Düsseldorf. Adis Selimi tritt im Düsseldorfer Süden als SPD-Bundestagskandidat an. Welche Themen er für wichtig hält und warum er große Chancen für die SPD sieht.

Treffen mit Adis Selimi im Café Grenzenlos an der Kronprinzenstraße in Düsseldorf-Unterbilk. Ein Lokal, in dem wochentags täglich frisch gekocht und das Mittagessen denjenigen Menschen angeboten wird, die nicht viel zum Leben haben. Der junge Politiker hat sich diesen Ort für ein Interview mit der NRZ ausgesucht. Selimi tritt für die SPD im Düsseldorfer Süden bei der vorgezogenen Bundestagswahl an. Ein Gespräch über Bürokratie, Social Media-Begrenzungen, die K-Frage und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Herr Selimi, warum haben Sie sich ausgerechnet das Café Grenzenlos für unser Gespräch ausgesucht?

Weil hier ganz viel von dem zusammenkommt, was für mich Sozialdemokratie ausmacht: Dass man respektvoll miteinander umgeht. Dass jeder mit an den Tisch gehört. Und dass man sich immer auf Augenhöhe begegnet.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich bin in der Schulzeit bei den Jusos sozialisiert worden. Das war in Kamp-Lintfort, dort bin ich nach der Trennung meiner Eltern aufgewachsen. Es war für mich immer klar, dass ich mich in die Gemeinschaft einbringen will. Das ist dann zu meiner Studentenzeit, als ich wieder in Düsseldorf war, mit der Zeit immer mehr geworden. Politik ist ein sehr gutes Instrument, sich gesellschaftlich zu engagieren.

Welche Düsseldorfer Themen sind dem Bundestagskandidaten Selimi besonders wichtig?

Der Zweiklang aus Sicherheit und Zusammenhalt ist mir besonders wichtig. Wir leben in extrem unsicheren Zeiten. Es gibt wirtschaftliche Probleme, außenpolitische Einflüsse und innenpolitische Herausforderungen wie etwa den zunehmenden Rechtsextremismus. Wir müssen den Menschen das Gefühl zurück geben, dass der Staat etwas dagegen machen kann und dass Demokratie gemeinsam angepackt werden kann. Diese Brücke zum Zusammenhalt will ich auch hier in Düsseldorf schlagen. Es geht darum, alle mitzunehmen, sich gemeinsam unterzuhaken. Die ganzen Krisen dürfen nicht dazu führen, dass wir kürzen bei der Rente, bei der Pflege, bei der Gesundheit - also bei den Leuten, die wirklich auf uns angewiesen sind.

Viele gesetzliche Regelungen belasten die Kommunen. Was kann man im Bund tun, damit eine Stadt wie Düsseldorf entlastet werden kann?

Es geht konkret darum, im Bund den Rahmen zu setzen, damit vor Ort gute Wirtschaftspolitik gemacht werden kann. Gerade im Düsseldorfer Süden ist die weiterverarbeitende und chemische Industrie durch zu hohe Energiepreise belastet. Die zweite Sache ist die zu hohe Bürokratie: Dort haben wir noch einen riesigen Wulst, der sich durch alle Lebensbereiche zieht. Ich habe mich jüngst mit einem Mitarbeiter von BASF unterhalten. Er hat mir erzählt, wie schwer es für Unternehmen ist, Veränderungsprozesse einzuleiten. Da werden Aktenberge in die Ministerien und zur Bezirksregierung gerollt und dann wieder zurück gerollt. Da muss auf Bundesebene mehr passieren: eine verpflichtende, schnellere Digitalisierung. Die Wohnungspolitik ist ein weiteres Thema: Die Mietpreisbremse muss weiter geführt werden, damit die Kommunen eine Handhabe gegen Wohnraum als Spekulationsmasse haben. Nur müssen das die Kommunen auch wollen.

Es wird aktuell viel gekürzt beim Sport und bei der Kultur. Das sind aber gerade die Lebensbereiche, die Menschen verbinden. Das kann Ihnen doch nicht gefallen, wenn Sie - wie eben - vom gesellschaftlichen Zusammenhalt reden.

Ja, wir müssen generell über eine andere Verteilung des Geldes nachdenken. Das ist ja auch das, was letztlich die aktuelle Regierungskrise ausgelöst hat - dass man unterschiedliche Positionen hatte. Es gab die eine Position, die das alles gegeneinander ausgespielt hat. Nach dem Motto: Ukrainehilfe geht nicht, wenn wir gleichzeitig die Ausgaben im Sozialbereich haben. Und Sport und Kultur werden immer als Nice to have-Sachen abgestempelt. Dabei sind diese Dinge für unser Zusammenleben existentiell. Wir brauchen das alles, wir brauchen kulturelle Teilhabe und wirtschaftliche Förderung. Wir brauchen innere und äußere Sicherheit. Da müssen wir finanzpolitisch hinkommen, das möchte ich ganz massiv vorantreiben. Deshalb brauchen wir mindestens eine Reform, wenn nicht gar den Wegfall der Schuldenbremse. Dafür dann erhöhte Einnahmen durch eine moderate Mehrbelastung der Top-Verdiener. Und wir brauchen endgültig eine Altschulden-Regelung, das ist ja gerade in NRW ein Riesenthema. Da muss der Bund auch ran. Das Geld ist ja da, wir können das schaffen, wenn wir eben anders denken lernen. Und beim Andersdenken helfen junge Leute im Bundestag bestimmt.

In welchem ganz persönlichen Lebensbereich fühlen Sie sich von der aktuellen Bundesregierung im Stich gelassen?

Wir müssen in der Verkehrspolitik deutlich besser werden. Ich pendle beruflich viel. Für mich ist es ein politischer Fehler, dass man erstens das Deutschlandticket überhaupt zur Disposition gestellt hat und zweitens dass es verteuert wurde. Das Ticket ist eine spürbare Entlastung für viele Menschen. Ich arbeite an der Uni, das sagen mir auch viele Studierende. Das will die SPD aber auch. Daher bin ich auch nur unzufrieden mit einem Teil der Bundesregierung.

Wir haben seit 1000 Tagen einen Krieg in Europa. Welche Verantwortung trägt die Bundesregierung?

Es ist superwichtig, da eine gesamteuropäische Perspektive einzunehmen. Dass man keine Angst vor Krieg hatte, das war lange ein Privileg der westlichen Staaten in Europa. Mit Blick auf die Ukraine muss man leider sagen: Die einzige Person, die das beenden kann, ist Vladimir Putin. Es liegt eindeutig auf Seiten der Russen, die Aggression einzustellen. Insofern ist es richtig, dass die Bunderegierung die Ukraine massiv militärisch unterstützt. Das muss noch verstärkt werden, da die USA nun potentiell ausfallen.

War SPD-Kanzler Scholz bisher zu zaghaft, was die Unterstützung der Ukraine betrifft?

Das glaube ich nicht, denn es gibt ja zwei Perspektiven: Die eine ist, die Ukraine zu unterstützen - die andere, sich klar zu machen, was das alles für große geopolitische Auswirkungen geben könnte. Da bin ich froh, dass wir da einen Bundeskanzler haben, der sich nicht treiben lässt. Dass es zu diesen tausend Tagen Krieg gekommen ist, das ist natürlich eine Tragödie, aber nochmal: eine, die Russland zu verschulden hat.

Das ist Adis Selimi

Adis Selimi ist 30, lebt mit seiner Partnerin in Düsseldorf-Pempelfort, ist aber gebürtiger Unterbilker und dort natürlich im EVK geboren. Er promovierte vor kurzem an der Heinrich-Heine-Universität im Fach Philosophie. Der Titel der Doktorarbeit lautet „Die politische Philosophie der Staatenanerkennung“, in der es um „Problemfälle“ wie Taiwan oder Nord-Zypern geht. Selimi bezeichnet „Parteipolitik“ als sein Hobby, „für mehr bleibt aktuell wenig Zeit“, sagt er. Ansonsten geht der Düsseldorfer gerne joggen, spielt Videospiele und würde sich als „Cineast mit dem Hang zu Trash-Filmen“ bezeichnen.

Die NRZ Düsseldorf stellt in den nächsten Wochen in loser Reihenfolge die Düsseldorfer Bundestagskandidaten der für uns relevanten Parteien vor.

Stichwort Social Media: Wie muss Politik mit der Einflussnahme von Insta, TikTok und Co. umgehen? Braucht es gesetzliche Regelungen und Grenzen?

Die Regulierung von Hate Speech gibt es ja bereits. Und ich finde es richtig, dass die EU das durchzieht trotz Drohungen der neuen US-Administration. Der digitale Raum ist auch ein öffentlicher Raum, und jeder öffentliche Raum braucht Regeln, auch wenn er privatwirtschaftlich betrieben wird. >Ja, wir brauchen insbesondere mit Blick auf TikTok und den Einfluss von China eine stärkere Regulierung. Das ist ein Riesenproblem, dass eine sehr junge Zielgruppe den Fokus hat auf eine Plattform, die letztlich von der kommunistischen Partei Chinas kontrolliert wird. Man muss sich ganz genau anschauen: Inwiefern ist das nett und bringt Unterhaltung? Wie sind die Datenflüsse? Wird europäisches Recht angewendet? Da hat die EU Zähne, und die muss sie auch zeigen.

Anderes Thema: Ist Olaf Scholz eigentlich noch der richtige Bundeskanzler?

Ja.

Warum? Es gibt SPD-Leute, die sagen was anderes.

Weil er einen Dreiklang von innerer, äußerer und sozialer Sicherheit verkörpert. Weil er in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen und das Land gut durch die Krise geführt hat. Und weil ich im Kanzleramt jemanden haben will, der nachdenkt, bevor er handelt.

Letzte Frage: Ist es für Sie gut, dass es jetzt vorgezogene Bundestagswahlen gibt? Oder hätten Sie sich mehr Zeit gewünscht?

Na ja, man hängt so ein bisschen am Rockzipfel der Geschichte. Und das alles ist jetzt eine organisatorische Herausforderung, vor allem, wenn man als neuer Kandidat antritt. Es muss sehr viel ad hoc passieren. Es ist aber auch gut, dass es jetzt diese gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt. Wir haben das ja in den letzten Wochen gesehen: Ford streicht Stellen, Bosch streicht Stellen. Es ist Druck auf dem Kessel. Und es ist daher richtig, dass das Volk als Souverän entscheidet, wie wir mit dieser Krise umzugehen haben. Ich glaube, die SPD hat dafür die besten Antworten. Und ich bin der beste Kandidat, um das für meinen Wahlkreis umzusetzen.