Kreis Wesel. Der Kreis Wesel hat Wölfin Gloria zum Abschuss freigegeben, der BUND klagt dagegen. Was bedeutet das nun? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Ist Gloria eine Problemwölfin und muss daher getötet werden? Diese Debatte ist am Niederrhein nicht neu. Im Mai 2021 scheiterte ein Hünxer Schäfer wiederholt vor Gericht, nachdem er Glorias Abschuss beantragt hatte. Zwei Jahre später soll alles plötzlich ganz schnell gehen: Der Kreis Wesel hat in Abstimmung mit dem NRW-Umweltministerium nur wenige Tage vor Weihnachten eine Allgemeinverfügung herausgegeben. Sie regelt die Ausnahmegenehmigung zum Abschuss der Wölfin mit der Kennung GW954f. Kreis und Ministerium drücken dabei ordentlich aufs Tempo: Sie fürchten ansonsten erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Allerdings: Aufgrund von Klagen und Eilanträgen ist der geplante Abschuss erst mal ausgesetzt. Die Allgemeinverfügung wird inhaltlich in den kommenden Wochen vom Verwaltungsgericht bewertet.

Die Naturschutzverbände Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gehen wenig überraschend auf die Barrikaden: Sie kritisieren das aus ihrer Sicht unzureichende Beteiligungsverfahren und betonen, dass „zumutbare Herdenschutzmaßnahmen“ nicht ausgeschöpft seien. Sie fürchten „fatale Folgen für die Population“. Wie geht es jetzt genau weiter? Wir versuchen, die wichtigsten Fragen zu beantworten.

Wer wäre befähigt, Wölfin Gloria zu schießen?

„Die Durchführung der zugelassenen Entnahme ist allein Jagdausübungsberechtigten gestattet“, heißt es in der Allgemeinverfügung. Sie müssen vom Kreis Wesel eine individuelle Beauftragung erhalten und diese im Gelände mitführen. Der Wolfsabschuss wird seit Jahren emotional diskutiert. Jäger haben Sorge vor Anfeindungen. Die Verwaltung hat daher explizit darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen örtlichen Revierinhaber handeln soll. „Die Kreisverwaltung Wesel beauftragt mindestens eine geeignete, nach der Wolfsverordnung sachkundige Person. Deren Identität wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt. Eine Verpflichtung von Personen ist nicht vorgesehen.“ Eine Beauftragung erfolge zeitnah in Abstimmung mit dem Ministerium, hieß es noch am Mittwoch.

Kann jetzt direkt geschossen werden?

Da direkt Klagen und Eilanträge – von der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe sowie vom BUND – beim Verwaltungsgericht Düsseldorf zur Allgemeinverfügung eingegangen sind, ist sie erstmal ausgesetzt. Damit darf Gloria zunächst nicht geschossen werden, heißt es in einer Mitteilung des Verwaltungsgerichts und auch des Kreises. „Über die Eilanträge selbst wird im Verlauf der kommenden Wochen entschieden werden“, so das Gericht.

Der Wolf ist streng geschützt – wann gibt es eine Ausnahmeregelung?

Eigentlich besitzt der Wolf nach Bundesnaturschutzgesetz einen hohen Schutzstatus. Doch es gibt Ausnahmen, nämlich dann, wenn ein ernsthafter wirtschaftlicher Schaden zu erwarten ist. Zudem müssen zumutbare Alternativen wie Vergrämung, Aufstallung oder Herdenschutz ausgeschlossen sein.

Wie argumentieren Kreis und Ministerium in der Allgemeinverfügung?

Aus Sicht des Kreises sind die Ausnahmen gegeben: In der Allgemeinverfügung sind die durch Gloria verursachten Nutztierrisse seit 2018 aufgeführt. In neun Fällen hat sie demnach den empfohlenen Herdenschutz von 1,20 Meter überwunden. Vor diesem Hintergrund und dem zeitlich-räumlich engen Abstand seit September wird „von einem in der Zukunft drohenden ernsten wirtschaftlichen Schaden ausgegangen“, lautet hier eine Beurteilung. „Die Rissereignisse lassen den Schluss zu, dass bei der Wölfin die Angriffe auf die betroffenen Nutztiere als erlerntes bzw. gefestigtes Jagdverhalten anzusehen ist“, heißt es weiter. Zumutbare Alternativen zum Abschuss konnten nicht festgestellt werden. Von einem schlechteren Erhaltungszustand der lokalen Wolfspopulation werde ebenfalls nicht ausgegangen.

Wie wäre der Abschuss geregelt?

Anders als zuletzt oft diskutiert, müsste nicht auf einen weiteren Riss von Gloria gewartet werden. Allerdings steht nun zuerst die gerichtliche Entscheidung aus. Für den Abschuss wurde in der Allgemeinverfügung ein Gebiet nördlich der Lippe in Teilen der Gemeinden Hünxe und Schermbeck definiert. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass ein weiterer Wolf getötet wird, weil Gloria „keine auffälligen äußerlichen Erkennungsmerkmale aufweist“. Aktuell werde lediglich von einem weiteren Tier im Gebiet ausgegangen. Nicht geschossen werden darf laut Allgemeinverfügung auf ein Tier, das Jungtiere mit sich führt oder erkennbar trächtig ist.

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Wie wurden die Naturschutzverbände beteiligt?

Die Naturschutzverbände haben bereits im Vorfeld das Verfahren der Anhörung kritisiert. Mit einer Woche sei es viel zu kurz gewesen, zudem habe den Verbänden der genaue Inhalt der Verfügung nicht vorgelegen, wie Frank Boßerhoff, stellvertretender Nabu-Vorsitzender im Kreis sagte. „Da weitere Konflikte bedingt durch Wölfe nicht ausgeschlossen werden können bzw. weil es bereits erneut zu weiteren Rissen durch Wölfe gekommen ist, ist Eile geboten“, heißt es in der Allgemeinverfügung. Angesichts dessen und einer überschaubaren Komplexität wurde die Frist von einer Woche als ausreichend betrachtet, jedoch konnte aufgrund der Eile kein Entwurf übermittelt werden. „Die wesentlichen Argumente für die Erteilung der Ausnahme wurden jedoch schriftlich mitgeteilt.“

Wie reagieren Nabu und BUND?

Der BUND hat noch am Donnerstag Klage eingereicht. Auch der Nabu prüft das. Frank Boßerhoff verweist jedoch auf die Kürze der Zeit und die 30 Seiten lange Allgemeinverfügung, die zunächst juristisch geprüft werden müsse, zumal so kurz vor Weihnachten viele im Urlaub seien. „Auch für uns ist das total unbefriedigend“, man müsse Geduld haben. „Das wird besser sein als ein Schnellschuss.“