von der drohenden Schließung des Kaufhofes überschattet wird. Ist eine attraktive Innenstadt ohne den Kaufhof vorstellbar?
Wir wissen nicht, wie die Entwicklung im Kaufhof sein wird. Fakt ist, der Kaufhof in Wesel schreibt schwarze Zahlen, das wird auch immer betont von der Geschäftsführung. Wir haben insgesamt eine gute Entwicklung in unserer Stadt. Ich erinnere daran, dass wir seit einiger Zeit Sinn als großen Ankermieter in Wesel haben. Darüber hinaus hat sich die Esplanade mit Edeka Lurvink sehr gut entwickelt, dort hatten wir ja früher Saturn. In Wesel gibt es eine Reihe von attraktiven Geschäften, wir sehen das auch an der Akzeptanz unserer Innenstadt, sie wird gut angenommen.
In diesem Jahr gab es Kritik aufgrund fehlender Veranstaltungen. Die PPP-Tage sind ausgefallen, Bürger vermissen einen zentralen Weihnachtsmarkt. Hat Wesel zu wenig zu bieten?
Nein, Wesel hat sehr viel zu bieten. Wir haben eine Reihe von attraktiven Veranstaltungen, zum Beispiel das Hansefest. Wir haben „Wesel erleben“, den Feierabendmarkt, die Kulturnacht seit vielen Jahren. Es gibt sehr viele interessante Veranstaltungen. Aber man muss sagen, im vergangenen Jahr mit der Energiekrise hatten wir uns entschlossen, nicht die große Eislaufbahn am Berliner Tor, sondern eine kleinere Alternative am Kornmarkt anzubieten, weil es anders nicht zu verantworten war. Von daher ist natürlich der Eindruck entstanden, dass da nicht so viel war. Wesel-Marketing ist in Überlegungen für den nächsten Winter und ich muss sagen, es sind ganz interessante Überlegungen.
Die PPP-Tage werden 2023 wieder stattfinden?
Ja, die werden stattfinden. Allerdings haben wir das Thema, dass am Rhein gebaut wird. Der Retentionsraum muss fertiggestellt werden, da wird auch eine Mobilstation gebaut, sodass der Platz nicht zur Verfügung steht, die PPP-Tage wie gewohnt durchzuführen. Wir wollen die Kirmes stattfinden lassen, aber an einem anderen Ort. Weiter prüfen wir eine umweltfreundliche Alternative zum klassischen Feuerwerk.
Was sind für Sie persönlich die wichtigsten Entscheidungen für 2023?
Natürlich die Innenstadtentwicklung mit der Frage, wie geht es weiter mit dem Kaufhof. Eine wichtige Entscheidung wird sein, ob es gelingen wird, noch weitere Flächen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Unsere wirtschaftliche Entwicklung ist gut, wir haben deutlich mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte als noch vor 10, 15 Jahren. Aber wir könnten noch mehr Firmen ansiedeln, wenn wir mehr Flächen hätten. Wir brauchen auch Flächen für mehr Wohnungen und Häuser. Das ist zum Teil über Abriss und Neubau zu realisieren, aber darüber hinaus – unsere Stadt ist wachsend – brauchen wie einfach mehr Wohnraum. Das wird eine ganz wichtige Frage sein. Eine Herausforderung ist auch die Integration von geflüchteten Menschen, das Erlernen der Sprache.