Essen. Schan ist 26, Taxiunternehmerin, fährt auch Nachtschichten. Nur um einen Essener Stadtteil macht sie einen Bogen. Was sie mit Fahrgästen erlebt.
In der Silvesternacht gegen ein Uhr stieg Schan Sito ins Taxi. Nicht auf den Beifahrersitz oder auf die Rückbank. Nicht, um sich nach Hause bringen zu lassen. Sie hat sich hinters Steuer gesetzt und ist bis in den Neujahrsmorgen gefahren. „Es war gut zu tun“, sagt die Essenerin, „aber alles harmlos“.
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Eine Nachtschicht sei sie davor lange nicht gefahren, berichtet die 26-Jährige. Sie ist selber Taxiunternehmerin, schon seit fast fünf Jahren, momentan aber vorwiegend mit Organisation und Disposition beschäftigt. Vier Fahrer arbeiten für sie, darunter ihr Vater. Wenn aber jemand ausfalle, etwa urlaubsbedingt, fahre sie selber. Auch nachts.
Taxifahren ist in Essen fast ausnahmslos Männersache
In Schans Heimatstadt Essen wird gerade über die Idee diskutiert, Frauen kostenlose Taxigutscheine für die Abend- und Nachtstunden auszuhändigen, damit sie sicher nach Hause kommen. Eine Studentin ist mit diesem Vorschlag kürzlich in politischen Gremien gescheitert.
Wer in Essen ein Taxi besteigt, zu welcher Uhrzeit auch immer, trifft mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf einen Mann hinter dem Lenkrad. Wenn Schan Sito fährt, ob mittags oder nachts, sind ihre Fahrgäste mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit nach dem ersten Blickkontakt überrascht. „Oh wie schön, endlich mal eine Frau!“ So oder ähnlich höre sie es oft, sagt die 26-Jährige, von den meisten, die zusteigen, „selbst von den Männern“.
Essener Taxifahrerin: Fahrgäste sind meist erfreut und neugierig
Erfreut seien die Leute dann, neugierig. „Wie sind Sie zum Taxifahren gekommen?“ „Haben Sie keine Angst? Sie wissen doch nie, wer einsteigt?“ Fragen, die die Essenerin schon etliche Male beantwortet hat. In etwa so: Nach dem Abitur begann sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, was sie nicht besonders begeistert habe. Auf Anregung ihres Vaters, Taxifahrer seit Jahrzehnten, habe sie sich dann in der Branche beruflich selbstständig gemacht, habe 2020 die erforderliche Fachkundeprüfung bei der IHK abgelegt und die Konzession einer bestehenden Firma gekauft.
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Mit einem einzigen Auto sei sie gestartet, berichtet die 26-Jährige, einem Mercedes. Inzwischen gehören ihr vier Wagen. Sehr oft sei sie schon Nachtschichten gefahren, teilweise jedes Wochenende. Nachts zu fahren sei sogar entspannter, meint die 26-Jährige: „Die Straßen sind leer, es ist ruhig draußen.“ Tatsächlich sei ihr aber auch das „mulmige Gefühl“, das viele Menschen draußen bei Dunkelheit beschleicht, nicht ganz fremd. Sie empfinde es in dunklen Gassen, die sie nicht kennt.
Fahrten schon abgelehnt, doch noch keine Notsituation erlebt
Und wenn ausgerechnet dort jemand auf sie wartet, zu ihr ins Auto steigen will? Schan Sito fährt im Auftrag von Taxi Essen, der größten Taxi-Zentrale der Stadt. Sie sagt: „Ich schließe dann erst mal die Türe und schaue mir den Fahrgast von Weitem an. Wenn ich sehe, jemand ist stark angetrunken, habe ich die Fahrt auch schon mal abgelehnt.“ Sie bittet dann die Zentrale, einen Kollegen zu schicken, und macht kehrt. Es sei okay.
Nur einen Essener Stadtteil meide sie grundsätzlich, wenn sie selber am Steuer sitzt: „In Altendorf nehme ich keine Fahrten an“, sagt die 26-Jährige. Dort gebe es zu viele kriminelle Vorfälle, von denen man immer wieder höre. „Dem gehe ich lieber aus dem Weg.“ Wenn sie also ein Auftrag aus Altendorf erreicht, drückt sie eine rote Taste, meldet sich bei der Zentrale für diese Fahrt ab.
Alarmanlagen und Notruf-Codes in allen Taxis
Im Rüttenscheider Club- und Kneipentreiben hätten ihr gelegentlich andere Fahrer zur Seite gestanden, hätten übernommen, wenn etwa eine betrunkene Männergruppe auf ihren Wagen zugesteuert sei. „Ich habe super Kollegen“, sagt die junge Frau, „sehr hilfsbereit.“ Doch selten sei Hilfe überhaupt notwendig. Sie selber habe noch keine Notsituation erlebt, habe auch schon vier Männern im vollbesetzten Wagen chauffiert. Völlig problemlos.
„Wenn ich sehe, jemand ist stark angetrunken, habe ich die Fahrt auch schon mal abgelehnt.“
In allen Taxis gibt es verpflichtend einen „stillen“ Alarm, für den Fall, dass der Fahrer oder die Fahrerin sich bedroht fühlt. Das Dachzeichen blinkt dann, ohne dass der Fahrgast es merkt. In ihren eigenen Autos seien zusätzlich Videokameras installiert, erklärt Schan Sito. Sie würde es jedem Taxiunternehmer empfehlen – „es schreckt ab“.
„Man müsste Busse und Bahnen sicherer machen“
Für die Idee, Frauen kostenlose Nacht-Taxis zur Verfügung zu stellen, kann sich die 26-Jährige nicht erwärmen. Warum dürfen nur Frauen gratis fahren, Männer nicht? Für sie erstens eine Frage der Gleichberechtigung. Zweitens könne immer etwas passieren, auch tagsüber. „Man müsste andere Lösungen finden“, meint die junge Frau, „beispielsweise Busse und Bahnen sicherer machen.“ Wenn sie selber nachts unterwegs sei, dann immer nur mit dem Auto.
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Essens einzige Taxiunternehmerin in Essen ist Schan Sito nicht. Wie die IHK auf Anfrage mitteilt, gibt es hier in der Stadt 16 Unternehmerinnen mit insgesamt 39 Taxikonzessionen, die ein sogenanntes Kleingewerbe in der Taxibranche betreiben. Weitere Geschäftsführerinnen oder Prokuristinnen könne es in handelsregisterlich eingetragenen Unternehmen geben. Doch die meisten dieser Frauen sitzen offenbar nicht selber am Steuer.
Taxiunternehmen von Frauen für Frauen: „Das wäre ein Bombengeschäft“
Für „Taxi Essen“ sind etwa nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Dirk Heinrichsen 235 Fahrzeuge im Einsatz und etwa 800 Fahrer, doch maximal fünf Fahrerinnen. Auch Mustafa Celik, Chef der Essener Taxizentrale Specht, hat nach eigener Auskunft nur eine einzige Fahrerin, die auch nur tagsüber fahre. Knapp 20 männliche Kollegen arbeiten bei Specht. „Früher waren mehrere Frauen bei uns beschäftigt“, sagt Celik, „momentan nur noch eine.“ Die Gründe kenne er nicht.
Schan Sito sagt, sie werde oft von weiblichen Fahrgästen nach ihrer Nummer gefragt. Sie glaubt: Ein Taxiunternehmen von Frauen für Frauen, „das wäre ein Bombengeschäft“. Doch wie sollte sie das alleine schaffen? Und Fahrerinnen findet sie nicht.
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