Mülheim. Weil Arztpraxen derzeit extrem voll sind, raten Mülheimer Mediziner zur telefonischen Krankschreibung und erklären, in welchen Fällen sie gilt.

Die Infektionswelle rollt nach wie vor, neben Corona sind es Erkältungen, die Erwachsene außer Gefecht setzen, dazu das RS-Virus, das gerade die ganz kleinen Kinder quält und Eltern in große Sorge versetzt. Um das Infektionsgeschehen zumindest ein wenig auszubremsen, werben Mülheimer Ärzte für die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung, die seit Kurzem auch für den Kinder-Krankenschein gegeben ist.

„Die Infektzahl ist anhaltend hoch, die Lage in den Praxen weiterhin angespannt“, sagt Dr. Stephan von Lackum, Hausarzt aus Speldorf und Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Da sorge die Möglichkeit, sich seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle einer leichten Erkrankung wie einem grippalen Infekt nur durch ein Telefonat mit dem Arzt ausstellen lassen zu können und so den Gang in die Praxis zu vermeiden, für Entlastung der Mitarbeitenden. Der Vorgang binde deutlich weniger Kapazitäten, sagt der Arzt.

Virenschleuder Wartezimmer: Bei leichten Infekten wird in Mülheim per Telefon krankgeschrieben

Von Lackum nennt einen weiteren wichtigen Aspekt: „So reduziert sich für Patientinnen und Patienten die Gefahr, sich in vollen Wartezimmern anzustecken - gerade wenn jemand in der akuten Infektsituation kommen würde. Und auch das Praxisteam ist dann davor geschützt.“ Die telefonische Krankschreibung ist bei Erkrankungen wie leichten grippalen Infekten nun dauerhaft möglich. Das hat der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken Anfang Dezember beschlossen. Seit kurz vor Weihnachten können demnach auch Eltern eine ärztliche Bescheinigung über die Erkrankung ihrer Kinder per Telefon erhalten.

Dr. Stephan von Lackum ist Hausarzt in Mülheim-Speldorf und Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Dr. Stephan von Lackum ist Hausarzt in Mülheim-Speldorf und Vorsitzender der Mülheimer Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Gleichwohl wüssten noch nicht alle Patienten und Patientinnen von dieser Möglichkeit, manche seien verunsichert, über welchen Arzt sie sich telefonisch krankschreiben lassen können und für welche Dauer, sagt von Lackum. Ihm kämen dazu auch Beschwerden zu Ohren, sagt der KV-Vorsitzende, und nennt ein Beispiel: „Wir hören oft: ‚Der Arzt wollte mich nicht am Telefon krankschreiben‘“.

Doch um Missbrauch zu vermeiden, habe der Gesetzgeber die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung an klare Voraussetzung geknüpft, verdeutlicht der Mülheimer Mediziner: „Patientinnen und Patienten müssen in der Praxis bereits bekannt sein.“ Daher könne nicht aber nur der Hausarzt fernmündlich eine AU ausstellen, sondern beispielsweise auch ein Orthopäde oder Hals-Nasen-Ohrenarzt, sofern man bereits Patient oder Patientin in der dortigen Praxis war.

Mülheimer Arzt: Telefon-AU gibt‘s nicht, wenn jemand schwere Symptome hat

Dr. von Lackum nennt ein zweites Kriterium, das für die Telefon-AU gilt: „Es dürfen keine schweren Symptome vorliegen. Jemanden mit Bauchschmerzen will ich immer in der Praxis sehen.“ Um abwägen zu können, welche Tragweite die Erkrankung des Anrufenden hat, spricht der Arzt persönlich mit ihm oder ihr. In Einzelfällen komme es auch schon mal vor, dass der Hausarzt seinen Patienten oder seine Patientin dann doch in die Praxis einbestellt, um auf Nummer sicher zu gehen, schildert der Speldorfer Mediziner.

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Und was, wenn - wie bei vielen im Moment - der grippale Infekt einfach nicht verschwinden will und sich die Krankheit in die Länge zieht? „Die telefonische Krankschreibung gilt maximal für fünf Tage und kann nicht am Telefon nochmal verlängert werden“, erklärt von Lackum und führt aus: „Danach muss der Erkrankte in die Praxis kommen.“

Kinderarzt aus Mülheim: Jeder, der nicht in die Praxis kommt, kann sich auch nichts einfangen

Auch in der Kinderarzt-Praxis Kids 4.0 von Olaf Kaiser und seinen Kolleginnen und Kollegen sorgt die Möglichkeit, dass auch für Eltern eine Bescheinigung über die Erkrankung ihres Kindes per Telefon ausgestellt werden kann, für große Erleichterung. Kaiser, der Obmann für Mülheim im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist, macht deutlich, warum: „Jeder, der nicht in die Praxis kommen muss, kann sich auch weniger einfangen.“

Olaf Kaiser ist niedergelassener Kinderarzt in Mülheim.
Olaf Kaiser ist niedergelassener Kinderarzt in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Und leider ist im Moment einiges an Viren unterwegs, was schon ganz kleinen Kindern schwer zu schaffen macht. Allen voran das RS-Virus sei es, das vor allem Säuglinge bis zu einem halben Jahr schwer treffe, so der Kinderarzt. „Die Lage hat sich zugespitzt, wir haben deutlich mehr Fälle als in den Vorjahren, von denen viele im Krankenhaus landen - und die Kinderstationen der Kliniken sind längst voll.“

Kinderarzt: Rund 20 Prozent der Mülheimer Eltern nutzen schon telefonische Krankschreibung

Entsprechend voll sei daher auch sein Wartezimmer vor Weihnachten gewesen, sagt Olaf Kaiser. Dass rund 20 Prozent der Eltern bereits Gebrauch machen vom telefonisch ausgestellten Kinderkrankenschein, entlaste die Praxis immens: „Wenn ich diejenigen, die das in Anspruch nehmen, auch noch alle hätte kommen lassen, dann hätten wir durcharbeiten müssen.“ Dabei handele es sich aber eher um Eltern der etwas älteren Kinder im Kindergarten- oder Schulalter. „Für Säuglinge stellen wir in der Regel nicht per Telefon eine Kinder-AU aus“, betont Kaiser.

Gleichwohl steht auch der Kinderarzt im engen Austausch mit Müttern und Vätern, die ihre kranken Kinder zu Hause betreuen, ohne sie in der Praxis vorzustellen, und lotet stets aus, ob ein Telefongespräch ausreicht, um den Zustand des kleinen Patienten zu beurteilen: „Im Zweifelsfall bitten wir die Eltern, mit dem Kind reinzukommen.“

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