Essen. Dafür wirbt Luna Gießler, 22-jährige Studentin aus Essen. Die Stadt möge sich an München ein Beispiel nehmen. So reagiert die Stadtverwaltung.
„Abends nach Haus zu fahren, bleibt eine Sache, die mir als Frau Bauchschmerzen bereitet“, schreibt Luna Gießler. Straßen seien nicht gut beleuchtet, Parks und kleinere Gassen wirkten bedrohlich. Und dann seien da Männer, die sich sexuelle Belästigungen erlaubten, ohne dass jemand eingreift. Und Zivilcourage sei leider ein Fremdwort.
Sie selbst habe diese Erfahrung leider immer wieder gemacht, abends und am Tage, berichtet Luna Gießler im Gespräch mit der Redaktion. Anderen Frauen und Mädchen möchte sie so etwas ersparen. Deshalb hat die 22-Jährige sich an die Stadt Essen gewandt. In ihrem Schreiben, mit dem sich der Ratsausschuss für Anregung und Beschwerden in seiner kommenden Sitzung befassen wird, regt sie an, die Stadt möge „Frauen-Nacht-Taxis“ einführen und damit dem Beispiel anderer Kommunen folgen.
München gibt Taxi-Gutscheine im Wert von zehn Euro an Frauen ab 16 Jahren aus
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Zum Beispiel der Stadt München. In der bayerischen Landeshauptstadt können Frauen seit 2020 Taxi-Gutscheine in Anspruch nehmen. Die Coupons im Wert von zehn Euro können für einer Taxifahrt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr zum eigenen Wohnort eingelöst werden; der Wert wird auf die Fahrtkosten angerechnet. Männer dürfen nicht mitfahren, minderjährige Kinder dagegen schon. Ausgegeben werden die Gutscheine in Stadtbibliotheken und anderen öffentlichen Einrichtungen an Frauen ab 16 Jahren. Jede Frau kann täglich drei Gutscheine bekommen. Ein Limit gibt es sonst nicht.
„Als Essener Bürgerin würde ich mir so etwas auch wünschen“, schreibt Luna Gießler. Würde ein solches Angebot doch Frauen helfen, sicherer nach Hause zu kommen. Sie selbst wohnt in Altenessen, fühle sich oft nicht sicher. Sie sei 15 Jahre alt gewesen, als ein älterer Mann, der im Bus neben ihr saß, plötzlich seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt habe, erzählt sie. „Ich war nicht fähig, irgendetwas zu sagen und habe hilfesuchend um mich geschaut. Aber niemand hat reagiert.“
Luna Gießler ist Studentin an der Universität Duisburg-Essen, engagiert sich politisch und tritt als Referentin des Autonomen Feministischen Referats für Frauenrechte ein. Mit ihrer Anregung zur Einrichtung eines Frauen-Nacht-Taxis möchte sie etwas Konkretes erreichen für Frauen. Und sie möchte auf sexualisierte Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen.
Laut dem Lagebild des Bundeskriminalamtes nimmt Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen zu
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Oberbürgermeister Thomas Kufen habe ihr bereits auf ihr Schreiben geantwortet. Auch die Stadtverwaltung bezieht Stellung zu ihrem Vorschlag: Aus dem vom Bundeskriminalamt im November 2024 veröffentlichten Lagebild gehe hervor, dass Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen zunehme, heißt es zunächst verständnisvoll.
Traurige Tatsache sei aber, dass Frauen Gewalt vor allem in den eigenen vier Wänden in Form häuslicher Gewalt erführen. Ja, laut Kriminalstatistik seien Männer sogar deutlich häufiger Opfer von Straftaten als Frauen, heißt es weiter. Und: Sollte die Stadt teilweise die Kosten von nächtlichen Taxifahrten von Frauen übernehmen, würde dies zudem zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Männern führen.
Die Stadt Essen verweist auf „Bussi“, doch für die Essenerin ist der Bus-Shuttle keine Alternative
Kurz: Die Stadt hält wenig von einem Frauen-Nacht-Taxi und verweist stattdessen auf „Bussi“, den Bus-Shuttle auf Abruf der Ruhrbahn. Für Luna Gießler ist „Bussi“ keine Alternative, ist das Angebot doch bewusst so ausgelegt, dass während der Fahrt weitere Passagiere zusteigen können. Also auch Männer, die ihr unbekannt seien. Die Aussicht, sich eine Fahrt im Fond des Shuttle-Busses möglicherweise mit drei angetrunkenen Männern teilen zu müssen, wirkt auf die Luna Gießler alles andere als vertrauensfördernd.
In München gibt es übrigens vergleichbare Angebote zu „Bussi“, trotzdem vergibt die Stadt Taxi-Gutscheine. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Männern kann die zuständige Kreisverwaltung darin nicht erkennen: „Bei Maßnahmen, mit denen ein bestehender Nachteil ausgeglichen wird, handelt es sich nicht um Diskriminierung.“ Denn Frauen fühlten sich insbesondere abends oder nachts deutlich unsicherer als Männer.
Im Essener Rathaus sieht man dies anders. Ob der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden dieser Einschätzung folgt, bleibt abzuwarten. „Ich wäre schon enttäuscht“, gibt Luna Gießler zu. Sollte es so kommen, hofft sie, mit ihrer Anregung zumindest Denkanstöße gegeben zu haben, zum Beispiel für mehr Sicherheitspersonal in Bahnen und Bussen, für Schulungen des Fahrpersonals oder auch für Frauen am Steuer eines Taxis. „Was will die Stadt sonst tun für den Schutz von Frauen?“, fragt die 22-Jährige und ist gespannt auf eine Antwort.
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