Mülheim. Der Wirtschaftsstandort Mülheim ist in deutschen Städtevergleichen zuletzt nicht gut weggekommen. Jetzt soll ein Strategie-Konzept helfen.
Nach dem Verlust tausender Industriearbeitsplätze in den vergangenen mehr als zehn Jahren will sich Mülheim nun eine Strategie zur Neuausrichtung des Wirtschaftsstandortes geben. So soll auch verhindert werden, dass die Stadt in Wirtschaftsrankings künftig weiter abrutscht.
Im Niveauranking 71 deutscher Großstädte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) landete Mülheim im Vorjahr nur auf Platz 49. Zwar ist das trotzdem noch die beste Platzierung aller Ruhrgebietsstädte, doch noch vor zehn, 15 Jahren präsentierte sich der Standort robuster. Seither haben heimische Industriegrößen wie die ehemaligen Mannesmannwerke MGB und Europipe, die Friedrich-Wilhelms-Hütte oder auch Siemens massiv Stellen abgebaut, Rohrproduzent Vallourec hat im Vorjahr seine Produktion gar ganz eingestellt, um künftig nur noch in Brasilien zu fertigen.
Hoffnungsschimmer: Standort Mülheim weist wieder mehr Dynamik auf
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Immerhin: Der zuvor zu beobachtende Trend, dass Mülheim kaum Dynamik aufbrachte dabei, den Wirtschaftsstandort zukunftsträchtig zu entwickeln, scheint gestoppt. Im Dynamik-Ranking der besagten Studie landete Mülheim 2023 nicht mehr im hinteren, sondern mit Platz 27 im vorderen Mittelfeld. Noch frischer ist das Regionalranking der 400 deutschen Kommunen des IW. Im Niveau-Ranking ist Mülheim auch dort als beste Revierstadt gelistet, aber eben nur auf Rang 373.
In der Region sei man „bestes Schlusslicht“, betonte Wirtschaftsdezernent Felix Blasch zuletzt vor der städtischen Wirtschaftspolitik die „regionale Schwäche“ des Ruhrgebiets und stellte zunächst einmal Positives heraus: Die Stadt punkte im Niveau-Ranking mit wissensintensiven Dienstleistungen (Rang 54 von 400) und einem sehr hohen Anteil von hoch qualifizierten Beschäftigten (Rang 48 von 400), spielt hier „mit Heidelberg und München in einer Liga“. Gut sei auch die Ärztedichte (Rang 177). Besonders negativ schlagen demnach die Höhe der Gewerbesteuer (Rang 399 von 400) und die Erteilung von Baugenehmigungen (Rang 358) zu Buche.
Aktuelles Ranking sieht gute Wirtschaftsstruktur in Mülheim, aber wenig Lebensqualität
Noch zur Dynamik-Bewertung des Regionalrankings 400 deutscher Kommunen. Hier kam Mülheim mit Platz 229 ins Mittelfeld. Als positiven Aspekt sieht Blasch hier Platz 41 in der Wirtschaftsstruktur (unter anderem bewertet werden Steuerkraft und wissensintensive Dienstleistungen). Negativ tritt Mülheim laut IW-Ranking auf Platz 395 mit einer niedrigen Lebensqualität in Erscheinung. Themen, die in diesen Punkt einfließen, sind etwa die Anzahl von Straftaten sowie die Höhe der privaten Überschuldung.
Nicht allein die Wirtschaftsförderung könne einzelne Faktoren positiv beeinflussen, vielen verschiedenen Akteuren komme hierbei „eine maßgebliche Rolle“ zu, entgegnete Blasch zuletzt der SPD, die die Perspektiven des Wirtschaftsstandortes angesichts Mülheims Abrutschen in den Rankings zum Thema gemacht hatte und wissen wollte, mit welchen Maßnahmen und Ideen die städtische Wirtschaftsförderung den aktuellen und erwarteten Herausforderungen begegnen will.
Mülheim arbeitet an Strategie-Konzept zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes
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Blasch gab daraufhin preis, dass im Rathaus aktuell an einem Strategie-Konzept zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes gefeilt werde. Ziel sei es, einen Orientierungsrahmen zu geben, etwa für die Vergabe und Entwicklung von Flächen und die Standortpolitik von Verwaltung, Politik und anderen Akteuren hinsichtlich der Transformation zu einem modernen, innovativen und resilienten Wirtschaftsstandort. „Ziel sollte es sein, die Struktur der Unternehmerschaft im Rahmen einer klaren Ansiedlungs- und Entwicklungsstrategie für die Zukunft ausgewogen zu gestalten“, heißt es im Protokoll zur Sitzung.
In den Fokus nehmen wolle man dabei globale und nationale Trends, aktuelle Herausforderungen Mülheimer Unternehmen wie den Fachkräfte-Mangel, die Flächenverfügbarkeit, die digitale Transformation, Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsaktivitäten, die Themen Nachfolge und Zukunftsportfolio sowie anderes.
Gutachter beleuchten den Aktionsradius der Mülheimer Wirtschaftsförderung
Das Strategiekonzept soll auf einer Analyse des Wirtschaftsstandortes fußen und Handlungsempfehlungen für die zukünftige Entwicklung geben. Blasch machte deutlich, dass keine Wunder zu erwarten sein werden, das Team der Wirtschaftsförderung sei klein. Noch in der zweiten Jahreshälfte will er konkreter werden. Für ein Gutachten ist die Firma Georg Consult aus Hamburg beauftragt. Es konzentriere sich auf jene Aspekte, die aktiv aus Mülheim heraus geändert werden könnten, so der Dezernent.
SPD-Wirtschaftspolitiker und MdB Rodion Bakum forderte ein, das Profil des Standortes zu schärfen. Es sei die Frage zu stellen, ob Mülheim noch Industriestandort sei und was es sein wolle. Siegfried Rauhut von der CDU sieht auch Positives und Bewegung am Standort nach vier Jahren schwarz-grüner Kooperation; viele positive Entwicklungen würden aber auch erst mit Zeitverzug sichtbar werden.
Daniel Mühlenfeld (SPD) verwies wohl in diesem Zusammenhang auch auf die Gewerbeflächen, die in der Entwicklung sind - ob das alte Vallourec-Areal, die Investitionen in den ehemaligen Siemens Techno-Park, am Hafen, am Flughafen, rund um die Friedrich-Wilhelms-Hütte oder anderswo. Glücklicherweise gebe es noch Flächenpotenziale, die der weiteren Entwicklung harrten. Flächen seien dennoch weiterhin eine knappe Ressource in Mülheim. Eine Strategie mit klaren Vorstellungen zum Wirtschaftsstandort sei zu begrüßen.
Alexander Behringer als Chef der Wirtschaftsförderung mahnt, sich nicht einseitig auf die Flächenentwicklung zu konzentrieren. Auch der Wissenschaftsstandort sei mitzudenken, ebenso sei ein intensiver Kontakt vor allem zu kleinen und mittleren ortsansässigen Unternehmen und die Sicherung des unternehmerischen Bestandes wichtig.
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