Voerde. In Voerde kommt es am 3. Dezember auf dem alten Kraftwerksgelände zum großen Knall. Warum es unmittelbar davor zuerst einen kleinen gibt.
Die Tage eines Riesen auf dem alten Kraftwerksgelände in Möllen sind gezählt: Dem rund 160 Meter hohen Kühlturm geht es an den „Kragen“, die weithin sichtbare Landmarke wird per Sprengung zu Fall gebracht. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. In die Turmwand gefräste „Fallschlitze“ sollen den Koloss strukturell schwächen, sprich, dafür Sorge tragen, dass er bei der Sprengung, wie beabsichtigt, zuerst leicht kippt und dann kollabiert. Das ist das geplante Szenario, das am Sonntag, 3. Dezember, um 11 Uhr im wahrsten Wortsinn in Gang gesetzt werden soll. Die anstehende Sprengung dürfte die aufwendigste Maßnahme im Zuge Rückbauarbeiten sein, die seit einigen Monaten auf dem Gelände von RWE laufen.
Der Kühlturm ist bezogen auf das anfallende Schuttmaterial der größte Bau auf der Fläche des ausgedienten Kohlekraftwerks, der beseitigt werden muss. Die anderen Gebäude seien hauptsächlich in Stahlbauweise ausgeführt, erklärt RWE-Sprecher Olaf Winter auf Anfrage der NRZ. Ein Blick auf die Maße des Kühlturms macht die Dimension der Sprengung deutlich. Neben der Höhe von 165 Metern ist auch der Durchmesser enorm: An der breitesten Stelle misst der Koloss hier 120 Meter, an der schmalsten immerhin noch 80 Meter. „Bei der Sprengung fallen rund 25.000 Tonnen Bauschutt an“, führt der RWE-Sprecher weiter aus. Wie viel Material eingesetzt werden muss, damit der Kühlturm fällt, dazu macht Winter keine Angaben. Zahlen und Details zur Sprengung will das Unternehmen erst im Nachgang nennen.
So soll die Staubentwicklung minimiert werden
Die Staubentwicklung soll durch Maßnahmen minimiert werden, „die dem heutigen Stand entsprechen“. Es würden sowohl „Wasserwerfer als auch Hydroschilde“ eingesetzt, „mit denen Wasserwände erzeugt werden“, erklärt Winter. Damit soll der bei der Sprengung des Kühlturms entstehende Staub aus der Luft gebunden werden. Gesundheitsschädliche Stoffe würden keine freigesetzt. „Die Bausubstanz des Kühlturms wurde im Vorfeld beprobt und als unbedenklich eingestuft“, betont der RWE-Sprecher.
Bevor es am 3. Dezember zum großen Knall kommt, wird es unmittelbar vor der Sprengung zunächst einen kleinen geben: „Das ist der sogenannte ,Vergrämungsschuss‘. Er dient dazu, Tiere aus dem unmittelbaren Umfeld des Kühlturms zu verscheuchen“, sagt Winter. So kann es etwa sein, dass Vögel hoch oben auf dem Koloss sitzen, von dem am Tag der Sprengung nur noch Beton und Baustahl übrig sind. Elemente im Inneren wie zum Beispiel die Wasser-Verrieselungsanlage wurden ausgebaut. Nachdem der Kühlturm gefallen ist, „wird das Material auf dem Gelände zunächst sortiert und anschließend im Zeitraum Dezember 2023 bis März 2024 mit täglich bis zu etwa zehn Lkw abtransportiert“, schildert Winter die weiteren Schritte.
Noch ist offen, welcher Bau als nächstes fällt
Welcher Bauriese nach der Sprengung des Kühlturms als nächstes von der Bildfläche verschwinden wird und welche Mittel dafür angewandt werden, ist zurzeit noch offen: „Das ist genau wie die dabei eingesetzten Technologien Gegenstand der Planungen der Rückbauspezialisten von Porr Becker“, erklärt Winter. Der RWE-Sprecher erinnert daran, dass die Gesamtmaßnahme für den Zeitraum Juni 2023 (damals fiel der Startschuss) bis 2026 geplant ist. „Über die nächsten Schritte werden wir informieren, sobald der Planungsstand und die erforderlichen Genehmigungen konkret sind“, sagt Winter.
RWE hat für Fragen zu den Rückbauarbeiten eine Service-Mailadresse (buergeranfragen-voerde@rwe.com) eingerichtet. Darüber haben den Essener Energiekonzern bisher auch einige Mails erreicht: „Die Fragen darin betrafen Termin und Uhrzeit der Sprengung sowie die Ausweichunterkunft“, berichtet Winter. Der Bereich um den Kühlturm ist am 3. Dezember ab 9 Uhr – bis voraussichtlich 13 Uhr – weiträumig abgesperrt. Von der eingerichteten Sperrzone werden, wie RWE jetzt erklärt, fünf Wohneinheiten betroffen sein. Die Bewohner werden evakuiert. Sie haben die Möglichkeit, in einem „wenige hundert Meter“ entfernten Gebäude unterzukommen, wie Olaf Winter berichtet.
Hintergrund
RWE hat eine externe Firma – die Porr Becker Abbruch GmbH – mit dem Rückbau des früheren Kraftwerksgeländes in Voerde beauftragt. Damit wird buchstäblich der Weg für die Umsetzung eines neuen Vorhabens an der Stelle freigemacht: Der Essener Energiekonzern prüft bekanntlich den Umbau der rund 60 Hektar großen Fläche zu einem Standort, an dem „in industriellem Umfang grüner Wasserstoff“ produziert werden kann. Die Sprengung des Kühlturms wiederum nimmt eine Spezialfirma mit jahrzehntelanger Erfahrung auf diesem Feld vor. RWE spricht von „mehr als 3.200 erfolgreichen Sprengprojekten“, die die Thüringer Spreng GmbH vorweisen könne.
Stark eingeschränkt ist am Tag der Sprengung der Straßenverkehr im Umfeld des alten Kraftwerksgeländes in Möllen: Teile der Frankfurter Straße und der Rahmstraße sowie die Straßen „Am Bahndamm“ und „Auf der Horst“ werden zwischen 9 und voraussichtlich 13 Uhr für den Verkehr nicht passierbar sein. Ein Park- und Halteverbot gilt in dem Zeitraum entlang der Friedrichstraße.
Die Stadt Voerde wird am 3. Dezember mit etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Einsatz sein. Die Sperrzone werde durch eine Postenkette abgesichert. Dafür sorgen neben Beschäftigten der Stadt, der Polizei und der Bundespolizei auch Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes von RWE und des Abbruchunternehmens, wie Stadtpressesprecherin Miriam Lütjann erklärt.