Voerde. Bei einem Infoabend zur Folgenutzung des alten Kraftwerksareals in Möllen sprachen Bürger vor allem zwei Themen an. Kritik an Präsentation.

Auf dem ausgedienten Kraftwerksgelände an der Frankfurter Straße werden bis Sommer 2026 die Relikte der Stromerzeugungsvergangenheit beseitigt, um im wahrsten Wortsinn den Weg für die Zukunft freizumachen. RWE als Eigentümerin möchte auf dem etwa 60 Hektar großen Areal bekanntlich ein Wasserstoffvorhaben umsetzen. Neben den notwendigen politischen Rahmenbedingungen, die auf nationaler und europäischer Ebene dafür umzusetzen sind, gilt es an Ort und Stelle, Baurecht für den Plan zu schaffen.

Wie umfassend und komplex das Verfahren dahinter de facto ist, haben die Zuhörerinnen und Zuhörer der frühzeitigen Bürgerbeteiligung am Donnerstagabend erlebt: Insgesamt mehr als zwei Stunden referierten verschiedene Gutachter über die Auswirkungen der geplanten Folgenutzung auf dem Gelände. Dabei ging es um Verkehrsaufkommen, Lärm durch Gewerbe und Verkehr, Artenschutz, Luftschadstoffe oder Gewässerverträglichkeit. Bedenken waren von Gutachterseite gegenüber dem Vorhaben nicht zu hören. Zum Gewerbelärm etwa hieß es, dass dieser geringer sein werde gegenüber dem, „was früher planungsrechtlich erlaubt war“.

Bürgerinfo in Möllen: Kritik an Art der Präsentation

Die bei der Präsentation per Beamer in Vergleichstabellen gezeigten Zahlen waren für das Publikum kaum beziehungsweise gar nicht erkennbar und Zwischenfragen zu den einzelnen Themenblöcken wurden mit Hinweis auf den letzten Punkt der Veranstaltung, den Dialog mit der Bürgerschaft, nicht zugelassen. Kritik kam auf: „Ich tue mich schwer, das zu verstehen“, meinte ein Möllener, der die Stadt aufforderte, der Bevölkerung klar zu sagen, was durch das Vorhaben auf sie zukommt. Wie hoch die Belastungen seien, werde man ohnehin erst nach dem Bau wissen. Auch übte er Kritik daran, erst am Tag der Veranstaltung von der Bürgerinfo erfahren zu haben. Nicole Johann, Erste und Technische Beigeordnete der Stadt, widersprach, verwies auf Plakate, mit denen der Termin angekündigt worden sei.

Ein Punkt, der die Zuhörerschaft am Donnerstagabend vor allem umtrieb, ist das steigende Verkehrsaufkommen, das sich durch die Folgenutzung des Geländes beidseits der Frankfurter Straße gegenüber heute ergibt. Ausgegangen wird von 30 Beschäftigten in der Elektrolyse-Anlage inklusive Trailerabfüllstation (diese dient dazu, Wasserstoff in kleineren Mengen lokal zu verteilen), 60 für das Gaskraftwerk und 300 im Fall der Büronutzung. Im Mittel gehen die Gutachter von einem Verkehrsaufkommen von knapp 870 Kfz-Fahrten pro Tag im Quell- und Zielverkehr aus. Davon sind knapp 90 Lastwagen. Insbesondere die Frankfurter Straße im Bereich der Ahrstraße wird laut Gutachten mit einem Plus von 380 Kfz pro Tag mehrbelastet.

Voerder Bürger moniert einseitige Betrachtung bei Verkehrswegen

Ein Bürger monierte mit Blick auf die Lkw-Fahrten, in den Ausführungen nur die Straße als Verkehrsweg wahrgenommen zu haben – nicht aber Wasser und Schiene. Nils Schuchart von RWE erklärte dazu, dass 90 Prozent des am Standort erzeugten Wasserstoffs über eine Pipeline abtransportiert werden. Die restliche Menge würde zu Unternehmen in Voerde selbst und in Nachbarkommunen mit Lastwagen gebracht. Der Bürger hakte nach: Wenn man mit dem Vorhaben doch den grünen Gedanken verfolge, müsse man die Schiene und das Wasser als Wege mit einbeziehen. Es gebe keine Möglichkeit, Wasserstoff darüber zu transportieren, erklärte Schuchart weiter.

In die Debatte schaltete sich schließlich Bürgermeister Dirk Haarmann ein. Seiner Einschätzung nach war das Lastwagen-Aufkommen zu jener Zeit, als das Steinkohlekraftwerk noch in Betrieb war, deutlich höher. „Natürlich ist jeder Lkw, der nicht fährt, gut.“ Der Verwaltungschef appellierte aber, die Dinge in Relation zu sehen: „Es sind vier Lkw in der Stunde, die auf das Gelände und wieder herunterfahren.“ Belastungen durch Fahrten der Paketzustellung seien „weit höher“.

Ein Blick aus der Vogelperspektive auf das alte Kraftwerksgelände, wo seit einigen Wochen der Rückbau der alten Anlagen läuft.
Ein Blick aus der Vogelperspektive auf das alte Kraftwerksgelände, wo seit einigen Wochen der Rückbau der alten Anlagen läuft. © RWE / PR

Deutliche Kritik wurde beim dreistündigen Bürgerinfoabend auch darüber geäußert, dass eine „acht Hektar große Fläche“ auf dem Areal „komplett neu in Anspruch“ genommen werde. Die Rede ist von dem Teilbereich, der sich nördlich der Rahmstraße zwischen Bahndamm und Frankfurter Straße befindet. Dort soll sich wasserstoffaffines Gewerbe ansiedeln. „Warum wird diese wichtige Biotopfläche nicht erhalten?“, fragte ein Zuhörer mit Blick unter anderem auf die Streuobstwiese und den Grünzug entlang der Zugstrecke. Die Stadt muss den Wegfall an anderer Stelle kompensieren – nach Möglichkeit im Nahbereich.

Dem Appell, die Biotopfläche zu erhalten, statt nach Ausgleichsflächen zu suchen, hielt RWE-Vertreter Schuchard entgegen, dass der Bereich der Streuobstwiese zurzeit als Kohlelager ausgewiesen sei und man mit dem aktuellen Vorhaben einen Beitrag zur Energiewende leisten wolle. Auch würden mit der Ansiedlung wasserstoffaffinen Gewerbes Arbeitsplätze nach Voerde geholt. Bürgermeister Haarmann versicherte, dass „die Gesamtfläche so umweltverträglich wie möglich“ genutzt werden soll. Und: „Wir wollen hier einen wesentlichen Beitrag zur Wasserstofferzeugung leisten. Der Verwaltungschef erhofft sich von dem Vorhaben auch eine „deutliche Imageverbesserung für die Stadt“, auf deren Gebiet Jahrzehnte lang Strom aus Steinkohle produziert wurde.

>>Info: Das Vorhaben

Der Energiekonzern RWE plant auf dem Gelände des ehemaligen Steinkohlekraftwerks in Möllen Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff (Elektrolyseure). Betrieben werden sollen sie aus erneuerbaren Energien. Das Vorhaben sieht darüber hinaus den Bau eines wasserstofffähigen Gaskraftwerks vor. Die Inbetriebnahme ist ab spätestens 2030 geplant. RWE gibt für die Zeit ab 2030 als Brennstoffe Erdgas und Wasserstoff an – mit je einem Anteil von 50 Prozent. Fünf Jahre später soll das Gaskraftwerk nur noch mit Wasserstoff betrieben werden, womit sich dann der Ausstoß des klimaschädlichen CO2 „komplett reduziert“.