Voerde. Einer der drei Schornsteine auf dem alten Kraftwerksgelände hat leicht an Höhe verloren. Wird er bald abgerissen? RWE-Sprecher gibt Auskunft.

Wer auf der A59 in Richtung Dinslaken unterwegs ist, dem öffnet sich Richtung Norden kurz der Blick auf die noch stehenden hohen Bauten des stillgelegten Kohlekraftwerkes im einige Kilometer entfernten Möllen: Einer der drei Schornsteine – so fällt es aus der Ferne ins Auge – sieht anders aus als vorher. Der Riese scheint leicht an Höhe verloren zu haben. Und der Schein trügt nicht. Beim Blick ins Fotoarchiv wird klar, worin der Eindruck begründet liegt: Der dicke weiße Kamin, der ganz im Norden der alten Industriefläche an der Frankfurter Straße am nächsten zur Ahrstraße hin steht, trägt seine ursprüngliche „Spitze“, zwei oben herausragende Rohrenden ähnliche Teile, nicht mehr.

Rückbau auf dem Gelände des stillgelegten Kraftwerks Voerde läuft seit fast einem Jahr

Und tatsächlich: An dem Kamin wurde im Zuge des seit knapp einem Jahr laufenden Rückbaus auf dem Gelände, der Anfang Dezember sein erstes, viel beachtetes Highlight mit der Sprengung des kolossalen Kühlturms erlebte, gearbeitet. „Am Schornstein ,Neu‘ der Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) wurden zuletzt Teile des Innenrohrs in Einzelteile zerlegt und abgelassen“, bestätigt Olaf Winter, Sprecher von RWE, auf Anfrage der NRZ.

Dem Essener Energiekonzern gehört das Gelände, auf dem bis zur Stilllegung 2017 mit Steinkohle Strom erzeugt wurde. RWE plant, das Areal zu einem Standort umzubauen, „an dem in industriellem Umfang grüner Wasserstoff erzeugt werden kann. Sofern es die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zulassen, ist auch der Bau eines wasserstofffähigen Gaskraftwerks am Standort Voerde denkbar“, erklärt Winter.

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Sind die ersten, nunmehr erfolgten und von außen nicht ersichtlichen Arbeiten am Schornstein der Rauchgasentschwefelungsanlage etwa die Vorboten eines sehr bald schon anstehenden Rückbaus? Die Antwort des RWE-Sprechers lässt darauf nicht schließen. Im Gegenteil. Zwar spricht Winter von „Vorarbeiten für den Rückbau“, er erklärt aber auch, dass sich das finale Konzept dazu „noch in der Prüfung“ befinde. Weiter weist Olaf Winter auf das Zeitfenster hin: Der Rückbau des Gesamtkamins soll „bis Ende 2025 abgeschlossen“ sein.

Hier hatte der Schornstein (rechts) seine „Spitze“ noch.
Hier hatte der Schornstein (rechts) seine „Spitze“ noch. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Neben dem genauen Zeitfenster scheint also auch die Frage, ob der Schornstein – wie vorher schon der Kühlturm – gesprengt oder über ein anderes Verfahren von der Bildfläche verschwinden wird, noch ungeklärt zu sein. Eine Alternative zur Sprengung beim Rückbau von Schornsteinen ist es, den Riesen Stück für Stück abzutragen. So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass ein ferngesteuerter Bagger, der hoch oben wie eine Spinne auf dem Kaminkranz thront, die Betonteile von oben nach unten abreißt.

Die Zerlegung des Innenrohrs vom Schornstein der Rauchgasentschwefelungsanlage auf dem alten Voerder Kraftwerksgelände ist nach Angaben des RWE-Sprechers jedenfalls „unabhängig von der noch zu wählenden Rückbauweise erforderlich“ gewesen. Fest stehe, dass – ungeachtet der Art des Verfahrens, wie der rund 225 Meter hohe Riese dem Erdboden gleichgemacht wird – „vorab sämtliche Anbauteile“ demontiert werden. „Die Kamin-Außenhülle und große Anbauteile wie die zuführenden Rauchgaskanäle sind noch unberührt“, sagt RWE-Sprecher Winter. Zum Timing einzelner Rückbauschritte und zu konkreten Rückbautechniken für die verschiedenen baulichen Anlagen will sich das Unternehmen äußern, „wenn das Rückbaukonzept finalisiert ist“.

Die drei Kamine

Der 225 Meter hohe Kamin der Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) auf dem alten Voerder Kraftwerksgelände in Möllen hat im unteren Bereich einen Durchmesser von 25 Metern und im oberen von 20 Metern. Der Schornstein besteht aus Stahlbeton. RWE rechnet mit etwa 13.000 Tonnen Bauschutt.

Voraussichtlich 18.000 Tonnen Bauschutt fallen beim Rückbau des 250 Meter hohen Schornsteins „Voerde Alt“ an, wie RWE-Sprecher Olaf Winter erläutert. Der Schornstein „Voerde West“ ist rund 224 Meter hoch. Hier kalkuliert der Essener Energiekonzern etwa „8.000 Tonnen Material“ ein.

Zur Funktion der Kamine erklärt der RWE-Sprecher: Der mittlere Schornstein war für den Betrieb der Blöcke Voerde A und B erforderlich, bevor die neue Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb ging. Der im Süden stehende Schornstein wurde für die Blöcke West 1 & 2 genutzt.

Zum Fortschritt der Arbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks erklärt der RWE-Sprecher: Der Rückbau komme gut voran. „Vollständig zurückgebaut sind unter anderem das Parkdeck, das Magazin, diverse Werkstätten und Büros, das Gebäude der Werksfeuerwehr, Betriebsgebäude, Kohlebandbrücken und Kleinstgebäude. Der Kohlelagerplatz mit seinen Anlagen ist bereits zu drei Viertel verschwunden“, berichtet Winter. Der Bauschutt des gesprengten Kühlturms liege noch auf dem Gelände. Grund: „Die Prüfung auf Wiederverwendbarkeit dauert noch an.“ Das Rückbauprojekt auf dem Kraftwerksgelände in Voerde gelte „als eines der anspruchsvollsten in Deutschland. Aufgrund der Dichte der Bebauung und der Unterschiedlichkeit der Bauwerke ist die Koordinierung der verschiedenen Gewerke sehr komplex“, erläutert der RWE-Sprecher.