Düsseldorf. JU-Vorsitzender Johannes Winkel ist der jüngste Bundestagskandidat aus Düsseldorf seit langer Zeit. Er hat drei klare Anliegen in seinem Wahlkampf.

Johannes Winkel ist mitten im kurzen Winterwahlkampf. Ob es der 33-Jährige es lieber gehabt hätte, mehr Zeit zu haben, seine Themen „unters Volk“ zu bringen, kann der Mann beim Treffen mit der NRZ Düsseldorf im Landesbüro der CDU an der Wasserstraße nicht wirklich beantworten. „Vielleicht am Abend des 23. Februar“, sagt Winkel, der für die Union als Kandidat im Düsseldorfer Süden antritt. Er ist der jüngste CDU-Mensch seit langem, der von Düsseldorf aus für die Partei nach Berlin will. Die Resonanz der potentiellen Wählerinnen und Wähler sei bei den Gesprächen an den Ständen diesbezüglich überwiegend positiv, sagt er. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden der Jungen Union Deutschlands über christliche Werte, Migration und die Stärkung der Bundeswehr.

Vom Messdiener zum Juristen

Johannes Winkel ist in Kreuztal bei Siegen geboren. Er ist Katholik und war in seiner Jugend Messdiener und in der Kolpingjugend. Mit einem Stipendium der Begabtenförderung studierte der heute 33-Jährige Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er trat als 19-Jähriger bei der Jungen Union (JU) ein und ist seit 2022 JU-Bundesvorsitzender. Heute arbeitet er als Jurist in einem Düsseldorfer Unternehmen für Anlagenbau. Er hat vor zwei Jahren in Eller geheiratet und lebt mit seiner Frau in Düsseldorf.

Die NRZ Düsseldorf stellt in loser Reihenfolge die Düsseldorfer Bundestagskandidatinnen und -kandidaten der für uns relevanten Parteien vor.

Warum treffen wir uns in der Landesgeschäftsstelle der CDU und nicht woanders?

Weil hier alle Fäden zusammen laufen und auch die Organisation des Wahlkampfes stattfindet. Zwischen vielen Terminen vor Ort ist hier auch mal eine kurze Pause möglich. Oder ein Interview mit der NRZ.

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Wie sind Sie zur Politik gekommen? Ich habe irgendwo gelesen, dass Sie sich diesbezüglich selbst als „Spätzunder“ bezeichnen.

In meiner Familie ist niemand Mitglied einer Partei. Ich wurde also nicht irgendwann zu einem Stammtisch mitgenommen, sondern habe mir alle Parteien sehr genau angeschaut, bevor ich mich entschieden habe. Ich habe mich schon in der Schule sehr für Politik interessiert, habe leidenschaftlich gern mit Klassenkameraden oder auch Lehrkräften diskutiert. Irgendwann wollte ich selbst was machen, so mit 16 oder 17. Es war aber nicht von Anfang an klar, dass es die CDU wird. Dass die Union vor 15 Jahren noch gegen den gesetzlichen Mindestlohn war, war für mich eine Hemmschwelle. Ich war immer dafür, vielleicht, weil meine Mutter Krankenschwester ist und in der Pflege gearbeitet hat oder aus meiner Sozialisation in der Kolpingfamilie. Dann wollte ich irgendwann zur Jungen Union, die es aber in meiner Geburtsstadt Kreuztal gar nicht gab.

Lassen Sie mich raten: Sie haben das geändert.

Ja, ich habe fünf, sechs Freunde aus Fußballverein und Freundeskreis dafür begeistern können, einen JU-Vorstand zu gründen. Wir haben damals wirklich bei Null angefangen. Nach vielen Stationen darf ich die JU seit 2022 als Vorsitzender führen.

Steile Karriere.

Das hat viel Zeit und Ausdauer, aber vor allem Herzblut und Leidenschaft erfordert.

Sie werben auf Ihren Plakaten mit Slogans wie „Zeit für Optimisten“ oder „Neuanfang“. Das ist maximal unkonkret. Können Sie für uns ins Detail gehen?

Ich habe das tiefgreifende Gefühl, dass unser Land auf einem grundlegend falschen Weg ist. Wir brauchen also keine Detailänderungen mehr, sondern einen wirklichen Neuanfang. Es geht vor allem um drei Punkte: Wenn es zum ersten mit der Talfahrt unserer Wirtschaft so weiter geht, dann ist die Industrie in fünf Jahren komplett abgebaut, dann brauchen wir übrigens über mehr oder weniger Sozialstaat gar nicht mehr diskutieren. Zweiter Punkt: die Migration. Nach Aschaffenburg und vielen anderen Vorfällen brauchen wir einen Kurswechsel. Wenn da jetzt nichts passiert, geht es Ende der 2020er-Jahre komplett Richtung Rechtsaußen, zynischerweise genau wie vor einhundert Jahren. Der dritte Punkt: Verteidigung. Ich finde es unverantwortlich, dass wir unsere Sicherheit an die Amerikaner outgesourct haben. Nach dem Motto: Unsere Sicherheit ist ja nicht unsere Sache.

Das klingt jetzt erstmal nicht sehr optimistisch.

Das ist erst mal die nüchterne Bestandsaufnahme. Man sollte als Politiker ja in der Realität leben und nicht in einem Luftschloss. Gleichzeitig sage ich: Man darf nicht naiv sein, aber braucht eine optimistische Grundeinstellung. Das liegt bei mir vielleicht auch an einer christlichen Einstellung. Gerade, wenn es schlecht läuft, darf man sich nicht von Krisen übermannen lassen. Diese Einstellung habe ich vielleicht in meinem Elternhaus mit auf dem Weg bekommen. Bei uns zuhause wurde das Ehrenamt ganz groß geschrieben. Dass man anderen Menschen hilft, an das Gute glaubt und diese Überzeugung auch weitergibt. Wir waren damals nicht nur ein Drei-Generationenhaushalt, sondern hatte auch noch drei Pflegekinder zuhause, das alles hat mich sicher geprägt.

Sie arbeiten als Jurist in Düsseldorf. Was haben Sie noch für einen Düsseldorf-Bezug?

Meine Frau und ich haben in Düsseldorf nicht nur neue Jobs, sondern vor allem eine neue Heimat gefunden. Eine meiner Schwestern und viele Freunde wohnen hier. Meine Frau und ich haben hier geheiratet und planen für die Zukunft in Düsseldorf, unabhängig davon, was politisch alles passiert.

Sie haben es eben schon kurz angerissen: Sie sind für eine Stärkung der Bundeswehr. Warum?

Wir haben in den letzten Jahren vieles falsch gemacht. Ich will das gar nicht auf die Ampel schieben, auch meine Partei hat einen Anteil daran, dass sie sich in früheren Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnte. Das Zwei-Prozent-Ziel -also zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigungsausgaben zu investieren, muss man einhalten. Diese Zusage hat man sich in der NATO gegeben, aber wir haben das einfach nicht eingehalten. Das finde ich ehrlich gesagt unverantwortlich. Und nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich das ja auch noch einmal geändert. Ich war auch mehrmals in der Ukraine in den letzten Jahren.

Was haben Sie dort erlebt?

Ich war zum Beispiel in Irpin, eine Stadt nahe Kiew. Da bin ich durch Stadtviertel gelaufen, die zu 80 Prozent zerstört waren. Und zwar, ohne dass dort irgendein militärisches Ziel stand. Ich war auch in Butscha mit der dortigen stellvertretenden Bürgermeisterin. Die konnte mir Straßen und Plätze zeigen, wo dutzende Zivilisten ermordet wurden. Und da habe ich mich gefragt, was wir in Deutschland für absurde Debatten führen. Wenn durch deine Straße ein Panzer fährt und du dich mit nichts verteidigen kannst, dann kommts du schnell von diesen intellektuellen Debatten zurück auf den Boden der Tatsachen. Wir müssen uns als Deutsche klar darüber werden - gerade jetzt mit Trump als US-Präsident -, dass wir unsere Verteidigung selbst regeln müssen, zusammen mit Frankreich und Polen.

Heißt: Frieden schaffen mit Waffen?

Wer Frieden schaffen will, braucht Verteidigungsfähigkeit. Wolfgang Schäuble hat das mal vor Jahren sehr gut auf den Punkt gebracht mit dem Satz „Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen“.

Thema Brandmauer zur AfD: Die Diskussion um die Haltung von Friedrich Merz hat hohe Wellen geschlagen. Was sagen Sie?

Mich interessiert die Programmatik der AfD nicht. Die CDU hat ihre Programmatik und zieht diese durch. Was man leider festhalten muss: Alle Parteien haben zu lange die Sorgen der Menschen ignoriert. Die AfD hatte da ein Alleinstellungsmerkmal, denn die unkontrollierte Migration ist ja ein großes Problem. Ich bin der festen Überzeugung: Offene Grenzen für alle und ein offener Sozialstaat für alle - diese Kombination kann auf Dauer nicht gut gehen. Es führt sicherheitspolitisch, aber auch finanziell zur Überforderung. Wir müssen da eine 180 Grad-Wende einleiten.

Und was sagen Sie dazu, dass Merz beim Antrag zur Asylrechtverschärfung Stimmen der AfD in Kauf genommen hat?

Es gibt viele Gründe dafür, warum die AfD für uns als Partner nicht in Betracht kommt. Dieses „Abschiebeticket“, das vor Wochen in Briefkasten von Menschen mit ausländisch klingenden Namen landete, hat mir noch mal klar gemacht, was die AfD für eine Partei ist. Ich fand das furchtbar. Wenn du als Mensch mit Migrationshintergrund hier lebst und jeden Tag arbeiten gehst, und dann siehst du dieses „One-Way-Ticket“. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass 22 Prozent der Deutschen sagen: Das finde ich gut. Man sieht das Frustpotenzial der Menschen in diesem Land. Aber das darf nicht dazu führen, Ausländerfeinde zu wählen.

Letzte Frage: Was wäre denn Ihre Wunschkonstellation auf Bundesebene, welchen Partner wünschen Sie sich?

Ich fände es daher respektlos den Wählerinnen und Wählern gegenüber, schon jetzt über mögliche Konstellationen nachzudenken. Das machen wir, wenn die Wahl durch ist. Ich kann nur sagen: Mit der AfD werden wir nicht zusammenarbeiten.

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