Düsseldorf. Julia Marmulla tritt für die Linken als Bundestagskandidatin an. Warum sie für ihre Partei gute Chancen sieht und was das mit der AfD zu tun hat.
Es ist nicht so, als hätte Julia Marmulla nicht schon genug zu tun. Sie hat einen Berater-Job in der Tourismusbranche, ist Fraktionschefin der Linkspartei in Düsseldorf. Ihr Sohn ist gerade zwei Jahre jung geworden. Und jetzt kommt auch noch der Winterwahlkampf hinzu. „Der allein ist ja schon eine Herausforderung“, sagt die 36-Jährige, die zum zweiten Mal in Folge für die Linke als Bundestagskandidatin antritt. Vor fünf Jahren im Süden der Stadt, diesmal im Norden Die NRZ traf sich mit Julia Marmulla gut drei Wochen vor der Wahl in einem Café am Wehrhahn.
Wir sind beim Bäcker gegenüber Kaufhof am Wehrhahn. Warum wollten Sie sich hier treffen?
Weil wir hier gegenüber des geplanten Neubaus der Oper auf dem Kaufhof-Gelände sind. Ich würde nämlich gerne Sie und alle anderen Einwohnerinnen und Einwohner dieser Stadt einladen, sich das hier nochmal genauer anzuschauen. Man kann um den Block Wehrhahn 1 mal eine Runde drehen und dann darüber diskutieren, ob das hier wirklich ein guter Standort für eine neue Oper ist. Mal ganz davon abgesehen, dass wir einen Neubau an sich kritisch sehen, muss man sich auch mit dem Grundstück befassen.
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Warum?
Es ist suboptimal. Es wird total schwierig, in diesem tiefen Bau eine neue Oper zu kreieren. Das ist auch aus Sicht der Stadtentwicklung schwierig. Das einzig Gute ist, dass hier keine Bäume gefällt werden müssen. Da das Areal aber sowieso weiter entwickelt werden muss, setzen wir uns als Ratsfraktion dafür ein, dass hier etwas anderes passiert.
Was ist denn Ihre Idee?
Da wollen wir heute noch nicht vorgreifen. Da muss es von verschiedenen Seiten her neue Überlegungen geben. Wir werden in Kürze von der Stadtverwaltung verschiedene Optionen prüfen lassen.
Warum setzt sich die Düsseldorfer Linke eigentlich so vehement gegen einen Opern-Neubau ein?
Weil eine Milliarde Euro viel zu viel Geld ist, um es in ein Prestigobjekt zu stecken, das wenigen nützt. Aus unserer Sicht ist zudem die alte Oper an der Heine-Allee sanierungsfähig. Mit der Option hat sich die Stadtspitze aber nie ernsthaft auseinandergesetzt, weil sich OB Keller eben ein Denkmal setzen möchte und die Opern-Beschäftigten so lange bequatscht wurden, bis sie gesagt haben, wir können im alten Gebäude nicht mehr arbeiten. Wir stehen hinter einer Düsseldorfer Oper, aber man kann das Bestandsgebäude weiter nutzen.
Von der Kommunal- zur Bundespolitik: Sie treten zum ersten Mal als Bundestagskandidatin im Düsseldorfer Norden an. Was würden Sie von Berlin aus für Düsseldorf tun, sollten Sie es schaffen?
Das Thema Wohnen ist das wichtigste für mich. Wir müssen natürlich auch alle kommunalpolitischen Instrumente nutzen, die uns vorliegen. Aber es wäre doch viel einfacher, wenn wir auf Bundesebene bessere Rahmenbedingungen hätten. Dinge wie Mieterschutz und Mietendeckel lassen sich nur durch Bundesrecht umsetzen. Da brauchen wir eine 180-Grad-Wende, damit wir die Menschen besser schützen können. Das ist die soziale Frage unserer Zeit. Wer fünfzig Prozent seines Einkommens in Miete ausgibt, hat am anderen Ende nicht genug fürs Leben. Diese Spirale hat sich nach oben geschraubt, für Menschen in Düsseldorf und in vielen anderen Städten. Die Preise steigen und steigen.
Tourismusberaterin mit französischem Pass
Julia Marmulla ist 36 Jahre alt und Fraktionschefin der Linken in Düsseldorfer Rat. Sie hat ihre Jugend in Rom verbracht. Julia Marmulla besitzt die französische Staatsbürgerschaft. Sie ist 2011 nach Konstanz gezogen, 2017 nach Düsseldorf. Die studierte Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin ist beruflich als Tourismusberaterin für barrierefreies Reisen und als Fachplanerin für barrierefreies Bauen unterwegs. Sie hat einen zwei Jahre alten Sohn, mit dem sie zuhause Deutsch und Französisch spricht. Marmulla ist als Linke-Bundestagskandidatin im Düsseldorfer Norden aufgestellt.
Die NRZ Düsseldorf stellt in loser Reihenfolge die Düsseldorfer Bundestagskandidaten der für uns relevanten Parteien vor.
Die Linke macht in letzter Zeit bei den Umfragen zur Bundestagswahl Boden gut. Wie erklären Sie sich das?
Es sind zwei Hauptfaktoren. Der eine ist die Aktion Silberlocke von Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow und diese Kopplung, dass wir die drei Direktmandate und so die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Mittlerweile kann sich jeder sicher sein, dass eine Stimme für die Linke keine vergebene Stimme ist. Der zweite Punkt ist bittersüß: Wir erfahren natürlich auch Zulauf und Zuspruch in Abgrenzung zu der Aktion von Merz zuletzt mit der AfD. Das ist gut für unsere Prognose, aber vom menschlichen Aspekt her eine Katastrophe, was in den letzten Tagen im Bundestag passiert ist.
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In Deutschland verspürt man gerade - eben aufgrund des Rechtsrucks und der Merz-Debatte - eine Art Weltuntergangsstimmung. Wie ist das bei Ihnen?
Weltuntergangsstimmung nicht. Aber ich hatte das erste Mal vor ein paar Wochen wirklich Angst. Als Merz sagte, wir canceln die deutsche Staatsbürgerschaft für Menschen, die straffällig geworden sind. Ich sehe ja biodeutsch aus, obwohl ich auch französische Staatsbürgerin bin. Aber klar denke ich dann: Kann mir das dann auch passieren? Und ich kann mir vorstellen, dass viele andere Menschen hier die gleiche und noch mehr Ängste verspüren. Mit Merz ist die Brandmauer gefallen. Die Entwicklung hat sich mit ihm krass beschleunigt, das war für mich so nicht vorhersehbar. Das macht auch vielen CDU-geneigte Menschen Angst, wenn jemand so impulsiv, so unreflektiert und so plump-populistisch agiert.
Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Ich war schon immer politisch interessiert. Politisiert hat mich damals der Irak-Krieg. Und als ich 2017 nach Düsseldorf kam, hat mich jemand auch persönlich mit Information und Ideen ein bisschen „angefüttert“. Ich habe neue Perspektiven kennenlernen dürfen. 2018 bin ich dann bei den Linken eingetreten.
Was sagen Sie zum kurzen Wahlkampf? Für Sie okay, weil der Sommer dann nicht ganz so stressig wird?
Wir werden ja auch vor und nach dem Sommer Wahlkampf machen wegen der Kommunalwahl. Dass wir jetzt gerade Wahlkampf haben, kam für mich beruflich gerade noch rechtzeitig, da ich ein paar Sachen nach hinten schieben konnte. Wettertechnisch ist dieser Wahlkampf allerdings echt eine Herausforderung. Alles ist auch enger getaktet. Und ich weiß auch nicht, ob das für die Bürgerinnen und Bürger so gut ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass viele Parteien keine Zeit hatten, sich mit ihrer Programmatik auseinander zu setzen. Das merkt man an der Plattheit ihrer Slogans.
Was wäre für Sie die beste politische Konstellation für unser Land nach dem 23. Februar 2025?
Die beste Konstellation für unser Land wäre Rot-Rot-Grün. Wenn es eine rechnerische Mehrheit Links gibt, sollten wir diese ziehen - das habe ich vor knapp fünf Jahren noch anders gesehen. Dann müssen wir aber auch wirklich die entlastenden Maßnahmen für die Menschen endlich umsetzen. Es muss eine andere Mietenpolitik geben, eine große Reform der Schuldenbremse, wir müssen die Infrastruktur ausbauen, Busse und Bahnen günstiger machen, eine Form der Kindergrundsicherung ins Leben rufen. Wir müssen schauen, dass die Menschen ohne Einkommen oder mit kleinerem und mittleren Einkommen mehr Netto vom Brutto übrig haben und das auch spürbar merken. Es gab Entlastungen zur Ampelzeit, aber auch Belastungen, beispielsweise durch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Wir müssen richtig umverteilen. Und das könnte Rot-Rot-Grün liefern!
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