Voerde. Als der Kühlturm gebaut wurde, lief das Kraftwerk schon etliche Jahre. Wie der Bauriese in der Kette der Stromerzeugung mit Kohle funktionierte.
Um die 40 Jahre hat der Kühlturm als Teil des alten Kraftwerksgeländes an der Frankfurter Straße in Möllen weithin sichtbar die Optik geprägt. Nun läuft der Countdown zum Abriss des Bauriesen. Am ersten Advent wird er fallen. Mithin verschwindet in einem ersten großen Schritt ein Stück alter Industriegeschichte: Das laut der früheren Betreiberin Steag „einst größte Steinkohlekraftwerk in Deutschland“, das im Frühjahr 2017 vom Netz ging, wird bis August 2026 dem Erdboden gleichgemacht. So lautet der Plan. Alle wichtigen Infos zu der Sprengung des Kühlturms gibt es zusammengefasst in unserem Newsblog.
Rückblick, wir schreiben das Jahr 1970: Block 1 des Kraftwerks West der Steag wird in Betrieb genommen, ein Jahr später der Block 2 – beide mit anfangs je 350 Megawatt (MW) Leistung (später je 356 MW). 1982 beziehungsweise 1985 folgen die beiden Blöcke (A / B) des Kraftwerks Voerde. Zunächst kommen jeweils rund 710 MW Leistung hinzu, deren Vermarktung sich die Betreiberin Steag (75 Prozent) und RWE (25 Prozent) fortan teilen. Später sind es dann rund 760 Megawatt pro Block. Der Kühlturm, der am kommenden Sonntag zu Fall gebracht wird, gehört zu den „neueren“ Blöcken. Er wurde ebenfalls während der mehrjährigen Bauzeit errichtet. Beim älteren Kraftwerk West erfolgte die Kühlung direkt mit Wasser aus dem Rhein. Mehr als zehn Jahre vor der Stilllegung wurden an dem Kühlturm noch aufwendige Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen.
Wasser wird über viele Düsen verrieselt
Bautechnisch sei die Errichtung eines Kühlturms ein etabliertes Verfahren, erklärt ein Sprecher der Steag. Dabei würden zunächst die Stützen und anschließend der Kranz in die Höhe verbaut. Und so funktioniert ein solcher Koloss in der Prozess-Kette eines Kraftwerks, das unter Einsatz von Steinkohle Elektrizität erzeugt: Die Kohleverfeuerung erhitzt Wasser zu Dampf. Dieser wird auf eine Turbine geleitet, die durch die Bewegungsenergie den Generator antreibt. Der wiederum erzeugt den Strom. Der Abdampf der Turbine wird rückkondensiert – das heißt, wieder zu Wasser gemacht. Dabei erwärmt sich das Kühlwasser und muss anschließend wieder heruntergekühlt werden, um es erneut „in den Energieumwandlungsprozess einleiten“ zu können.
„Dazu wird das Wasser in den Kühlturm gepumpt, über viele Düsen verrieselt und in einem Becken aufgefangen“, erläutert der Steag-Sprecher weiter. Das warme, herunter rieselnde Wasser werde durch die aus der Umgebung angesaugte Luft verdunstet, dadurch gekühlt und an die Luft übergeben. Aufgrund der besonderen Bauart des Kühlturms steige warme Luft (Kamineffekt) nach oben. Der entstehende Wasserdampf beim Wärmetausch nimmt denselben Weg – weshalb so manches Kind dachte, das Kraftwerk sei ein Wolkenmacher. Das abgekühlte Wasser wird im Kühlturm „unten aufgefangen, wiederaufbereitet und kann dann für die Stromerzeugung weitergenutzt werden“, erklärt der Steag-Sprecher.
„Das Kraftwerk Voerde war mit seinen vier Blöcken stets technisch bestens aufgestellt und konnte sicher und zuverlässig über insgesamt 47 Jahre Strom erzeugen“, resümiert Rainer Borgmann. Der heute 64-Jährige ist Technischer Leiter der Steag Power GmbH und damit verantwortlich für die technische Verfügbarkeit aller Steag-Kraftwerke im Ruhrgebiet und im Saarland. Der studierte Schiffbauingenieur arbeitet seit 1986 für das in Essen ansässige Unternehmen. Borgmann fing damals als junger Assistenzingenieur im Kraftwerk Voerde an.
Seit dem Aus im April 2017 lagen die Verkehrssicherungspflicht, der Stillstandsbetrieb und die Rückbauarbeiten auf dem Kraftwerksgelände West 1/2 bei der Steag und auf der Fläche Voerde A/B in Verantwortung von RWE, erinnert Borgmann. Vier Jahre nach der Stilllegung änderten sich die Besitzverhältnisse: Die Steag verkaufte ihre Flächenanteile an RWE. Der Essener Energiekonzern ist seither alleiniger Eigentümer des rund 60 Hektar großen Geländes und möchte dort in einigen Jahren „in industriellem Umfang Wasserstoff“ erzeugen.
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„Die aktuellen Abbruchaktivitäten und Vorarbeiten zur Sprengung des Kühlturms zeigen, dass es am Standort Veränderungen geben wird“, kommentiert Borgmann. Auch die Steag habe Pläne, „mit Neubauten beispielsweise von Elektrolyseuren für die Produktion von grünem Wasserstoff oder von wasserstofffähigen Gaskraftwerken zum Gelingen der Energiewende beizutragen“. Allerdings sollen die Vorhaben an anderen Standorten des Unternehmens, „in NRW vorzugsweise in Bergkamen, realisiert werden“, sagt Borgmann. Bestehende Kraftwerksstandorte hätten für „grüne Zukunftsprojekte“ wegen der bereits vorhandenen Infrastruktur und des bestehenden Anschlusses an das Stromnetz „die besten Voraussetzungen“.