Emmerich. Auf dem Friedhof in Emmerich gedachten hunderte Schüler und Bürger den Opfern des Nationalsozialismus. Redner sprachen diese Warnungen aus.

In Pfützen einer verregneten Nacht spiegelt sich das Sonnenlicht. Manche Schüler weichen aus, andere sind zu sehr in ihre Gedanken versunken, als sie mit Hunderten über den Emmericher Friedhof laufen. Ihr Ziel ist kein Grabstein. Gegen 11 Uhr erreichen sie die Tafel, auf die eine Menora gestanzt ist. Das Denkmal umzieht Stacheldraht.

Hass wieder auf dem Vormarsch

Nur der rot-weiße Blumenkranz sticht aus dem Grau der Atmosphäre heraus.
Nur der rot-weiße Blumenkranz sticht aus dem Grau der Atmosphäre heraus. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Allen Opfern des Nationalsozialismus soll am Montagvormittag, genau 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, gedacht werden. „Unvorstellbare Menschheitsverbrechen“, betont Mitorganisatorin Irene Möllenbeck von Pro Kultur, lägen in der Vergangenheit. Dass sie dort auch bleiben, sei keine Selbstverständlichkeit.

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„Schleichendes Gift des Hasses“ verneble vielen Menschen aktuell das Urteilsvermögen. Parallelen zu den letzten Jahren der Weimarer Republik ließen sich erkennen. Populistische Parteien, die ihren Wählern das Blaue vom Himmel versprechen und die Armen überzeugen wollen, die Armen zu hassen. Und wie? Sicher nicht mit großen Klauen und Teufelshörnern.

AfD? Da laufe es kalt den Rücken runter

Irene Möllenbeck von Pro Kultur spricht klare Worte gegen Rechts.
Irene Möllenbeck von Pro Kultur spricht klare Worte gegen Rechts. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Bereits die Nationalsozialisten hätten sich zum Machtgewinn unter „betont bürgerlichem Anstrich“ versteckt. Bei der Rede der AfD-Vorsitzenden sei es Möllenbeck zuletzt „kalt den Rücken runtergelaufen.“ Im Halbkreis stehen Schüler und Bürger vor der Rednerin, brummen zustimmend.

Demo gegen Rechts

Gleichgültigkeit, so betonten die Organisatoren, sei nicht vertretbar. Sich für die Demokratie einzusetzen, geht nicht nur an der Wahlurne. So versammeln sich Emmericher am Samstag, 8. Februar, auf dem Geistmarkt zu einer Demonstration gegen Rechts. Diese beginnt symbolisch um Fünf vor 12.

Eine Kooperation mit der verfassungsfeindlichen AfD müsse immer ausgeschlossen werden, nicht nur ist „die Brandmauer gar kein so schlechtes Bauwerk“, sondern: „Der Weg, der in Auschwitz endete, begann mit dem Niedergang der Demokratie.“ Das Denk- weicht einem Mahnmal.

Erinnerungen eines Emmerichers

Hunderte Schüler von Gesamtschule, Förderzentrum und Willibrord-Gymnasium nahmen teil.
Hunderte Schüler von Gesamtschule, Förderzentrum und Willibrord-Gymnasium nahmen teil. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Zwischen Klavierspiel, aufgenommen von Gesamtschülerin Stella Keller, treten nun auch Jugendliche ans Mikrofon. Am Willibrord-Gymnasium beschäftigten sie sich mit einem Emmericher, der das Konzentrationslager Dachau überlebte. Und seine Erlebnisse niederschrieb.

„Wir nährten uns dem Ort der brutalsten Nazi-Willkür“, heißt es in Gregor Schwankes Erinnerungen. Aller Wertgegenständen entledigt, wurde er „ärmer als im ärmsten Kloster“ deportiert. Ein Wort, das seit Trumps Wiederwahl auch in den USA eine Rolle spielt. 100 bis 200 Tote habe es täglich im Lager gegeben.

Darum hing Stacheldraht am Denkmal

Jorik von der Gabelentz liest sein selbstgeschriebenes Gedicht.
Jorik von der Gabelentz liest sein selbstgeschriebenes Gedicht. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Jorik von der Gabelentz schrieb zwischen den Unterrichtsstunden ein Gedicht zur Thematik, das die Teilnehmenden der letzten Reihen gespannt vortreten ließ. „Hoffnung starb durch Hass und Wut“, heißt es darin.

Zwei Schüler greifen zur Schere. Stacheldraht, anfangs harmloses Hilfsmittel zur Begrenzung von Weideland, zäunte in der Zeit des Nationalsozialismus Konzentrationslager wie Auschwitz ein. Symbolisch schneiden sie nun den Stacheldraht, der um das Denkmal gelegt wurde, durch.

Zeitzeugen mahnen: „So hat es damals auch angefangen“

Mit Stacheldraht wurde die Gedenktafel umwickelt.
Mit Stacheldraht wurde die Gedenktafel umwickelt. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

„Nie wieder ist jetzt“, betont auch Bürgermeister Peter Hinze. Stimmen der Überlebenden sollten eine eindringliche Warnung sein, denn „so hat es damals auch angefangen.“ Groll der Vergangenheit dürfe nicht relativiert werden. Dann wird es zwischen den Reihen plötzlich unruhig.

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Schüler des Förderzentrums Grunewald laufen mit Körben voll Kieselsteinen durch die Menge. Diese sollen nach jüdischer Tradition aufs Denkmal gelegt werden. Die Anwesenden greifen zu einem Stein, stellen sich für die Geste in einer langen Schlange auf dem nassen Friedhofsboden an. So muss auf richtiges Gedenken Handlung folgen.