Am Niederrhein. Die Hoffnung der Bauern am Niederrhein, mit ihren Weihnachtstreckern mehr als nur Stimmung zu bringen, hat getäuscht. Ein Kommentar.

Schöne bunte Lichter, Adventstimmung in der dunklen Coronazeit – so hat das angefangen mit den Weihnachtstreckern: Ein riesiger Erfolg. Die heimischen Bauern fuhren Krankenhäuser und Altenheime an, brachten Freude – eben einen „Funken Hoffnung“. Gleichzeitig wollten sie auf ihre Probleme aufmerksam machen, das aber blieb weitgehend unbemerkt. Nach den letzten geplanten, noch nicht genehmigten, Fahrten suchen sie jetzt andere Wege des Protestes, ohne Lichterglanz und vermutlich mit wenig Hoffnung.

Was hätten Verbraucher von einem regionalen Höfesterben? Wie sich eine Abhängigkeit von ausländischen Lieferketten anfühlt, das haben wir in der Coronazeit zu spüren bekommen. Was hätten die Tiere davon? Nichts, die Standards in Deutschland sind vergleichsweise hoch. Ein Höfesterben in der Region kann weder für Tierschützer noch für Verbraucher eine gute Sache sein, übrigens auch für Naturschützer nicht, denn die Kulturlandschaft am Niederrhein bietet vielen Arten ein Zuhause.

Was Verbraucher wollen, entscheidet sich an der Kasse

Die heimische Lebensmittelproduktion steht unter einem Widerspruch: Tierwohl ist vielen Verbrauchern wichtig. An der Supermarktkasse zählt aber häufig nur der Preis. So wandert Importfleisch über die Theke. Wo es herkommt, unter welchen Bedingungen die Tiere dort gehalten werden? Danach fragt an diesem Punkt kaum noch jemand. Es wäre zu kurz gesprungen, die Verantwortung dafür den Verbrauchern allein aufzubürden, viele Familien drehen jeden Cent um und das nicht erst seit der hohen Inflation.

Ein „weiter wie bisher“ kann es auch nicht sein. Da wäre der Einzelhandel, bei dem große Margen hängen bleiben. Da wären politische Rahmenbedingungen, die wirtschaftliche Risiken der wichtigen ökologischen und tierschutzrechtlichen Ziele auf den Schultern der Bauern abladen. Ganz schuldlos sind die Landwirte nicht daran, dass der Kontakt der Menschen zum Lebensmittelproduzenten abgebrochen ist, ihre Kommunikation haben sie zu lange ihren Funktionären überlassen. Viele wissen das und arbeiten dagegen, öffnen ihre Höfe, sprechen mit den Menschen. Und sie sollten regionalere Strukturen aufbauen, mit Hilfe von Politik und Gesellschaft: Massenschlachtereien und ihre menschenverachtenden Arbeitsbedingungen müssen von Gestern sein.

Gefundene Lösungen werden nicht umgesetzt – die Borchert-Kommission

Politik und Gesellschaft müssen mit den Bauern entscheiden, nicht über sie. Zugegeben, das ist keine neue Idee. Es gab das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert. Ein umfassendes Konzept, wie die Tierhaltung sich ändern kann, erstellt von Wissenschaftlern, Umweltschützern, Landwirten und Beteiligten der Branche. Die Kommission hat im August das Handtuch geworfen: Die Politik lobte ihre Ergebnisse, setzte sie aber nicht um.

Die Weihnachtstrecker sind nach 2023 Geschichte, die Probleme, die die Bauern damit am Niederrhein ansprechen wollten, bleiben sehr akut.

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