Mülheim. Seit Anfang des Jahres ist das E-Rezept Pflicht für Arztpraxen. Wieso der Umstieg nicht ohne Probleme lief und welche Fallstricke es gibt.
Seit dem 1. Januar hat das E-Rezept auf Initiative des Bundesgesundheitsministeriums hin Einzug in die Praxis erhalten – wortwörtlich. Statt des rosafarbenen Rezepts gibt es die Verschreibung der Ärztin oder des Arztes in digitaler Form. Zeit für ein erstes, vorläufiges Fazit: Wie läuft es mit dem E-Rezept im Alltag?
„Der Anfang war schwierig“, gesteht Dr. Stephan von Lackum, Hausarzt aus Speldorf, ein. In seiner Funktion als Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein steht er im Austausch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen und weiß um ihre teils sehr ähnlichen Erfahrungen mit der Umstellung im Sinne der Digitalisierung. Die Herausforderung, so von Lackum, bestehe vor allem darin, die verschiedenen Techniken zusammenzubringen. Aber mit der Routine sei die Sicherheit gekommen. „Ich würde schätzen, dass etwa 50 bis 70 Prozent der Patientinnen und Patienten das E-Rezept nutzen.“
Mülheimer Arzt übt Kritik an Informationspolitik der Krankenkassen
Das ist übrigens auf drei Wegen möglich. Weg eins: Das E-Rezept kann über die elektronische Gesundheitskarte eingelöst werden. Dazu wird die Medikation in der Praxis auf der Karte hinterlegt und in der Apotheke ausgelesen. Weg zwei führt über die E-Rezept-App der Gematik, das ist die nationale Agentur für digitale Medizin. Dazu braucht es ein NFC-fähiges Handy für die kontaktlose Übertragung, eine NFC-fähige Gesundheitskarte sowie eine PIN. Der dritte Weg erinnert an das „alte“ Rezept: ein Ausdruck mit einem QR-Code.
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Informationen, die laut dem Mediziner Stephan von Lackum unzureichend von den Krankenkassen kommuniziert worden sind, ehe das neue System an den Start gegangen ist. „Es gab kein Roll-Out, irgendwelche Flyer oder etwas in die Richtung“, sagt er. „Wir haben alle Personalnot in unseren Praxen und können dann nicht Arzthelferinnen abstellen, die eine 1:1-Betreuung ermöglichen.“ Vielmehr habe man auf die Seite des Bundesgesundheitsministeriums und die Krankenkassen verwiesen.„Das hat sich mittlerweile aber etwas gelegt“, so von Lackum.
Mülheimer Arztpraxen müssen rund ein Viertel der Kosten tragen
Neben der mangelhaften Informationspolitik sieht der Mediziner einen weiteren Wermutstropfen: Die Kosten für die technische Umstellung seien nicht niedrig gewesen. So seien sämtliche Kartenlesegeräte erneuert worden und die Anwesenheit eines Technikers nötig gewesen. „Ein Viertel der Kosten dafür lag bei uns, in großen Praxen ist das durchaus viel Geld.“
Abgesehen davon bringe das E-Rezept aber vor allem Vorteile mit sich: mehr Flexibilität in der Anpassung und Einlösung; etwa aus dem Urlaub bei vergessenem Medikament, aber auch eine Entlastung der gesamten Belegschaft, da das E-Rezept doch mit einer deutlichen Zeitersparnis für Arztpraxen einhergehe. Dennoch, so der Vorsitzende der Mülheimer Kreisstelle der KV Nordrhein, gebe es Kollegen in der Ärzteschaft, die sich gegen die Neuerung verweigerten. „Diese digitale Abwehrhaltung ist im Zeitalter der Digitalisierung fatal. Aber“, schränkt der Hausarzt ein, „das betrifft nur einen marginalen Teil der Kollegen.“
Noch bis Ende März gelte die Ausnahme, dass bei Bedarf nach wie vor das rosafarbene Papierrezept ausgestellt werden kann. Den Patientinnen und Patienten drohe kein Nachteil, wenn sie auch im zweiten Quartal des neuen Jahres ein Rezept in alter Form erhalten. „Das führt für die Praxen aber zu einem Abzug in der Abrechnung“, erklärt Stephan von Lackum. So zumindest sei es angekündigt. Was das genau bedeutet? „Das kann ich noch nicht sagen, noch ist es ja nicht so weit. Aber es ist eine Strafe für die, die der Aufforderung zur Digitalisierung nicht nachkommen.“
Auf der anderen Seite der Umstellung stehen die Apotheken. Für sie ist die Veränderung weniger abrupt gekommen. „Wir waren seit vergangenem Sommer startklar“, berichtet etwa Patrick Marx. Er betreibt neben der Schloss-Apotheke zwei weitere Standorte in Mülheim, einen in Oberhausen. Auch er geht die Schätzung mit, dass etwa 50 bis 70 Prozent der Kundinnen und Kunden mittlerweile mit digitalem Rezept aufschlagen.
Mülheimer Apotheker: „Im Großen und Ganzen gut verlaufen“
Bis auf kleine Ausfälle sei bislang alles rund gelaufen. „Wir hatten an einem Tag für mehrere Stunden einen Datenbankausfall“, erinnert sich Marx zurück. „Aber wir haben den Kunden die Medikamente dann mit ihren Gesundheitskarten ausgeliefert, die sie uns dagelassen haben.“ Aus seiner Sicht birgt das neue System keine großen Schwierigkeiten, bleibt aber noch ein Prozess, der am Anfang steht. „Vermutlich wissen wir aber schon bald gar nicht mehr, wie es ohne war.“ Für die Zukunft würde er sich wünschen, dass noch mehr Praxen die direkte Übermittlung mittels der sogenannten KIM-Adresse (Kommunikation im Medizinwesen) nutzen würden. „Auf Dauer werden sich die Prozesse noch mehr vereinfachen, das ist für alle Neuland.“
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Darauf setzt auch Peter Lamberti. Der Apotheker ist Pressesprecher der Apotheker in Mülheim und betreibt die Phönix-Apotheke an der Oberhausener Straße. „Im Großen und Ganzen“, bilanziert er, „ist die Umstellung gut gelaufen.“ Allerdings mit Einschränkungen, wie er ergänzt. Demnach sei es aus seiner Sicht ein Hindernis, dass die Kundschaft nicht sehe, wann das E-Rezept freigeschaltet ist. „In der App schon, aber die nutzen die wenigsten.“ Der Großteil nutze die Gesundheitskarte, einige andere den Ausdruck mit QR-Code. „Gerade bei Rezepten, die auf den Anrufbeantworter der Praxis gesprochen werden, dauert es unter Umständen etwas.“
Insofern appelliere er an die Geduld der Kundinnen und Kunden, sehe aber auch, dass es bei reibungslosem Ablauf sehr schnell gehen kann. „Wenn denn alles reibungslos läuft.“ Oft genug komme es vor, gerade in den aktuellen Zeiten, dass eine bestimmte Medikation nicht lieferbar sei. „Dann müssen wir das E-Rezept ändern, das ist umständlicher als früher.“ Womöglich wäre es sinnvoll gewesen, die Testphase etwas auszuweiten“, sagt Peter Lamberti.
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