Kreis Wesel. Wird die Wölfin aus dem Kreis Wesel abgeschossen oder rettet sie der Faktor Zeit? Noch hat das Gericht nicht entschieden. Naturschützer hoffen.

Kurz vor Weihnachten sah es für „Gloria“ ziemlich schlecht aus. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium und die Weseler Kreisverwaltung hatten die Weichen gestellt, um die Wölfin der „Natur zu entnehmen“, sprich: abzuschießen. Einen Tag später wurde die Abschussgenehmigung allerdings wieder kassiert. Die Allgemeinverfügung dazu setzte das Verwaltungsgericht Düsseldorf per Zwischenentscheidung vorübergehend außer Kraft, weil die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) und der BUND-Landesverband NRW geklagt und Eilanträge gestellt hatten.

Zwei weitere Eilanträge sind mittlerweile hinzugekommen, von den Vereinen Naturschutzinitiative und Wolfsschutz Deutschland. Solange das Gericht darüber nicht entschieden hat, darf die Wölfin mit der Kennung GW954f nicht abgeschossen werden. Das macht die mögliche Jagd zu einem Zeitspiel. Denn die Allgemeinverfügung läuft am 15. Februar mit Beginn der Reproduktionszeit wieder ab.

Noch hat die 28. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nicht im Eilverfahren entschieden. Wann das der Fall sein soll, konnte das Gericht auf Nachfrage nicht beantworten. Es sei aber beabsichtigt, vor dem 15. Februar in einem schriftlichen Verfahren zu einer Entscheidung zu kommen, so das Gericht, das im gleichen Atemzug klarstellt, dass den Verfahrensbeteiligten danach noch der Gang vor das Oberverwaltungsgericht Münster freistehe. Eine weitere Zwischenentscheidung zur möglichen Aussetzung der Abschusserlaubnis obliege dann dem OVG.

Wölfin Gloria: Kann der Abschuss verhindert werden?

Der Kreis hält sich auf Nachfrage den Weg nach Münster je nach Ausgang des Eilverfahrens zumindest offen, „in enger Abstimmung“ mit dem Umweltministerium, so der Kreis. Man gehe angesichts der Tragweite des gesamten Falles aber grundsätzlich davon aus, „dass die am Verfahren Beteiligten jeweils für sich ein Interesse an einer juristischen Klärung in der Hauptsache haben“.

Klar ist: Mit jeder Woche, die verstreicht, wächst für Wölfin Gloria die Chance, dem Abschuss doch noch zu entgehen. Zumindest vorerst. Darauf hoffen die Wolfs- und Naturschützer. Der BUND hatte mit Ablauf des Mittwochs in insgesamt drei Schritten weitere Erklärungen eingereicht, die die Klage untermauern sollen. Gemeinsam mit der 30-seitigen Allgemeinverfügung des Kreises sowie weiterer Schriftsätze der Kläger hat das Gericht in Düsseldorf reichlich Stoff zum Aktenstudium, das je nach Fülle zum Zeitfresser werden könnte.

Sowohl BUND als auch die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe stellen unterdessen klar, dass das reine Spiel auf Zeit nicht ihr vornehmliches Ziel ist. „Wir haben den Widerspruch eingebracht, damit der Abschuss gar nicht geschieht“, sagt der BUND-Landesvorsitzende, Holger Sticht, im Gespräch mit der Redaktion.

Fördersumme wird kaum abgerufen

Das Land setzt im Umgang mit dem Wolf grundsätzlich auf mehr Schutz der Weidetiere durch Zäune und Hütehunde. Das Fördergebiet, in dem Nutztierhalter für die vorbeugenden Maßnahmen bis zu 100 Prozent der Kosten vom Staat bekommen, wurde im Herbst 2023 auf fast die Hälfte der Landesfläche ausgedehnt. Von den insgesamt zwei Millionen Euro, die dafür zur Verfügung standen, wurden 2023 aber erst rund 566 000 Euro auf Antrag ausgeschüttet, wie die zuständige Landwirtschaftskammer Ende 2023 mitteilte. 2022 waren es für das Gesamtjahr rund 430 000 Euro - also ebenfalls deutlich weniger als laut Etat möglich. (dpa)

Auch GzSdW-Vorsitzende Nicole Kronauer hofft, dass der Abschuss „grundsätzlich“ gestoppt werde. Zumal der Abschuss von Wölfen ohnehin ein falsches Signal für die Weidetierhaltung sei. Diese müsse besser geschützt werden, ohne die Halter in Bürokratie ertrinken zu lassen. Das Hauptproblem sei das Vorgehen von Ämtern und Behörden, die zu hohe Hürden einzögen.

Die Weidetierhalterinnen und -halter hätten „wenig Geld und wenig Zeit“, so Kronauer, „und dann werden sie noch mit Bürokratismus überhäuft“. Der Antragsaufwand müsse sich deutlich verringern, damit mehr Weidetierhalter in sicheren Herdenschutz investieren und auch die zur Verfügung stehenden Fördergelder abrufen. „Das Ziel muss sein, den Weidetierhaltern zu helfen“, so Nicole Kronauer, und nicht, den Haltern zu suggerieren, der Wolfsabschuss sei die Lösung.

Wölfe spüren, wenn irgendwas nicht stimmt
Nicole Kronauer - Vorsitzender der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe

Abgesehen von dieser Grundsätzlichkeit sehen sowohl BUND als auch GzSdW den immer enger werdenden zeitlichen Korridor bis zum 15. Februar zumindest als willkommene Etappe, den Abschuss von Gloria zu verhindern. Auch, weil Wölfe mit zunehmendem Alter sensibler für ihre gesamte natürliche Umgebung würden, erklärt Nicole Kronauer. „Sie spüren, wenn irgendwas nicht stimmt.“ Das könne die Suche erschweren. Andererseits steige dadurch die Gefahr, dass jüngere Wölfe geschossen werden könnten, weil diese unvorsichtiger seien.

Risse von Weidetieren und das Verhalten von Wölfin Gloria sind im Kreis Wesel Bestandteil emotional geführter Debatten. Die Bilder schwer verletzter oder toter Tiere empören Nutztierhalter, die vom Staat mehr Schutz für ihr Eigentum fordern - auch wenn sie bei nachgewiesenen Wolfsrissen Entschädigung erhalten. Lautstark sind aber auch die Proteste von Tierschützern gegen Abschusspläne für die streng geschützten Wölfe. „Gloria“ sei das einzige weibliche Tier in dem Rudel am Niederrhein. Sollte die Fähe abgeschossen werden, könne sich das Rudel nicht mehr fortpflanzen, argumentieren sie in ihren Klagen gegen die Abschuss-Verfügung.

Der Kreis Wesel ist dagegen laut Allgemeinverfügung der Meinung, dass „aufgrund des ausgeprägten Migrationsverhaltens und der hohen Laufleistung junger Wölfe“ als wahrscheinlich angenommen werden könne, „dass früher oder später weibliche Jungtiere aus Rudeln in Nachbarbundesländern oder auch ein erwachsenes fernwanderndes weibliches Tier wieder zuwandern.“ (mit dpa)