Rees-Esserden. Norbert Hollands, Ortsvorsteher von Esserden, spricht über seine Rolle bei der Auskiesung Reeser Meer, über den Real oder den Deich in Zukunft.
Esserden ist das Tor zur Welt? Ortsvorsteher Norbert Hollands erklärt, warum er das ernst meint. Im Rahmen der Interview-Serie „Die Ortsversteher“.
Warum haben Sie sich als Ortsvorsteher aufstellen lassen?
Damals gab es in Esserden keinen Ortsvorsteher. Ich bin also der erste Ortsvorsteher von Esserden. Seinerzeit kam die CDU auf mich zu. Der damalige Bürgermeister Bruno Ketteler, Dieter Karczewski, der Fraktionsvorsitzender wurde, was vorher mein Vater war, von daher gesehen ist die Nähe zur CDU auch gegeben. Aber das war nicht der Hauptgrund. Der Hauptgrund war, dass ich da eine Möglichkeit gesehen habe, was für die Bürgerschaft in Esserden zu tun.
Also haben Sie auch einen Bedarf gesehen: Esserden brauchte einen Ortsvorsteher?
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Der Wunsch kam aus dem Ort, aus den Vereinen, insbesondere aus dem Schützenverein. Esserden war in den Jahren zuvor stark gewachsen. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass wir jetzt 1000 Einwohner haben. Und somit ist die Möglichkeit gegeben. Die Frage kam an mich und ich habe relativ spontan Ja gesagt.
Mit welchen Anliegen kommen die Bürger zu Ihnen?
Mit allen Anliegen. Das können Sie sich vorstellen. Das Standardprogramm ist, dass man zum Geburtstag gratuliert. Ab 75 verschickt die Stadt mit dem Ortsvorsteher und dem Bürgermeister einen Brief. Ab 80 gibt’s den ersten Besuch vom Ortsvorsteher. Ab 90 jedes Jahr. Das ist der Unterschied zu Emmerich, wo es erst ab 90 los geht. Das halte ich für sehr gut, weil man merkt, dass die Leute im Alter im wahrsten Sinne des Wortes alleine sind. Da hat man manchmal Gegebenheiten, wo man weiß, dass die Bürger, insbesondere die Bürgerinnen, froh sind, dass überhaupt jemand kommt.
Zum anderen gibt es Kleinigkeiten, Wünsche, Anregungen, die von den Bürgern kommen. Da ist es Aufgabe des Ortsvorstehers, diese entgegen zu nehmen und versuchen sie umzusetzen. Und dieses Umsetzen ist nicht ganz so einfach, wie sich das mancher Ortsvorsteher gedacht hätte. Da muss man schon genau überlegen: Was geht, was geht nicht? Ich darf aber sagen, wir haben in Esserden schon das ein oder andere umgesetzt und bewegt. Letzten Endes funktioniert es ganz gut, dass man für beide Seiten als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Wir haben damals aufgrund des Jubiläums 1111 Jahre Esserden mit den vier Vereinen in der Ortschaft Esserden, Reeserwardt und Speldrop zusammen ein Fest organisiert. Und dadurch ist eine sehr gute Zusammenarbeit entstanden, wo letztendlich ein Förderverein entwickelt worden ist. Der nennt sich Rond öm de Eik. Unsere Eiche am Ehrenmal. Dadurch ist auch ein Aufkleber entstanden. Und ein Wappen, das immer am Ortseingang von Esserden zu finden ist. Die alten Leute wissen es, aber so können auch die jungen Leute sehen, wo genau sind Esserden, Speldrop und Reeserwardt.
Provokant gefragt: Wer zum Real gegangen ist, hat in Esserden alles gesehen?
Esserden ist das Tor der Welt...
(...der Redakteur muss lachen...)
Der Bürgermeister lacht genau so wie Sie, wenn ich das sage. Aber überlegen Sie mal. Es ist kein Witz. Ich war zehn Jahre Vorsitzender im Blasorchester Praest. Und vor Jahren ist ein ehemaliges Mitglied des Blasorchesters nach Esserden gezogen. Da habe ich ihn gefragt: ‘Wie kommst Du nach Esserden?’ Da sagte er: ‘Norbert, zentraler geht es doch nicht. Ich arbeite in Xanten, meine Frau in Bocholt, unsere Eltern wohnen in Emmerich. Hier liegen wir zentral.’ Und genau so ist es. Man hat die Schiene Bocholt-Kalkar-Goch-Kleve oder Emmerich-Wesel alles hier. Der Bahnhof Empel in der Nähe, die beiden Autobahnen 3 und 57. Viel zentraler geht es nicht. Man ist relativ schnell überall.
Um den Real-Markt sind wir sehr froh. Wir sind auch zuversichtlich, dass es mit dem Real-Markt – in welcher Form auch immer – weiter gehen wird. Denn so hoch wie der frequentiert ist, nicht zuletzt wegen der Holländer, die gerne hier einkaufen – der läuft gut, der Laden. Wir sind positiv gestimmt, dass es den auch später weiter geben wird.
Unabhängig von der Corona-Pandemie: Welchen Effekt hat der Umbau des Lokals Zur Linde fürs Dorf gehabt?
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Er hat immer noch einen Effekt. Zunächst mal ist aktuell die Küche erneuert worden. Die haben richtig investiert. Durch die Nutzung des Saals als Speiserestaurant hat es erhebliche Veränderungen für die normale Dorfbewohnerschaft gegeben, weil jetzt nicht mehr 24 Stunden, sieben Tage die Woche dort alles möglich ist. Es bedarf ein wenig Organisation. Da sind aber Maik und Anni Baatsch, unser neues Gastronomen-Ehepaar, sehr entgegenkommend. Man muss bei Zeiten hin kommen und alles abstimmen, was man möchte. Und dann klappt das auch.
Es hat Veränderungen geben. Sie sind jung. Aber Mut zur Veränderung heißt, es geht auch weiter. Gerade, wenn man hört, dass investiert worden ist. Ein gutes Zeichen. Wenn wir uns unsere Nachbarorte angucken, es gibt genügend Dörfer, wo gar keine Gastronomie mehr ist. Das sind wir sehr froh, dass wir sie haben.
Inwieweit belastet Sie ihre Rolle als Ortsvorsteher beim Thema Auskiesung Reeser Welle? Sind Sie hier eher als Vermittler gefragt oder als Kämpfer für die Bürgermeinung?
Sehr schöne Frage. Dieses Thema, können sie mir glauben, hat mich an die Grenzen gebracht, da in Esserden bekanntermaßen sehr viele Leute sehr aktiv sich dagegen positionieren. Deswegen muss man sich erstmal überlegen, wie geht man überhaupt vor. Es ist eine Sache, die in den Anfängen der 90er-Jahre durch die Stadt Rees lange, lange entschieden war. Und zwar zur Auskiesung.
Jetzt hat man sich damit beschäftigt. Ich habe mit Wasser und Abwasser sowie Wasserbau zu tun. Ferner komme ich aus Reeserwardt, Obstplantage Baumann, dahinter ist mein Elternhaus, ich komme aus einem Poldergebiet – daher kenne ich auch die Baggerlöcher. Das Thema ist mir nicht fremd. Man muss ein paar Spielregeln einhalten.
Ich habe mich sehr stark eingesetzt, auch mit der Dorfgemeinschaft, für eine möglichst sichere Angelegenheit in dieser Maßnahme. Das ganze so gestalten, dass nach Möglichkeit wenig Schaden für die Ortschaft und die Bewohner entsteht. Da hat es von mir persönlich schon sehr viele Einwände gegeben, die aber im Sinne einer konstruktiven Darstellung zu sehen sind. Ich habe Vorschläge gemacht, wie man es verändern kann, um Schäden zu minimieren. Oder auch an manchen Stellen den Hochwasserschutz zu verbessern. Diese Anregungen sind mittlerweile von dem Antragsteller positiv entgegen genommen oder anerkannt worden. Ich bin relativ sicher, dass sie umgesetzt werden. Also: Ich diene heute als Vermittler. Ich persönlich gehe davon aus, dass die Auskiesung kommen wird.
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Es haben sich schon erhebliche Veränderungen eingestellt. Kleines Beispiel: Es sollte damals eine Riesenfläche ausgekiest werden, heute sind es schon mal zwei getrennte Flächen. Die Wardstraße wird bestehen bleiben. Wir haben also einen wasserhydraulischen Widerstand. Die Verbindung zum Rhein ist nicht ganz so direkt gegeben. Es gibt immer wieder Barrieren. Wir haben es ja erlebt. Aufgrund der zwei trockenen Sommer sind die Grundwasserstände so viel gesunken. Dieser niedrige Wasserstand ist ein Problem für unsere Häuser. Wir haben im vergangenen Jahr einige Schäden feststellen können. Da habe ich entsprechende Einwendungen gemacht und die werden auch akzeptiert. Also positive Kritik.
Welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft für Esserden?
Mein persönliches Ziel: Ich bin angetreten seinerzeit und habe in mehreren Aktionen mit mehreren Leuten Sachen initiiert, um Gemeinschaft zu bilden. Ich nenne ein Beispiel: Die Adventsfenster-Aktion machen wir jetzt seit zehn Jahren. Das soll dazu dienen, um Nachbarschaften und Gemeinschaften im Ort zu fördern. Es hat sich gezeigt, dass bei Wind und Wetter im Dezember abends um 18 Uhr die Leute immer kommen, um an dieser Aktion teilzunehmen. Es ist erstaunlich nach zehn Jahren wieviele daran teilnehmen. Auch neu zugezogene können hier teilnehmen und Nachbarschaft erleben.
Das halte ich auch für wichtig. Heute im Zeitalter des Handys und der sozialen Medien passiert ja genau das Gegenteil. Die Leute ziehen sich immer mehr zurück und die aktive Gemeinschaft wird weniger. Um so wichtiger, dass man versucht, diese Gemeinschaft zu leben. Das versuchen wir hier im Dorf.
Wie steht es um die Deichsanierung?
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Ein wichtiger Punkt auf der Agenda. Das ist nicht ganz unerheblich. Der neue Deich sieht anders aus als der alte. Er wird in Esserden erhebliche Konsequenzen haben. Der jetzige Deich hat Biegungen, die so eng sind, dass es vom Radius her mit dem neuen Deich gar nicht mehr passt. Er wird einen anderen Verlauf nehmen, gerade im Ortskern.
Der neue Deich wird mehr Wasser durchlassen. Die Anwohner werden im Falle des Hochwassers direkt und unmittelbar mehr Wasser vor der Tür stehen haben. Und das ist nicht ganz ohne. Da muss man überlegen, wie man vorgeht. Entsprechend ist das Thema Gräben und Wasserabführung äußerst wichtig. Da hat der Deichverband in den vergangenen Jahren gut Hand angelegt.
Wie steht es um die Vereine?
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Wir sind auf einem guten Weg, die Dorfgemeinschaft lebt. Ich lobe die Vorsitzenden der Vereine. Wir haben glücklicherweise in allen Vereinen die Situation, dass es offensichtlich weitergeht und nicht vor dem Aussterben stehen, wie es manchmal in anderen Ortschaften der Fall ist. Da ist es mir ein Anliegen, denen zu danken, die sich aktiv insbesondere für die Jugendarbeit engagieren. Zum Beispiel beim Sportkegeln oder im Schützenverein, auch mit den Fahnenschwenkern, da wird sehr intensiv Jugendarbeit betrieben.
Auch bei den Anglern, obwohl das Thema schwieriger wird, weil es vom Gesetzgeber her nicht ganz so einfach ist, überall zu angeln. Nicht zuletzt haben wird die DjK TuS Esserden. Beim Karneval zweimal das Bürgerhaus voll, da brummt es. Aber es ist viel Arbeit. Den Verantwortlichen kann ich nur meinen äußersten Dank aussprechen.
Norbert Hollands (CDU) wurde in Rees-Mehr geboren und ist 55 Jahre alt. Der freiberufliche Elektrotechniker ist seit 2009 Ortsvorsteher und würde nach der Kommunalwahl im Herbst erneut bereit stehen.