Essen. Essen lehnt Nacht-Taxi-Gutscheine für Frauen ab: So hoch sei die Gefahr im öffentlichen Raum ja gar nicht. Da macht es sich die Stadt zu einfach.

Für viele Frauen sieht der nächtliche Heimweg so aus: angestarrt, angemacht, angetatscht laufen sie durch Straßen, sitzen sie in Bus und Bahn. Begleitet von der Angst, dass Schlimmeres passieren könnte. Wenn jemand sie sexuell belästige, könne sie ja nicht mal damit rechnen, dass andere einschreiten, sagt eine Studentin aus Essen, die sich jetzt an die Stadt gewandt hat.

Die junge Frau mag nicht glauben, dass es allein ihr Privatproblem ist, wenn ihr der Weg nach Hause regelmäßig „Bauchschmerzen bereitet“. Sie hat den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden daher gebeten, die Ausgabe von Nacht-Taxi-Gutscheinen an Frauen zu prüfen: Andere Städte subventionieren so die sichere Heimfahrt für Frauen – ob sie von der Arbeit oder aus dem Club kommen.

Essen bietet den Frauen nachts das Sammel-Taxi „Bussi“, in dem auch Männer mitfahren dürfen

Es sei dahingestellt, ob das Nacht-Taxi hier das richtige Instrument ist. Die Stadt hat sich damit erst gar nicht befasst, sondern gleich das ganze Problem bestritten. Die grobschlächtige Argumentation geht so: Ja, Gewalt gegen Frauen nehme laut Bundeskriminalamt zu. „Traurige Tatsache“ sei jedoch, dass Frauen Gewalt vor allem in den eigenen vier Wänden durch den Partner erführen. Fazit: Es sei jetzt nicht so, „dass das Risiko für Frauen, Opfer einer Straftat zu werden, gerade im öffentlichen Raum besonders hoch ist“. Sondern halt nur normal hoch.

Auch sorgten Stadt und Polizei ja längst für mehr Sicherheit in ÖPNV und öffentlichem Raum. So rät man Frauen, „Bussi“ zu nutzen – und blendet aus, dass sie das nächtliche Sammeltaxi der Ruhrbahn womöglich mit (angetrunkenen) Männern teilen müssen.

Männer seien doch viel häufiger Opfer von Straftaten, sagt die Stadt Essen

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Und schließlich müssen sich die Frauen von der Stadt – namentlich von Oberbürgermeister Thomas Kufen – belehren lassen, dass Taxi-Gutscheine eine Ungleichbehandlung von Männern bedeuten würden: „Auch für Männer ist der nächtliche Heimweg nicht ungefährlich.“ Sie seien sogar häufiger Opfer von Straftaten. Das stimmt; nur sind sie in weit überwiegender Zahl auch die Täter. Es gehen halt nicht so viele Frauen mit Schlagring oder Messer aufeinander los. Frauen bewaffnen sich mit Pfefferspray. Folgte man der Logik der Stadt, müsste man übrigens auch Frauenparkplätze abräumen, weil sie Männer benachteiligen.

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Die Stadt unterschlägt zudem, dass das Bundeskriminalamt auch notiert hat, dass Frauen nachts Fremden ausweichen und „bestimmte Straßen, Plätze oder Parks“ meiden; mehr als die Hälfte nutzt den ÖPNV bei Nacht nicht. Sie haben sich ein „Schutz- und Vermeidungsverhalten“ antrainiert und überlassen den öffentlichen Raum nachts meist den Männern: Auch darum sind sie, wie die Stadt sagt, dort „keiner besonders hohen“ Gefahr ausgesetzt. So macht man ein gesellschaftliches Problem zu einem privaten.

Die Bewegungsfreiheit von Frauen ist nachts erheblich eingeschränkt

Es ist wohlfeil, die schlimmen Repressionen zu beklagen, denen Frauen in anderen Ländern ausgesetzt sind. Handlungsbedarf besteht auch, wenn hierzulande die Hälfte der Bevölkerung in ihrer (Bewegungs-)freiheit eingeschränkt ist. An alle Männer, die das bestreiten: Wann haben Sie zuletzt ihre Tochter von einer Party abgeholt?

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