Kreis Wesel. Wölfin Gloria darf laut Gericht weiterleben. Der Kreis Wesel prüft das weitere Vorgehen. Herdenschutz bleibt unumgänglich, aber es gibt Hürden.

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster ist ein Abschuss von Wölfin Gloria vom Tisch. Zumindest vorerst. Denn der Kreis Wesel prüft derzeit gemeinsam mit dem NRW-Umweltministerium, dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) sowie seiner Rechtsberatung die Begründung des OVG zu seiner abgewiesenen Beschwerde. Mit dem Prüfergebnis ist laut Klaus Horstmann, Fachdienstleiter für den Bereich Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei, dann darüber zu beraten, ob nach Ablauf der begonnenen und noch andauernden Reproduktionszeit der Erlass einer neuen Allgemeinverfügung Aussicht auf Erfolg hat. Hierüber sei aber noch nicht entschieden. Die Reproduktionszeit endet frühestens im Sommer.

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Alles würde über eine schnellere Entnahme sprechen, aber keiner packe es an, so der Fachbereichsleiter. „Damit bleibt es der Rechtssprechung vorbehalten.“ In der Realität stellt es sich also als schwierig dar, mutmaßliche „Problemwölfe“ zu entnehmen. Für Horstmann steht vor diesem Hintergrund fest: „Der Herdenschutz ist noch mal umso wichtiger geworden.“ Kurzum: Es braucht wolfssichere Zäune sowie Herdenschutzhunde, um die Wölfe davon abzuhalten, insbesondere kleinere Weidetiere wie Schafe und Ponys anzugreifen. Davon ist nicht nur der Kreis überzeugt, genauso sehen es auch Vertreter von Umweltverbänden sowie Tierhalter. Doch es gibt noch einige Hürden.

Herdenschutz ist und bleibt enorm wichtig, aber es gibt noch Hürden.
Herdenschutz ist und bleibt enorm wichtig, aber es gibt noch Hürden. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Das Land fördert in den betroffenen Gebieten die Anschaffung von Herdenschutzzäunen. Unter bestimmten Voraussetzungen – hier ist die Größe der Herde entscheidend – auch Anschaffung sowie Ausbildung von Herdenschutzhunden. Nicht neu ist die Forderung danach, dass auch die Zaunerhaltung sowie die laufenden Kosten für Hunde bezahlt werden. Auch der Kreis ist laut Horstmann der Auffassung, dass das förderfähig sein muss. Viel Aufwand und Bürokratie sieht er insbesondere auch für Kleinsttierhalter, oft ältere Menschen.

„Nur Zäune werden nicht funktionieren“ – Hunde kosten und nutzen aktuell nur Großbetrieben

Man helfe sich gegenseitig im Kreisverband, aber in der Sache sei es viel zu kompliziert, kommentiert Maik Dünow, Vorsitzender der Schafhalter im Kreis Wesel, das Antragsverfahren bei der Landwirtschaftskammer. Viele Kleintierhaltungen im direkten Streifgebiet hätten aufgegeben. Und er sieht ein weiteres Problem: „Nur Zäune werden im Streifgebiet nicht funktionieren.“ Das Gutachten des Kreises habe gezeigt, dass Gloria über die 1,20 Meter hohen Zäune, den empfohlenen Herdenschutz, springe.

Schäfer Maik Dünow mit seiner Schafherde und Herdenschutzhunden.
Schäfer Maik Dünow mit seiner Schafherde und Herdenschutzhunden. © Bottrop | Frank Oppitz

Sein Erfolgsrezept seit 2019: der Einsatz von Herdenschutzhunden. Seither hat er keinen Riss mehr bei den rund 600 Mutterschafen seines Betriebs zu beklagen. Dünow hat einst zertifizierte Tiere gekauft und züchtet sie nun. Um diese abermals zertifizieren zu lassen, nimmt er mitunter weite Wege in Kauf, etwa zur AG Herdenschutz Brandenburg, denn in NRW gebe es keine Stelle dafür, berichtet er. Wie viel die Haltung kostet? Naturschutzverbände sowie Dünow führen hier die Rechnung von 2500 Euro pro Jahr und Hund an. Dünow fordert nach wie vor, dass sich beim Herdenschutz endlich etwas bewegt. Im Ministerium müsse man sich Gedanken dazu machen, wie die Schafhaltung weiterfunktioniere.

Tut sich diesbezüglich etwas? „Die Landesregierung entwickelt derzeit das Wolfsmanagement der Vorgängerregierung weiter, um dieses praxistauglicher und rechtssicherer zu gestalten. Dabei werden auch weitere Fördermöglichkeiten für den Herdenschutz geprüft“, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion im Umweltministerium. Ebenfalls werde an dem Vorschlag zur Umsetzung des Beschlusses gearbeitet, demnach Problemwölfe einfacher getötet werden sollen. Aufgrund der laufenden Arbeiten seien noch keine weiteren Angaben möglich.

Gesellschaft zum Schutz der Wölfe: „Herdenschutz ist ganz individuell“

„Herdenschutz ist ganz individuell“, erläutert Nicole Kronauer, Vorsitzende der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, die ebenfalls gegen die Allgemeinverfügung des Kreises vorgegangen ist. Wie jung oder alt ist die Herde? Auf welchem Gelände steht sie? Wie sieht der Zaun bereits aus? Nicht alle Zäune müssten neu gebaut werden, „manchmal reicht es auch, aufzurüsten“. Ihr Verein will den Tierhaltern Ansprechpartner sein. „Ich bin keine Herdenschutzexpertin“, betont sie, aber sie vermittele telefonisch oder per E-Mail weiter, etwa an die Landwirtschaftskammer, zum Thema Hunde oder an Wikiwolves, die tatkräftig beim Zaunbau Haltern mit helfenden Händen zur Seite stehen.

Kostenlose Beratung und abgerufene Summe

Laut NRW-Umweltministerium stehen im Jahr 2024 zunächst Fördermittel in Höhe von einer Million Euro zur Verfügung. Zuletzt ist die abgerufene Summe etwas gestiegen: Während es 2022 rund 430.000 Euro waren, haben Halter im vergangenen Jahr rund 600.000 Euro abgerufen.

Seit 2022 kümmert sich die Landwirtschaftskammer um die Beratung zum Thema Herdenschutz. Sie empfiehlt vor der Antragsstellung, ihr kostenloses Beratungsangebot zu nutzen. Die Kammer hatden Eindruck, Tierhalter gut zu erreichen. Seit Beginn der Förderungen habe es verschiedene Info-Veranstaltungen in unterschiedlichem Rahmen gegeben. Wie lange es von der Erstellung bis zur Bearbeitung eines Antrags dauere, sei abhängig vom Umfang. „Üblicherweise vergehen etwa vier bis acht Wochen.“

„Besorgte und betroffene Tierhalter sind eingeladen, sich über die Hotline telefonisch über Herdenschutzmaßnahmen, aktuelle Fördermöglichkeiten und das Antragsverfahren zu informieren. Bei Bedarf können nach telefonischem Erstkontakt Vor-Ort-Beratungstermine vereinbart werden“, schreibt die Kammer auf ihrer Internetseite. Dort wird auch auf die zentrale Servicehotline Herdenschutz hingewiesen: 02945/989898 (montags bis donnerstags, 8 bis 17 Uhr und freitags 8 bis 13 Uhr). Außerdem gibt es eine E-Mailadresse für Anfragen: herdenschutz@lwk.nrw.de.

Aus Sicht von Kronauer führt kein Weg an einem flächendeckenden Herdenschutz vorbei. Sie verweist auf die in der Regel im Frühjahr wandernden Jungwölfe: „Es kann überall in Deutschland, an jeder Weide ein Wolf auftauchen.“ Und die noch unerfahrenen Tiere bedienten sich dann logischerweise eher an der leicht zugänglichen Beute als an einem schnell fliehenden Reh. So lernen sie genau das, was sie nicht tun sollen.

Dass für Beratung und Antragsstellung seit einigen Jahren in NRW die Landwirtschaftskammer zuständig ist, befürwortet die Vereinsvorsitzende. Damit sei das Thema an der richtigen Stelle aufgehoben, zudem habe man aufgestockt. Doch aus ihrer Sicht brauche es noch mehr Kräfte – und vor allem sei vorherige Erfahrung bei Bezäunung und Hütesicherung wichtig. Kronauer sieht ebenfalls noch fehlende Informationen bei den Kleinsttierhaltern, selbst im Kreis Wesel. Eine Idee: Veterinärämter verfügen über die Daten, Vereine wie ihrer könnten helfen, Broschüren herauszugeben, um diese Halter anzusprechen.

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