Kreis Kleve. Lust auf die Fußball-WM in Katar haben nicht alle. Ein Klever Public-Viewing-Veranstalter boykottiert sie sogar. Was Wirte im Kreis anbieten.
Die Deko liegt schon parat. Pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft wird Andre „Ente“ Miesen seine Emmericher Kneipe Onder de Poort mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen und Wimpelketten schmücken. „Ich zeige alle Spiele“, kündigt der Wirt an.
Es sind keine vier Wochen mehr, bis der Ball in Katar rollt. Die WM startet am 20. November. Die deutsche Nationalmannschaft steht am 23. November erstmals auf dem Platz. Dann gegen Japan. Gemeinsames Rudelgucken im Kreis Kleve? Eher schwierig. Public-Viewing-Veranstaltungen sind in Emmerich, Rees, Kleve, Kalkar und Goch ziemlich rar gesät, wie eine stichprobenartige Umfrage der NRZ ergab. In keiner Kommune sind bisher größere Public-Viewing-Events bei den Ordnungsämtern angemeldet worden. Für die Kneipe nebenan gilt die Anmeldepflicht allerdings nicht. Ähnlich wie bei Bundesliga-Spielen kann die WM hier ohne Auflagen übertragen werden.
Emmericher Wirt: Public Viewing im Winter lohne sich nicht
Andre Miesen zeigt die Spiele auf Leinwand. 50 Plätze bietet seine Sportsbar an der Rheinpromenade 24. Seinen Gästen reicht er dazu kostenlose Knabbereien. In die Fußstapfen seines Vorgängers, der zur WM 2018 ein Public Viewing auf der Stadtplatte veranstaltet hat, tritt Miesen damit aber nicht. „Ein großes Public Viewing im Winter lohnt sich einfach nicht. Und die Auflagen sind auch ziemlich hoch“, findet er. Ganz auf die Übertragung zu verzichten, kam für den Kneipenpächter aber auch nicht infrage. „Wir sind eine Sportsbar. Meine Gäste wollen Fußball gucken.“
Miesen selbst sieht die WM in Katar schon etwas kritisch. „In dem Land läuft einiges schief.“ Das Turnier ist seit Jahren umstritten. Mindestens 15.000 Arbeiter sollen beim Bau der Stadien ums Leben gekommen sein. „Und dazu spricht man in Europa von Klimakrise und in Katar wird währenddessen viel Geld in die Hand genommen, um die Stadien zu kühlen, damit dort überhaupt gespielt werden kann. Das passt doch nicht zusammen“, sagt Miesen. „Die deutsche Mannschaft hätte die WM von vornherein boykottieren sollen. Das wäre ein starkes Zeichen gewesen.“
Public Viewing wurde in Rees in der Vergangenheit nicht gut angenommen
Für Jens Himmer, Betreiber von Himmers Bistro 852, steht auch fest: Er zeigt die WM. „Man muss auch die Sportler ehren, die sich dafür qualifiziert haben“, erklärt er. „Und ich möchte es den Menschen ermöglichen, die Spiele zu sehen, die Lust drauf haben.“ Ein großes Public Viewing gibt es aber auch hier nicht. Die Spiele laufen auf den Fernsehgeräten, die Himmer sowieso in seinem Lokal an der Emmericher Rheinpromenade 10 aufgestellt hat. Gezeigt werden alle Spiele. „Ich bin froh, in dieser tristen Zeit so für ein bisschen Unterhaltung sorgen zu können“, so Himmer.
In Rees hat es ein Public Viewing zuletzt bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 gegeben. Damals handelte es sich noch um eine städtische Veranstaltung, die im Bürgerhaus stattfand. „Das Angebot wurde aber nicht gut angenommen, sodass seitdem kein Public Viewing mehr seitens der Stadt Rees angeboten wurde“, erklärt Stadtsprecher Jörn Franken.
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Auch in Scholly’s Sport- und Freizeitcenter Rees bleiben die Bildschirme dunkel. „Ich habe nichts zur WM geplant“, sagt Inhaber Helmut Scholl. „Ich glaube, die Zeiten des Rudelguckens sind schon etwas vorbei. Jeder schaut die Spiele zuhause, gerade jetzt während Corona.“
Klever Public-Viewing-Veranstalter boykottiert WM in Katar
Auf der anderen Rheinseite, in Kleve, wird die WM in Katar sogar knallhart boykottiert. Zur Fußball-EM im vergangenen Jahr hatte Tim Verfondern, Inhaber des Soundbox Ton- und Werbestudios, noch in Kooperation mit dem Casa Cleve ein Public Viewing organisiert – das einzige im Kreis Kleve.
Bis zu 250 Fans verfolgten die Spiele auf einer LED-Großleinwand. Darauf wird 2022 ganz bewusst verzichtet. „Wir können und wollen diese WM nicht unterstützen“, betont Verfondern. „Bei jeder anderen Weltmeisterschaft, zu jeder Tages- und Nachtzeit, wären wir mit einem Public Viewing dabei gewesen aber nicht in Katar.“
Kritik am WM-Gastgeberland
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Verfondern kritisiert die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen im WM-Gastgeberland. „Da kann ich nicht drüber hinwegsehen, um trotzdem Geld zu verdienen. Da verzichte ich lieber auf die Einnahmen.“ Die Entscheidung sei schon beim Bau der Stadien gefallen. Er selbst werde sich die Spiele auch nicht im Fernsehen anschauen, sagt der Soundbox-Inhaber. „Da bin ich konsequent: entweder ganz oder gar nicht. Und in diesem Fall definitiv gar nicht.“
Im Goch Live, der Sportsbar an der Bahnhofstraße 51, wird die WM hingegen gezeigt. Ob alle Spiele oder nur die mit deutscher Beteiligung, stehe noch nicht fest, heißt es auf Nachfrage der NRZ.